Schlechte Nachrichten könnten gute Nachrichten sein

Von Dr. Oliver Everling | 9.April 2024

David Rees, Senior Emerging Markets Economist bei Schroders, erläutert in einem Kommentar, warum schlechte Wirtschaftsnachrichten letztendlich zu guten Nachrichten für chinesische Aktien werden könnten, wenn das steigende Risiko einer regelrechten Deflation die Verantwortlichen dazu veranlasst, aggressivere fiskal- und geldpolitische Maßnahmen zu ergreifen.

Laut Rees warten die Anleger sehnsüchtig auf einen Katalysator, der eine Trendwende bei chinesischen Aktien einleitet. Obwohl die Wachstumsprognosen angehoben wurden, ist es unwahrscheinlich, dass geringfügig bessere Konjunkturdaten eine größere Erholung auslösen werden. Stattdessen könnte eine Kehrtwende in der Politik den entscheidenden Auslöser darstellen. Rees betont, dass das steigende Risiko einer echten Deflation Peking zum Handeln zwingen könnte, was letztendlich einen positiven Effekt auf chinesische Aktien haben könnte.

Zu Beginn des Jahres wurde erwartet, dass Chinas Wirtschaft in der ersten Jahreshälfte leicht wachsen würde, hauptsächlich aufgrund vermehrter Exporte von Industriegütern und einer gewissen Lockerung der Wirtschaftspolitik. Allerdings wurde nicht erwartet, dass diese Verbesserung lange anhalten würde, da das schleppende globale Wachstum einen starken Exportzyklus kaum unterstützen würde, während die politische Unterstützung relativ gering war.

Die schwache Binnenkonjunktur in China lässt Zweifel an einer langfristigen Wachstumsbelebung aufkommen und wirft auch Fragen zur Fähigkeit Chinas auf, eine Deflation zu vermeiden. Die Gesamtinflation blieb in den letzten Jahren stets hinter den Erwartungen zurück, insbesondere aufgrund schwer vorhersehbarer Lebensmittelpreise. Im Januar ging die Inflation im Jahresvergleich um 0,8 % zurück, der stärkste Rückgang seit über zehn Jahren. Die Kerninflation ist seit 2017/18 tendenziell rückläufig und lag in den letzten sechs Monaten im Durchschnitt bei rund 0,5 % im Jahresvergleich.

Die Sorge besteht nun darin, dass die Inflation in einem Umfeld schwacher Inlandsnachfrage und gelegentlicher Hinweise auf schwache Arbeitsmarktbedingungen und Nominallohnkürzungen von einer Handvoll Dienstleistungssektoren aufgehalten wird. Die Inflationsprognose der Regierung von 3 % für dieses Jahr erscheint daher äußerst optimistisch, während die Prognose für die Gesamtinflation in diesem Jahr auf nur 0,2 % gesenkt wurde. Die Überwachung der Wahrscheinlichkeit einer völligen Deflation wird als eines der wichtigsten Themen des Jahres angesehen.

China befindet sich in einer prekären Lage und muss sich auf Kultur, Freizeit und Tourismus verlassen, um die Preise hoch zu halten. Es besteht die eindeutige Gefahr, dass die Preissetzungsmacht in diesen Sektoren ebenfalls zu schwinden beginnt. Die Behörden in China sind besorgt über die Gefahr, in eine Schulden-Deflationsspirale nach japanischem Vorbild abzugleiten. Anzeichen für eine Deflation, während die Regierung mit einem deutlichen Anstieg der Inflation rechnet, sollten zu einer deutlichen Änderung der politischen Entscheidungen führen, um den Preisdruck zu erhöhen. Es wird davon ausgegangen, dass der sich ausweitende Deflationsdruck die Regierung zu aggressiveren fiskal- und geldpolitischen Maßnahmen zwingen wird.

Insgesamt besteht die Chance, dass schlechte Nachrichten für die Wirtschaft zu guten Nachrichten für die chinesischen Märkte werden, da eine Rückkehr zu strukturellen Reformen zu einem mehrjährigen Aufwärtstrend führen könnte. Kurzfristig würde jedoch wahrscheinlich ein umfangreicheres Konjunkturprogramm zur Stimulierung der Nachfrage ausreichen.

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Wechselhafte politische Kommunikation der USA gegenüber China

Von Dr. Oliver Everling | 9.April 2024

In der jüngsten Vergangenheit hat die politische Kommunikation der Vereinigten Staaten, insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis zu China, eine bemerkenswerte Wechselhaftigkeit an den Tag gelegt. Die von US-Finanzministerin Janet Yellen während ihres Staatsbesuchs in China ausgesprochene Aufforderung, die Weltmärkte nicht mit billig produzierten, hoch subventionierten chinesischen Waren – darunter Solarpaneelen, Batterien und Elektrofahrzeugen – zu überschwemmen, steht emblematisch für die derzeitigen Spannungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt. Yellens Appell, die Binnennachfrage zu stärken, mag auf den ersten Blick wie ein plausibler Lösungsansatz wirken, doch spiegelt er eine tiefere Problematik wider: eine wechselhafte und teils widersprüchliche politische Kommunikation der USA.

Diese Inkonsistenzen manifestieren sich nicht nur in der Handelspolitik, sondern auch in der Haltung zu chinesischen Importen, die nach Ansicht der US-Regierung heimische Jobs und Industrien gefährden. Parallel dazu sorgt sich Washington um Exporte nach China, insbesondere um die Lieferung von Hochleistungschips, die aus Sicherheitsgründen eingeschränkt wurde. China sieht darin einen Versuch der USA, seinen wirtschaftlichen Aufstieg zu blockieren, und hat seinerseits Einschränkungen für US-Produkte und Dienstleistungen sowie die Lieferung wichtiger Rohstoffe eingeführt.

Die Liste der Streitpunkte zwischen den USA und China ist lang und vielschichtig, angefangen bei handels- und wettbewerbsrelevanten Fragen bis hin zu tiefgreifenden Differenzen in Bezug auf politische und soziale Themen wie TikTok, die Ukraine-Krise, Taiwan, Fentanyl, Klimawandel und künstliche Intelligenz. Diese Komplexität und Breite der Themen zeigen, dass die Herausforderungen in den bilateralen Beziehungen weit über einfache Handelsfragen hinausgehen und fundamentale geopolitische und technologische Machtkämpfe widerspiegeln.

Positiv hervorzuheben ist, dass nach einem Tiefpunkt in den US-chinesischen Beziehungen Mitte 2023 wieder ein regelmäßiger und ausführlicher Austausch auf verschiedenen Ebenen stattfindet. Die Wiederaufnahme des Dialogs zwischen hochrangigen Vertretern beider Staaten, darunter Gespräche zwischen Präsident Joe Biden und Präsident Xi Jinping sowie auf militärischer Ebene, ist ein wichtiger Schritt, um Missverständnisse zu klären und eine Eskalation zu verhindern. Dennoch bleibt die Sorge, dass ein anhaltender Protektionismus, Sanktionen oder gar militärische Auseinandersetzungen nicht nur politische Spannungen verschärfen, sondern auch erhebliche wirtschaftliche Schäden verursachen könnten.

Die derzeitige Situation legt offen, dass sowohl die USA als auch China vor der schwierigen Aufgabe stehen, einen Weg zu finden, ihre Differenzen konstruktiv zu adressieren, ohne dabei die globalen Wirtschaftsbeziehungen zu destabilisieren. Für Deutschland und Europa bedeutet dies, dass ein kritischer, aber konstruktiver Austausch mit beiden Ländern von entscheidender Bedeutung ist, insbesondere angesichts der zunehmenden geopolitischen Spannungen und der potenziellen Auswirkungen auf die internationale Ordnung.

„Schon heute klagen US-Chipproduzenten über verlorene Marktanteile,“ berichtet Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank DONNER & REUSCHEL, „fehlende Umsätze und Gewinne aus dem Chinageschäft. In China hingegen werden die staatlich unterstützten Bemühungen verstärkt, um den technologischen Rückstand aufzuholen und weniger abhängig von kritischen Produkten aus der US-Produktion zu sein. Für alle Beteiligten bedeutet der Verzicht auf komparative Kostenvorteile internationaler Arbeitsteilung jedoch steigenden Inflationsdruck und den Verlust von Wohlstand.“

Die wechselhafte politische Kommunikation der USA gegenüber China stellt nicht nur eine Herausforderung für die bilateralen Beziehungen beider Länder dar, sondern wirft auch Fragen bezüglich der Stabilität und Vorhersehbarkeit internationaler Politik auf. Es bleibt zu hoffen, dass durch Dialog und Kooperation Wege gefunden werden können, die es ermöglichen, gemeinsame Interessen zu fördern und Konflikte friedlich zu lösen.

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Bewertungswahnsinn und Spekulationsblasen

Von Dr. Oliver Everling | 8.April 2024

In der Welt der Finanzmärkte wiederholen sich manche Szenarien wie in einem unendlichen Zyklus. Prof. Dr. Jan Viebig, Chief Investment Officer bei ODDO BHF SE, wirft in seinem aktuellen CIO View einen kritischen Blick auf die gegenwärtig hohen Bewertungen am Aktienmarkt und zieht Parallelen zur Dotcom-Blase der Jahrtausendwende. „Zur Jahrtausendwende stürzten sich die Anleger massenhaft auf Internet-Aktien und trieben deren Kurse in aberwitzige Höhen“, erinnert Viebig und beobachtet ähnliche Muster heute, insbesondere bei Technologie-Titeln rund um Digitalisierung und Künstliche Intelligenz.

Die Geschichte zeigt, dass Märkte zuweilen von Spekulationsblasen heimgesucht werden, die von euphorischen Anlegern getragen werden, deren Hoffnungen und Erwartungen sich in unrealistisch hohen Kursen widerspiegeln. „Am Neuen Markt an der Frankfurter Börse wurden über Startups insgesamt rund 200 Milliarden Euro Anlegergeld vernichtet“, so Viebig, der damit die Volatilität und das Risiko von Investitionen in vermeintlich revolutionäre Geschäftsideen aufzeigt.

Doch Viebig betont auch, dass nicht jeder rasche Kursanstieg auf eine Blase hinweist. „Nicht jeder rasche Kursanstieg mündet zwangsläufig in eine Übertreibung“, erklärt er und weist darauf hin, dass die derzeitigen Bewertungen, obwohl gestiegen, noch nicht die Extremwerte erreicht haben, die während der Dotcom-Blase beobachtet wurden. Als Beleg führt er an, dass das Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) der IT-Unternehmen im S&P 500 aktuell bei 40,9 liegt, verglichen mit 73,4 im Jahr 2000. Die Eigenkapitalrendite liegt heute bei durchschnittlich 29,8 Prozent, ein deutlicher Anstieg gegenüber den 18,3 Prozent im Jahr 2000.

Die Analyse des freien Cashflows der Unternehmen im S&P 500 und insbesondere der „Glorreichen Sieben“ (Apple, Amazon, Alphabet, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla) unterstützt Viebigs Argument, dass die aktuellen Bewertungen zwar hoch, aber nicht unbedingt irrational sind. „In den vergangenen zehn Jahren seit 2014 ist der freie Cashflow für den S&P 500 um das 2,5-fache gestiegen und für die ‚Glorreichen Sieben‘ um das 4,5-fache“, führt er aus.

Viebig bleibt vorsichtig optimistisch und betont die Bedeutung selektiver Investitionen: „Viele Unternehmen sind schon so hoch bewertet, dass der weitere Kursspielraum kleiner geworden ist. Deshalb investieren wir sehr selektiv in Unternehmen mit einem überzeugenden Geschäftsmodell und einer attraktiven Bewertung.“ Er schließt nicht aus, dass es zu Kurseinbrüchen kommen kann, sieht diese jedoch nicht als sein Hauptszenario. Vielmehr betrachtet er potenzielle Schwächephasen als Gelegenheiten, um Positionen am Aktienmarkt zu günstigeren Einstandskursen zu erhöhen.

Viebigs Perspektive liefert eine umsichtige Analyse der aktuellen Marktsituation, eingebettet in einen historischen Kontext, der verdeutlicht, dass der Marktzyklus sowohl Chancen als auch Risiken birgt. Die Lektionen der Vergangenheit, kombiniert mit einer sorgfältigen Analyse der gegenwärtigen Daten, scheinen der Schlüssel zu sein, um in einem volatilen Marktumfeld erfolgreich zu navigieren.

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US-Präsidentschaftswahl und ihre Auswirkungen auf die Finanzmärkte

Von Dr. Oliver Everling | 8.April 2024

Mit der nahenden US-Präsidentschaftswahl im November spitzt sich die Verunsicherung unter den Anlegern zu. Die Möglichkeit einer Wiederwahl Donald Trumps steht im Raum und weckt Befürchtungen über potenzielle Auswirkungen auf die globalen Kapitalmärkte. Doch Experten wie Dr. Ernst Konrad, Lead Portfoliomanager des Münchner Vermögensverwalters Eyb & Wallwitz, mahnen zur Besonnenheit. Trotz der weitreichenden politischen Konsequenzen, die eine zweite Amtszeit Trumps mit sich bringen könnte, sehen sie wenig Grund zur Sorge für Investoren.

Konrad betont, dass die Furcht um den Zustand der amerikanischen Demokratie zwar berechtigt ist, der Einfluss des US-Präsidenten auf die Kapitalmärkte jedoch nicht überschätzt werden sollte. Sowohl unter Trump als auch seinem Herausforderer verläuft die grobe Linie der Wirtschaftspolitik ähnlich: Mehr Protektionismus, Förderung der technologischen Führungsposition der USA und ein stärkerer Abbau von Abhängigkeiten mit China. Für den US-Techsektor, der zuletzt die Märkte dominierte, bedeutet dies vermutlich keine einschneidenden Veränderungen, da kein Kandidat die Führungsrolle dieses Sektors gefährden möchte.

Interessanterweise könnten unter einer Fortführung der Trump-Administration bestimmte Industrien profitieren, darunter traditionelle Branchen wie die Automobil- und Stahlindustrie, hauptsächlich aufgrund einer erwarteten „Laissez-faire“-Politik, insbesondere gegenüber der fossilen Energiewirtschaft. Im Gegensatz dazu könnten Unternehmen aus dem Bereich „Green Energy“, die stark von Subventionen abhängig sind, Nachteile erfahren.

Ein weiterer kritischer Punkt in Trumps Agenda ist der Schutz der amerikanischen Wirtschaft vor billigen ausländischen Importen durch höhere Zölle, die Vergeltungsmaßnahmen gegen amerikanische Exporte provozieren könnten. Diese Politik richtet sich vor allem gegen China, aber auch exportorientierte EU-Unternehmen, insbesondere in Deutschland, könnten betroffen sein. Einige dieser Unternehmen reagieren bereits, indem sie ihre Produktionskapazitäten in den USA ausbauen.

Trotz der potenziellen kurzfristigen Herausforderungen durch Handelsbeschränkungen bleibt der freie Handel ein wesentlicher Bestandteil des internationalen Wettbewerbs. Langfristig gesehen argumentiert Konrad, dass Unternehmen, die auf politisches Wohlwollen, Subventionen oder Strafzölle angewiesen sind, keine robusten Geschäftsmodelle besitzen und daher für langfristige Investitionen weniger attraktiv sind. Anleger, die in nachhaltige Wachstumstrends und bewährte Geschäftsmodelle investieren, können sich daher auch in politisch unsicheren Zeiten wie einer möglichen Wiederwahl Trumps sicher fühlen, dass ihr Portfolio gut aufgestellt ist.

Die Aussichten auf die US-Präsidentschaftswahl zeigen ein komplexes Bild der möglichen wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen. Während Unsicherheiten bestehen, ist es wichtig, den Blick auf langfristige Trends und solide Geschäftsmodelle zu richten, um das Anlageportfolio gegen politische Schwankungen zu immunisieren.

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Lesenswerte CAPITAL-KOLUMNE von Dr. Bruns zum „Standortpatriotismus“

Von Dr. Oliver Everling | 2.April 2024

Im Zuge einer differenzierten Betrachtung der deutschen Wirtschaftspolitik und deren aktuellen Herausforderungen, sticht die Perspektive von Dr. Christoph Bruns als eine fundierte und aufschlussreiche Analyse hervor. Seine Bemerkungen zu den Wirtschaftsministern Deutschlands und dem aktuellen politischen Kurs bieten einen wertvollen Ausgangspunkt für eine tiefere Auseinandersetzung mit der Thematik:

https://www.loys.de/de/news/849/standortpatriotismus

Bruns‘ Aussage, dass „Deutschland kein Glück mit seinen Wirtschaftsministern“ hatte und die Charakterisierung der meisten als weniger überzeugte Marktwirtschaftler, betont die Notwendigkeit, das Erbe Ludwig Erhards – des Architekten des deutschen Wirtschaftswunders – in Erinnerung zu rufen und nachzueifern. Es spiegelt die Bedeutung einer starken Verpflichtung zur Marktwirtschaft wider, die als Grundstein für Wachstum und Prosperität dient.

Die Kritik am aktuellen Wirtschaftsminister wegen seines Aufrufs zu mehr „Standortpatriotismus“ angesichts eines Wechsels des Trikotausstatters des Deutschen Fußball-Bundes, hebt ein Missverhältnis zwischen politischer Rhetorik und den tatsächlichen Bedürfnissen einer global vernetzten Wirtschaft hervor. Diese Episode demonstriert, wie wichtig es ist, ökonomische Prinzipien und die Realitäten des internationalen Handels zu verstehen.

Bruns‘ Warnung vor den Gefahren eines übermäßigen Standortpatriotismus ist besonders relevant in einer Zeit, in der der globale Freihandel unter Druck steht. Die Bemerkung, dass eine exportorientierte Volkswirtschaft wie die Deutschlands von einer offenen Weltwirtschaft profitiert, ist ein entscheidendes Argument für die Förderung des Freihandels und der Globalisierung. Sein Hinweis darauf, dass „der Wohlstand der Deutschen mit diesem Thema hoch positiv korreliert“ ist, bestärkt die Forderung nach einer Außenwirtschaftspolitik, die sich für gegenseitigen Handel und Wettbewerb einsetzt.

Darüber hinaus wirft Bruns ein kritisches Licht auf die aktuelle Tendenz, dass große Investitionen in Deutschland zunehmend staatliche Unterstützung erfordern. Dies signalisiert eine besorgniserregende Abkehr von privatwirtschaftlichem Unternehmertum und Eigeninitiative. Sein Aufruf, dass Deutschland seine Attraktivität als Standort durch die Verbesserung von Rahmenbedingungen wie Steuerpolitik, Bürokratieabbau und erschwingliche Energiepreise steigern sollte, ist ein dringender Appell, den wirtschaftlichen Herausforderungen mit innovativen und nachhaltigen Lösungen zu begegnen.

Insgesamt bietet Dr. Christoph Bruns eine kritische, aber konstruktive Sicht auf die deutsche Wirtschaftspolitik. Seine Kommentare unterstreichen die Bedeutung von Marktwirtschaft, Freihandel und internationaler Zusammenarbeit für den Wohlstand und die Zukunftsfähigkeit Deutschlands. Sie rufen zu einer reflektierten und zielgerichteten Politikgestaltung auf, die die langfristigen Interessen des Landes in einer globalisierten Weltwirtschaft im Blick behält.

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Börsengier im Rating

Von Dr. Oliver Everling | 2.April 2024

Prof. Dr. Jan Viebig, Chief Investment Officer der ODDO BHF SE, kommentiert wöchentlich was die Märkte bewegt. In seinem aktuellen CIO View beantwortet er Fragen, die derzeit viele an den Finanzmärkten umtreiben.

Sind die Aktienmärkte in den USA überbewertet? „Es ist richtig, dass Aktien in den USA nach den Kursgewinnen der vergangenen Jahre hoch bewertet sind. Das Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) im Aktienindex S&P 500 liegt aktuell bei 25,1 und damit über dem Mittelwert der Jahre 2000 bis 2024. Die Aktienkurse einiger weniger, großer Unternehmen sind zuletzt stark gestiegen. (…) Das KGV der ‚Glorreichen Sieben‘ – Amazon, Meta, Alphabet, Tesla, Nvidia, Microsoft und Apple – liegt aktuell bei 39,2 (jeweils basierend auf den Gewinnen der letzten 12 Monate). Wir glauben nicht, dass derzeit eine allgemeine Bewertungsblase vorliegt. Einzelne Segmente am US- amerikanischen Aktienmarkt sind aber aktuell anspruchsvoll bewertet. Wir suchen nach wundervollen Unternehmen, die zu einem fairen Preis am Markt gehandelt werden. Wenn einzelne Aktien zu teuer werden, dann reduzieren wir diese schrittweise“.

Wie ist die Stimmung an den Finanzmärkten einzuschätzen? „Ein gängiges Maß für die Stimmung an den Märkten ist der Fear and Greed Index. Dieser Index fängt die Stimmung der Investoren ein, die zwischen Angst und Gier schwankt. Er liegt auf einer Skala von 0 (extreme Angst) bis 100 (extreme Gier) aktuell bei 72. Drei der sieben Bestandteile des Index liegen momentan sogar im Bereich ‚extreme Gier‘. Damit erscheinen uns die Marktteilnehmer aktuell euphorisch. Dies mahnt uns, derzeit nicht zu mutig zu werden“.

Wie ist die Konzentration im Langzeitvergleich zu betrachten? „Das Jahr 2023 war an den US-Börsen von einer ungewöhnlich starken Konzentration auf die ‚Glorreichen Sieben‘ geprägt. (…) Gleichzeitig zeichnen sich diese sieben Aktien durch hohe Marktkapitalisierungen aus. Microsoft etwa kommt aktuell auf eine Börsenbewertung von rund 3,2 Billionen Dollar und Nvidia auf knapp 2,4 Billionen Dollar. In Deutschland erreicht SAP beispielsweise nur eine Marktkapitalisierung von etwas mehr als 200 Milliarden Euro. Allerdings lohnt sich ein differenzierter Blick auf die ‚Glorreichen Sieben‘, denn die Bewertungsrelationen gehen auch hier weit auseinander“.

Wie gefährlich ist die Lage der US-Banken? „Amerikanische Banken haben hohe unrealisierte Verluste angehäuft. Im Juni 2023 betrugen sie 520 Milliarden Dollar oder 26,2 Prozent ihres Eigenkapitals. Die Verluste resultieren daraus, dass ihre Anleihebestände durch den starken Zinsanstieg seit Mitte 2020 stark an Wert verloren haben. Die weitere Entwicklung des US-Bankensektors hängt maßgeblich davon ab, ob die Banken diese Verluste aussitzen können, indem sie die Anleihen bis zu ihrer Endfälligkeit halten, oder ob sie diese Titel vorzeitig verkaufen und auf diese Weise die Verluste realisieren müssen. Da die Fed ihre Leitzinsen in diesem Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit senken wird, kommt von dieser Seite vermutlich kein weiterer Druck auf die Anleiheportfolios der US-Banken. Deshalb rechnen wir nach aktuellem Stand nicht mit einer Systemkrise des US-Bankensektors. Gleichwohl investieren wir derzeit nicht in Aktien amerikanischer Regionalbanken und meiden generell Engagements in US-Banken“.

Was tun, wenn es zu einer Rezession kommen sollte? „Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und Europa präsentiert sich schwach. (…) Obwohl es nicht unser Hauptszenario ist, steht die Möglichkeit einer Rezession in den USA immer noch im Raum. Auch bleiben die geopolitischen Spannungen weiterhin hoch. In den zurückliegenden Jahrzehnten hat der Aktienmarkt stets deutlich korrigiert, wenn die Wirtschaft in eine Rezession gerutscht ist. Das erwarten wir für die US-Wirtschaft derzeit nicht. Wir rechnen auch aktuell nicht damit, dass der US-Aktienmarkt einbrechen wird, da insbesondere der Arbeitsmarkt in den USA weiterhin sehr fest ist. Falls wir uns täuschen, würden wir die Aktienquote nennenswert aufstocken. Denn typischerweise macht es für uns Sinn, Aktien antizyklisch im letzten Drittel einer Rezession zu kaufen, wenn sich Panik an den Märkten ausbreitet und Aktien zu niedrigen Bewertungen handeln“.

Wann ist mit ersten Zinssenkungen der EZB zu rechnen? „Wir gehen derzeit davon aus, dass die EZB im Sommer 2024 beginnen könnte, die Leitzinsen zu senken. Wichtig für Anleger ist nicht, in welchem Monat die Zentralbank Zinssenkungen einleitet, sondern dass ein Zinsrückgang in diesem Jahr um vermutlich 50 bis 100 Basispunkte sehr wahrscheinlich ist. Wer derzeit kurzfristig Geld am Anleihemarkt anlegt, wird in Zukunft sein Kapital vermutlich nur noch zu niedrigeren Zinsen wiederanlegen können. Deshalb haben wir die Laufzeit der Anleihen in unseren Portfolios erhöht. Kurzfristige Anlagen in Festgeld sind derzeit mit einem Wiederanlagerisiko verbunden. Es lohnt sich, über längerfristige Geldanlagen nachzudenken“.

Wie sollten sich Anleger positionieren? „Wir sind überzeugt, dass langfristig orientierte Anleger einen ihrer Risikobereitschaft und -tragfähigkeit entsprechend großen Teil ihres Kapitals langfristig in Aktien anlegen sollten. Mit der Länge des Investmenthorizonts sinkt das Verlustrisiko am Aktienmarkt erheblich. (…) Langfristig orientierte Anleger können von Trends wie der Digitalisierung, der Künstlichen Intelligenz, der innovativen Medizin und der Medizintechnik profitieren, die unserer Meinung nach für die weitere Zukunft bedeutsam sein werden. (…) Langfristiges Investieren in Aktien setzt voraus, dass Kunden bereit und fähig sind, kurzfristige Kursrückschläge an den Börsen zu verkraften. Wer dazu nicht bereit ist, kann von den wieder höheren Renditen am Anleihemarkt profitieren. Dies gilt besonders für Unternehmensanleihen. Euro-Anleihen solider Unternehmen im Investmentgrade-Bereich mit längerer Laufzeit weisen derzeit für uns wieder attraktive Renditen auf. Jedoch sind vergangene Wertentwicklungen, Simulationen oder Prognosen kein zuverlässiger Indikator für die Zukunft. Die Rendite kann infolge von Währungsschwankungen steigen oder fallen“.

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Scope Ratings lernt „die harte Tour“ die Regeln des Ratinggeschäfts

Von Dr. Oliver Everling | 22.März 2024

Die jüngste Geldbuße von über 2 Millionen Euro, die von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) gegen Scope Ratings GmbH (Scope) verhängt wurde, ist ein deutliches Signal an die Branche: Die Regeln des Ratinggeschäfts sind nicht verhandelbar. Die Strafe für Verstöße gegen die Interessenkonflikt-Regelungen unter der Verordnung für Ratingagenturen (CRA Regulation) zeigt, dass Scope eine teure Lektion über die Bedeutung der Einhaltung regulatorischer Anforderungen lernt – und das auf die harte Art und Weise.

Scope fiel durch bei der Einhaltung der Anforderungen der CRA-Verordnung, insbesondere bei der Handhabung von Interessenkonflikten. Die ESMA identifizierte strukturelle Mängel sowie spezifische Verstöße gegen die Verpflichtungen zur Vermeidung von Konflikten. Diese Feststellungen basierten auf strukturellen Versäumnissen und spezifischen Brüchen der Interessenkonflikt-Verpflichtungen im Rahmen der CRA-Verordnung. Verena Ross, die Vorsitzende der ESMA, betonte, dass das Scheitern von Scope, potenzielle Interessenkonflikte zu vermeiden, nicht nur das ordnungsgemäße Funktionieren der Märkte gefährdet, sondern auch Schaden für Investoren verursachen kann.

Der Fall Scope wirft ein Schlaglicht auf eine wichtige Frage: Warum lernen manche Unternehmen die Regeln des Geschäfts auf die harte Art und Weise, anstatt sich proaktiv beraten zu lassen und die bestehenden Vorschriften einzuhalten? Eine mögliche Antwort liegt in der Unternehmenskultur und dem Risikomanagement. Die Einhaltung von Vorschriften sollte als integraler Bestandteil der Unternehmensführung und nicht als nachträgliche Maßnahme angesehen werden. Die präventive Einbindung von Compliance und ethischen Grundsätzen in die Geschäftsprozesse kann Unternehmen davor bewahren, teure Strafen zu riskieren und ihren Ruf zu schädigen.

Die spezifischen Verstöße von Scope, einschließlich struktureller Mängel in den Richtlinien, Verfahren, internen Kontrollmechanismen sowie organisatorischen und administrativen Anordnungen, zeigen, dass es an einem tiefgreifenden Verständnis für die Wichtigkeit von Transparenz und der Vermeidung von Interessenkonflikten fehlte. Besonders bedenklich sind die Verstöße im Zusammenhang mit einem potenziellen Interessenkonflikt bezüglich einer bestimmten Person und dem Versäumnis, die Bereitstellung von Nebendienstleistungen an ein bewertetes Unternehmen im endgültigen Bewertungsbericht offenzulegen.

Dieser Fall verdeutlicht, dass Unternehmen, die im Ratinggeschäft tätig sind, sich nicht leisten können, Compliance und ethische Überlegungen zu ignorieren. Die Konsequenzen für die Missachtung der Regeln sind nicht nur finanzieller Natur, sondern können auch langfristige Auswirkungen auf das Vertrauen der Investoren und die Marktstellung des Unternehmens haben.

Scope Ratings‘ Erfahrung dient als mahnendes Beispiel für die gesamte Branche: Die Einhaltung von Vorschriften und die Beratung durch Experten sind keine optionalen Extras, sondern essentielle Bestandteile des Geschäftserfolgs. Die „harte Tour“ ist sicherlich eine Lernmethode, doch ist es eine, die Unternehmen bestenfalls vermeiden sollten. Stattdessen ist es klug, sich von Anfang an gut beraten zu lassen und ein robustes Compliance-System zu etablieren, das die Einhaltung aller regulatorischen Anforderungen sicherstellt.

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UniCredit Bank auf der Handelsblatt Jahrestagung: ESG-Risikomanagement in der Praxis

Von Dr. Oliver Everling | 19.März 2024

Mireille Khazaka, Chief Sustainable Finance Officer CRO der HypoVereinsbank, Member of UniCredit Bank AG, UniCredit Bank GmbH, gab auf der Handelsblatt Jahrestagung Bankenaufsicht 2024 tiefgehende Einblicke in die praktische Umsetzung von ESG im Risikomanagement. Ihre Präsentation, „ESG im Risiko Management – Erfahrungen aus der Praxis“, beleuchtete die Herausforderungen und Lösungsansätze in der Integration von Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren (ESG) in das Risikomanagement von Banken.

Khazaka eröffnete ihre Ausführungen mit der Betonung, dass die Berücksichtigung von Klimarisiken im Risikomanagement unausweichlich ist, um die Belastbarkeit der Banken zu stärken. Sie führte aus, wie UniCredit ESG-Faktoren in das Risikomanagement integriert, von der Messung und Steuerung von Klimarisiken bis hin zur Anpassung an die regulatorischen Anforderungen. Dabei wies sie auf die Kluft zwischen den regulatorischen Vorgaben und der praktischen Umsetzung hin und betonte die Notwendigkeit einer Balance.

Besondere Aufmerksamkeit widmete Khazaka den Herausforderungen, die sich aus der Langfristigkeit von Klimarisiken ergeben, und den daraus resultierenden Interessenkonflikten. Sie argumentierte, dass der sogenannte „Kodak-Effekt“ – der Wandel durch technologische Innovation und das Scheitern von Unternehmen, sich anzupassen – ein Beleg dafür sei, dass Veränderung eine Konstante darstellt, deren Management jedoch in der Realität schwierig sein kann.

Ein zentrales Thema ihres Vortrags war die Bedeutung des Humanfaktors im Prozess des organisatorischen Wandels. Khazaka zog Parallelen zwischen natürlichen Prozessen und der organisatorischen Transformation: So wie Bäume im Herbst ihre Blätter abwerfen, um Energie zu sparen und im Frühling erneut auszutreiben, müssen Organisationen lernen, sich den wechselnden Bedingungen anzupassen und dabei ihre Wurzeln – Kultur, Bildung und Bindung – zu stärken. Sie betonte, dass Bildung in Zeiten kontinuierlichen Wandels essenziell ist und eine Kultur des Lernens aus Fehlern („Fehlerkultur“) und klare Führung („Tone from the top“) unabdingbar sind.

Khazaka skizzierte die mangelnde Harmonisierung der ESG-Standards in Europa. Es gebe in Europa noch keine Harmonisierung, was die ESG bedeute, G bedeutet in Deutschland was anderes als in Österreich oder in Italien.

Sie beschrieb die praktische Anwendung von Fragebögen, Scoring und Gewichtungen zur Erstellung einer ESG-Scorekarte. Bei einer Einstufung des Transition Risk Scores als gelb oder rot erfolgt ein „Deep-dive“, eine tiefgehende Analyse zur Festlegung der Engagement-Strategie.

Abschließend rief Khazaka zu einer umfassenden Anerkennung der Notwendigkeit von Anpassung und Entwicklung auf, um durch schwierige Zeiten zu navigieren. Die Betonung lag auf der Wichtigkeit einer stabilen Unternehmenskultur, die durch Bildung und Bindung gestärkt wird, um den Herausforderungen der ESG-Integration erfolgreich zu begegnen. Ihre Ausführungen auf der Handelsblatt Jahrestagung Bankenaufsicht 2024 boten wertvolle Einblicke in die komplexe, aber unabdingbare Integration von ESG-Faktoren in das Risikomanagement der Finanzindustrie.

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Commerzbank sieht in grüner Transformation zentrale Rolle für Banken

Von Dr. Oliver Everling | 19.März 2024

Auf der diesjährigen Handelsblatt Jahrestagung Bankenaufsicht in Frankfurt hat Bernd Spalt, Chief Risk Officer (CRO) der Commerzbank, eine wegweisende Rede gehalten, die die entscheidende Rolle der Banken im Kampf gegen den Klimawandel unterstreicht. In seinem Vortrag betonte Spalt die Notwendigkeit, dass Banken aktiv an der grünen Transformation teilnehmen, indem sie die Berücksichtigung von Klimarisiken in ihre Kapitalflüsse und Risikomanagementstrategien integrieren.

Die Klimakrise zwinge uns, die Kapitalströme neu auszurichten und verstärkt in nachhaltige Investitionen zu leiten. Dies sei nicht nur eine Frage der ökologischen Verantwortung, sondern auch des ökonomischen Risikomanagements, erklärte Spalt. Er hob hervor, dass die Einbindung von Nachhaltigkeitsaspekten in das Risikomanagement entscheidend ist, um erhöhte Kreditrisiken zu vermeiden und gleichzeitig Transparenz und Verantwortung zu fördern.

Spalt warnte vor den Gefahren einer passiven Haltung gegenüber dem Klimawandel: Wenn Unternehmen eine geringe Bereitschaft oder Fähigkeit zur Transformation zeigen und gleichzeitig hohe Risiken in ihren Geschäftsmodellen aufweisen, müsse die Bank die Fortführung solcher Kundenbeziehungen kritisch hinterfragen. Er betonte, dass Kunden, die aktiv an der Transformation teilnehmen, geringe Risiken aufweisen und keinen direkten negativen Einfluss auf die Umwelt haben, als ideal angesehen werden.

Der Commerzbank-CRO wies auf die ungewisse Zukunft hin, die der Klimawandel mit sich bringt, betonte jedoch, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit von Klimarisiken nicht infrage steht. „Die wissenschaftliche Unterstützung hilft uns, die physischen Risiken, wie beispielsweise Hitzewellen, die der Klimawandel mit sich bringt, besser zu verstehen und entsprechend zu handeln“, fügte er hinzu.

Spalt machte deutlich, dass Banken sich in eine proaktive Steuerungsposition begeben müssen, um den Herausforderungen des Klimawandels und der Umweltveränderungen wirksam zu begegnen. Angesichts der hohen Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung, sei es eine geordnete Transformation oder eine starke Klimaerwärmung, müssen die Risiken aktiv gemanagt werden. Ziel sei eine geordnete Transformation zu ‚Net Zero‘, wobei die Bank ihren Kunden auf diesem Weg begleiten und überwachen werde.

Die Rede von Bernd Spalt auf der Handelsblatt Jahrestagung Bankenaufsicht 2024 setzt ein starkes Zeichen für die Rolle der Finanzindustrie in der Bekämpfung des Klimawandels und unterstreicht die Notwendigkeit eines umfassenden Umdenkens in der Risikobewertung und Kapitalverteilung zur Unterstützung einer nachhaltigen Zukunft.

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IRB-Ansatz für LSI – Erfahrungen mit IRB 2.0 und CRR III

Von Dr. Oliver Everling | 18.März 2024

Im Rahmen der Handelsblatt Jahrestagung Bankenaufsicht 2024 hat Martin Neisen, Partner bei PwC und Global Basel IV Leader, tiefgreifende Einblicke in den „IRB-Ansatz für weniger bedeutende Institute (LSI) – Erfahrungen und Herausforderungen mit dem IRB 2.0 gemäß CRR III“ gegeben. Ein Thema, das vor einigen Jahren noch als wenig relevant für die meisten Banken galt, steht nun im Fokus der Finanzwelt, insbesondere im Kontext der neuesten regulatorischen Entwicklungen in der Europäischen Union.

Der Internal Ratings-Based Approach (IRBA) ermöglicht es Banken, eigene Risikomodelle zur Ermittlung der Kapitalanforderungen für Kreditrisiken zu nutzen. Die wesentlichen Komponenten des IRB-Ansatzes – die Wahrscheinlichkeit des Ausfalls (PD), der Verlust bei Ausfall (LGD), der Betrag der Forderung bei Ausfall (EAD) und die Schwankung der Verluste (M) – bilden das „Schlagzeug des IRB-Ansatzes“. Die neuen Regelungen der CRR III eröffnen, laut Neisen, neue Potenziale für LSIs zur Kapital- und Kostenoptimierung im Vergleich zur vorherigen Regulierung.

Neisen hebt hervor, dass der IRBA nicht nur für die „Schmuddelkinder“ unter den Banken von Bedeutung sei, sondern insbesondere auch für gut aufgestellte Institute eine Chance biete, ihre Kapitalausstattung zu optimieren. Die Möglichkeit, den IRB-Ansatz nur auf ausgewählte Portfolios anzuwenden, bietet den Banken eine signifikante Kostenreduzierung, da nicht alle Portfolios entwickelt und integriert werden müssen. Zudem können Banken den IRB-Ansatz schrittweise einführen.

Ein praktisches Beispiel demonstriert, wie Banken von niedrigeren Risikogewichten durch den IRB-Ansatz profitieren können. „Wir haben bereits mehrere Banken beim Wechsel zum IRB-Ansatz begleitet und bei keiner hat sich der Wechsel nicht gelohnt,“ so Neisen. Allerdings skizziert er auch Herausforderungen, insbesondere in den Bereichen Ausfalldefinition, PD-Modellierung sowie LGD- und CCF-Modellierung. Die Qualität der Daten spielt dabei eine entscheidende Rolle, sowohl bei der Anwendung als auch bei der Entwicklung der Modelle, welche von der Bankenaufsicht streng kontrolliert wird.

Interessanterweise könne Künstliche Intelligenz (KI) dabei helfen, die Performance der Modelle zu verbessern. Neisen berichtet von einem AI-Modell, das eine höhere Trennschärfe und einen gesteigerten Gini-Koeffizienten erbracht hat, was die Effizienz und Genauigkeit der Risikobewertung erheblich steigert.

Die Ausführungen von Martin Neisen auf der Jahrestagung Bankenaufsicht 2024 werfen ein neues Licht auf die Möglichkeiten und Herausforderungen des IRB-Ansatzes im Kontext der neuesten EU-Bankenregulierung. Sie zeigen, dass eine sorgfältige Implementierung und Nutzung des IRB-Ansatzes den Banken signifikante Vorteile bieten kann, wobei allerdings die Komplexität der Anforderungen und die Notwendigkeit einer präzisen Datenanalyse nicht unterschätzt werden dürfen.

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