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Tomorrow never dies – KI und Cyberrisiken aus Sicht der Bundesbank

Von Dr. Oliver Everling | 29.April 2025

Auf der Handelsblatt-Tagung „Bankenaufsicht 2025“ setzte Karlheinz Walch, Zentralbereichsleiter Bankenaufsicht bei der Deutschen Bundesbank, mit seiner Keynote „Tomorrow never dies – KI und Cyberrisiken“ einen pointierten und zukunftsgerichteten Akzent. Er nahm das Publikum mit auf eine Analyse der disruptiven Kräfte, die Künstliche Intelligenz und Cyberrisiken derzeit auf den Finanzsektor ausüben – und stellte die Frage, ob Banken und Aufsicht diesen Herausforderungen bereits in ausreichendem Maße begegnen.

Der Einsatz von KI, so Walch, sei kein Zukunftsthema mehr, sondern finde längst Anwendung in Risikomodellen, der Kreditvergabe, dem Kundenservice oder bei der Betrugsbekämpfung. Doch die reale Breitenwirksamkeit bleibe bislang hinter den visionären Potenzialen zurück – nicht zuletzt, weil sich viele Institute in einem Spannungsfeld zwischen Innovationswille und regulatorischer Unsicherheit bewegten. Es sei daher entscheidend, dass die Aufsicht einen verlässlichen Rahmen – Leitplanken – für den Einsatz von KI schaffe, ohne Innovation zu ersticken. Gleichzeitig müsse man die Gefahren klar im Blick behalten: Die sogenannte „Black Box“ der KI-Modelle – zu komplex und zu intransparent – dürfen nicht dazu führen, dass Institute ihre Verantwortung für nachvollziehbare Entscheidungen aus der Hand geben. IT-Dienstleister müssen Standards ebenso einhalten.

Ein weiteres zentrales Thema der Keynote waren die zunehmenden Cyberrisiken. Walch machte deutlich, dass Cyberattacken nicht nur eine technische Herausforderung seien, sondern eine potenzielle Bedrohung für die Stabilität des gesamten Finanzsystems darstellen. Die Verwundbarkeit wachse mit jeder neuen Schnittstelle, mit jeder IT-Auslagerung und jeder zunehmenden Digitalisierung. Die Frage, ob Deutschlands Banken in diesem Bereich bereits genug tun, ließ er bewusst offen, formulierte aber einen klaren Appell: Cybersicherheit müsse zur Chefsache werden. Es reiche nicht aus, einzelne Sicherheitsmaßnahmen umzusetzen – erforderlich sei ein ganzheitliches, strategisches Verständnis von IT-Resilienz, das tief in die Organisation eingebettet sei.

Die Deutsche Bundesbank misst der Umsetzung der EU-Verordnung DORA (Digital Operational Resilience Act) große Bedeutung bei und betrachtet sie als zentralen Baustein zur Stärkung der digitalen Widerstandsfähigkeit des Finanzsektors. In ihrer Aufsichtspraxis legt sie besonderes Augenmerk auf die Vorbereitung der Institute auf die ab Januar 2025 verbindlichen Anforderungen, etwa zur Risikosteuerung in der Informations- und Kommunikationstechnologie, zum Umgang mit Cybervorfällen sowie zur Kontrolle von Drittanbietern. Die Bundesbank versteht DORA nicht nur als regulatorische Vorgabe, sondern als Chance, Sicherheitsstandards zu vereinheitlichen und die Resilienz des gesamten europäischen Finanzsystems zu erhöhen. In Schulungen, Aufsichtsgesprächen und technischen Leitlinien begleitet sie die Institute aktiv bei der Umsetzung und macht deutlich, dass digitale Robustheit künftig ebenso wichtig ist wie finanzielle Solidität.

Abschließend lenkte Walch den Blick auch auf die Aufsicht selbst. Die Digitalisierung biete auch hier enorme Chancen: effizientere Prozesse, präzisere Risikoanalysen, schnellere Reaktionszeiten. Doch auch die Aufsicht müsse mit der technologischen Entwicklung Schritt halten, sowohl technisch als auch personell. Eine moderne Aufsicht sei nicht nur Regulator, sondern auch Partner bei der sicheren Gestaltung von Innovation. Mit seiner strukturierten, sachlichen und gleichzeitig eindringlichen Analyse machte Karlheinz Walch deutlich: Die Herausforderungen der digitalen Transformation sind real, vielschichtig und nicht mit einfachen Antworten zu lösen – aber es gibt keinen Weg zurück. Morgen stirbt nicht, aber es verlangt heute nach entschlossenem Handeln.

Die Digitalisierungsinitiativen der Deutschen Bundesbank verfolgen das Ziel, die Institution selbst wie auch das Finanzsystem insgesamt zukunftsfähig und technologisch resilient zu gestalten. Dabei setzt die Bundesbank auf eine mehrdimensionale Strategie. Zum einen treibt sie die **Modernisierung ihrer eigenen IT-Infrastruktur** konsequent voran – etwa durch die Nutzung cloudbasierter Technologien, die Automatisierung interner Prozesse und den Einsatz von künstlicher Intelligenz für Datenanalysen und Prognosemodelle. Zum anderen fördert sie **innovative Technologien im Finanzsektor**, etwa durch die aktive Beteiligung an Projekten zu einem digitalen Euro oder durch die Erforschung von Blockchain-Anwendungen im Zahlungsverkehr und Wertpapiergeschäft.

Auch in ihrer **aufsichtlichen Rolle** setzt die Bundesbank auf Digitalisierung: Mittels SupTech-Instrumenten (Supervisory Technology) analysiert sie große Datenmengen effizienter und unterstützt datenbasierte Entscheidungen. Dabei arbeitet sie eng mit europäischen Institutionen zusammen, etwa im Rahmen von Initiativen der EZB oder der EBA. Nicht zuletzt fördert die Bundesbank **digitale Bildung und Fachkompetenz** innerhalb ihrer Organisation, etwa durch eigene KI-Trainings, agile Arbeitsmethoden und neue Formen der Wissensvermittlung. So will sie sicherstellen, dass sie nicht nur technologisch Schritt hält, sondern auch gestalterisch bei der digitalen Transformation des Finanzsystems mitwirkt.

Themen: Bankenrating | Kommentare deaktiviert für Tomorrow never dies – KI und Cyberrisiken aus Sicht der Bundesbank

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