China baut seine technologische Vorreiterrolle weiter aus

Von Dr. Oliver Everling | 25.Juni 2025

Laut des Anfang Juni veröffentlichten Berichts der Internationalen Energieagentur (IEA) zum weltweiten Investitionsaufkommen im Energiebereich floss 2024 eine Rekordsumme von 2.200 Mrd. USD in die Energiewende (erneuerbare Energien, Kernenergie, Netze, Speicherung, Biokraftstoffe). Das ist doppelt so viel wie in fossile Energieträger (Öl, Gas, Kohle), heißt es in einem aktuellen Marktkommentar von ODDO BHF Asset Management. Wurde das rasante Wachstum der Investitionen in die Energiewende in den letzten fünf Jahren zunächst durch die nach der Corona-Pandemie aufgelegten Konjunkturprogramme befeuert, entwickelten sich bald andere Faktoren wie Technologie, Reindustrialisierung und Energieversorgungssicherheit zu treibenden Kräften. „Die Elektrifizierung der Wirtschaft dürfte auch in den kommenden Jahren dynamisch voranschreiten und die Energienachfrage hochhalten“, erwartet Nicolas Jacob, Fondsmanager des Aktienthemenfonds ODDO BHF Green Planet. Grüne Technologien seien unverzichtbar und würden zu den großen Gewinnern zählen.

Der IEA zufolge sind etwa 70% des Anstiegs der Investitionen in die Energiewende auf die Länder mit den höchsten Nettoimporten an fossilen Brennstoffen zurückzuführen. An der Spitze steht China, das sich ehrgeizige Ziele gesetzt hat und entschlossen ist, bei grünen Technologien weltweit eine Führungsrolle zu übernehmen. Auch Europa hat seine Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz deutlich ausgebaut. Auslöser waren hier die russische Invasion der Ukraine und der Stopp der Gasimporte. Die USA tragen etwa 20% zum Investitionsplus bei. Für Schub sorgten hier zum einen Infrastrukturprogramme und der Inflation Reduction Act. Fondsmanager Jacob weist darauf hin, dass die Folgen der Kehrtwende der Trump-Regierung aktuell noch nicht spürbar seien. Ein weiteres Anliegen war, Chinas Vormachtstellung im Bereich der grünen Technologien etwas entgegenzusetzen.

„Noch vor zehn Jahren flossen 30% mehr Investitionen in fossile Brennstoffe als in Stromerzeugung, -netze und -speicherung. Mittlerweile haben sich die Verhältnisse umgekehrt: Im Jahr 2024 beliefen sich die Investitionen in den Stromsektor auf 1.500 Mrd. USD und lagen damit etwa 50 % über den Gesamtausgaben für die Vermarktung von Erdöl, Erdgas und Kohle,“ hebt der Experte von ODDO BHF AM hervor. Ein Großteil davon – 800 Mrd. USD – entfiel auf die zunehmende Elektrifizierung, sei es in der Industrie oder für Kühlsysteme, Elektromobilität, Rechenzentren und künstliche Intelligenz. Dies habe die Nachfrage nach Strom deutlich steigen lassen. Zugleich summierten sich die Investitionen in Stromnetze bzw. Speicher im Jahr 2024 auf jeweils 390 Mrd. USD bzw. 66 Mrd. USD. Nicht zuletzt erlebte auch die Kernenergie einen Aufschwung. Hier stiegen die Investitionen in den letzten fünf Jahren um mehr als 50% und lagen 2024 bei rund 70 Mrd. USD.

China investierte 2024 rund 630 Mrd. USD in die Energiewende und unterstrich damit seine Spitzenposition in diesem Bereich vor den USA und Europa, die jeweils ca. 500 Mrd. USD investierten. „China dominiert die Wertschöpfungsketten in den Bereichen Solarenergie, Energiespeicherung und Elektromobilität. Darüber hinaus verfügt das Land mit dem Batteriehersteller CATL* und dem Automobilhersteller BYD* über zwei Konzerne, die weltweit am meisten für Forschung und Entwicklung im Energiebereich ausgeben“, konstatiert Nicolas Jacob. „Der Rückzug der USA aus der Förderung grüner Technologien könnte Chinas Dominanz weiter stärken, auch wenn das erwartete starke Wachstum von Rechenzentren und künstlicher Intelligenz bis 2030 zu zusätzlichen Investitionen in saubere Energieerzeugungs-, Netz- und Speicherkapazitäten führen dürfte.

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Zwischen Resilienz und Risiko: ODDO BHF warnt vor zu viel Optimismus an den Märkten

Von Dr. Oliver Everling | 18.Juni 2025

Die Finanzmärkte haben nach dem Liberation Day eine bemerkenswerte Widerstandskraft gezeigt. Doch wie nachhaltig ist diese Entwicklung wirklich? Bei ODDO BHF warnt man davor, sich von der aktuellen Marktlage blenden zu lassen. „Die Gesamtlage spricht für einen zurückhaltenderen, ausgewogeneren Ansatz. Märkte kennen zwar nach oben keine Grenzen, doch fliegen können sie nicht“, schreibt Laurent Denize, Co-CIO von ODDO BHF, in seinem monatlichen Investment-Brief. Tatsächlich lasse sich die jüngste Marktresilienz insbesondere in Europa gut erklären – politische Entscheidungsträger weltweit setzen auf Fortschritte in den Handelsgesprächen, und selbst die Unsicherheit rund um Zollfragen wird mittlerweile als gegeben akzeptiert.

Doch während der „Handelskrieg“ in den Hintergrund rückt, tritt ein neues geopolitisch-finanzielles Thema in den Vordergrund: der „Kapitalkrieg“. Denize verweist dabei auf den „One Big Beautiful Bill Act“, der weitreichende Steuer- und Ausgabereformen vorsieht. Sollte dieses Gesetz verabschiedet werden, könnte das zwar positive Impulse für den Aktienmarkt geben. Doch es sind gerade die Details, die für Unsicherheit sorgen. Besonders kritisch sieht Denize Abschnitt 899 des Gesetzentwurfs, der steuerliche Strafmaßnahmen gegen Nicht-US-Personen vorsieht. „Beunruhigend ist zum Beispiel Abschnitt 899 des derzeit dem Senat vorliegenden Steuergesetzes. Dieser sieht steuerliche Vergeltungsmaßnahmen gegen Nicht-US-Personen, Unternehmen und Regierungen aus Ländern vor, die ‚unfaire ausländische Steuern‘ auf US-Personen erheben.“ Eine Erhöhung der Quellensteuer auf bis zu 20 Prozent soll auf Gewinne, Dividenden, Zinsen und Kapitalgewinne erhoben werden – eine Maßnahme, die vor allem ausländische Anleger und Institutionen treffen dürfte. Zudem ist eine Steuer auf Auslandsüberweisungen geplant. „Diese beiden Vorhaben lassen Zweifel daran aufkommen, wie es künftig um die volle Freiheit des Kapitalverkehrs in der US-Wirtschaft bestellt sein wird“, so Denize. Die Unsicherheit sei groß, und für ausländische Investoren werde eine Reinvestition in den US-Dollar zunehmend zur strategischen Abwägung. „Erstens herrscht Unsicherheit über die künftige Politik. Zweitens erweist sich Trumps Ankündigung, die Staatsausgaben zu senken, immer mehr als leeres Versprechen. Und drittens sind alle Maßnahmen Trumps von der Maxime geleitet, ‚Ausländer zahlen‘ zu lassen.“

Mit Blick auf die Märkte warnt Denize vor einer möglichen Abschwächung der US-Aktien. Sechs Gründe führt er dafür an: die Diskrepanz zwischen weichen und harten Konjunkturdaten, mögliche Inflationsanstiege ab Juli, steigende Anleiherenditen durch fiskalische Bedenken, ambitionierte Gewinnwachstumsprognosen, ein hohes Kurs-Gewinn-Verhältnis sowie ein Rekordhoch bei der Aktienquote der US-Haushalte. Zusätzlich werde der Status amerikanischer Vermögenswerte als sicherer Hafen zunehmend infrage gestellt. Diese Entwicklung könnte einen Trend hin zu europäischen und Schwellenländer-Märkten beschleunigen.

Vor diesem Hintergrund bleibt ODDO BHF bei seiner leicht übergewichteten Position in europäischen Aktien. Besonders positiv wertet man Deutschlands fiskalische Expansion – mit Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung sowie geplanten Unternehmenssteuersenkungen in Milliardenhöhe. „Wir sind recht zuversichtlich, dass die Handelsgespräche zu einem positiven Ergebnis führen werden“, erklärt Denize. Innerhalb Europas bevorzugt er Large- und Mid-Caps mit starker Deutschland-Ausrichtung. Auch wenn es im Verteidigungssektor zu kurzfristigen Gewinnmitnahmen kommen könnte, hält ODDO BHF strukturell an einer Long-Position in diesem Bereich fest. Taktisch richtet sich der Blick auf die Schwellenländer. Dort könnten nachlassende Handelsspannungen mit China, ein schwächerer US-Dollar und neue Konjunkturmaßnahmen für Auftrieb sorgen. „Die Region ist günstig bewertet und in Portfolios unterrepräsentiert. Innerhalb der Schwellenländer bleiben wir für chinesische Technologiewerte weiterhin optimistisch“, so Denize.

Bei Anleihen bevorzugt ODDO BHF derzeit eine neutrale Duration und hat sowohl in den USA als auch in Europa länger laufende Titel aufgenommen – gestützt durch den anhaltenden Disinflationstrend und schwächere Inflationszahlen. Bei Unternehmensanleihen bleibt das Bild gemischt: Zwar schätzt man die Kreditrisiken positiver ein, die niedrigen Spreads bieten jedoch nur begrenzten Schutz gegen mögliche Wachstumsdellen. Kurzlaufende Investment-Grade- und Hochzinsanleihen sieht man hingegen als attraktiv an – nicht zuletzt wegen ihres überschaubaren Verlustpotenzials. Denize betont die Präferenz für europäische gegenüber US-amerikanischen Papieren: „Wir bleiben bei unserer leicht negativen Sicht auf den US-Dollar, da langfristige Indikatoren wie die Kaufkraftparität und das Leistungsbilanzdefizit eine Aufwertung des Euros erwarten lassen. Zudem könnte eine Wachstumsverlangsamung in den USA den Dollar schwächen.“

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Perspektiven für Ratings japanischer Aktien und Anleihen

Von Dr. Oliver Everling | 17.Juni 2025

Japans wirtschaftlicher Aufschwung hat das Potenzial, langfristige Auswirkungen auf die Ratings von Aktien und Anleihen zu entfalten. Laut June-Yon Kim, Lead Portfolio Manager für japanische Aktien bei Lazard Asset Management, basiere die wirtschaftliche Renaissance auf drei strukturellen Kräften: „eine neue Inflationsrealität, steigende Löhne und die Rückkehr der Investitionsfreude“. Diese Veränderungen wirken sich direkt auf die finanzielle Stabilität von Unternehmen und Haushalten aus – und damit auch auf ihre Bonität.

Nach Jahrzehnten der Deflation etabliert sich in Japan eine moderate Inflation. Zwischen 1995 und 2021 seien die Preise kontinuierlich gefallen, doch inzwischen liege die Teuerung konstant zwischen 2 und 3 Prozent. Dies habe „das Verhalten von Investoren und Haushalten grundlegend verändert – und das anders, als die westliche Welt das vielleicht erwartet“, erklärt Kim. Das neue Preisumfeld schafft eine günstigere Grundlage für Unternehmenswachstum, was wiederum zu positiven Anpassungen bei Kreditratings führen kann – vor allem für Unternehmen mit preissetzender Macht oder hoher Inlandsnachfrage.

Auch auf Konsumentenseite verändert sich das Verhalten grundlegend. Während früher fallende Preise zum Aufschieben von Ausgaben führten, passt sich die Bevölkerung heute aktiver an: „Eine Umfrage unter rund 11.000 japanischen Verbrauchern zeigt, dass diese seit dem Beginn der Inflation eher bereit sind, sich an steigende Preise anzupassen“, so Kim. Dies deutet auf eine wachsende Konsumfreude hin – ein positiver Impuls für die Binnenwirtschaft und die Bonität konsumorientierter Unternehmen.

Ein entscheidender Faktor ist zudem die Entwicklung der Löhne. Kim verweist auf steigende Gehälter „über viele Sektoren hinweg – angetrieben durch strukturellen Fachkräftemangel, Tarifverhandlungen und politische Reformen“. Dadurch wachse das reale Einkommen vieler Haushalte, was sich „direkt positiv auf Konsum und Investitionen auswirkt“. Für Anleihen bedeutet dies ein verbessertes Umfeld: höhere Kaufkraft stärkt die Kreditwürdigkeit von Schuldnern, insbesondere im privaten Sektor.

Besonders hervorzuheben ist der kulturelle Wandel im Umgang mit Geld: „Wir sehen eine Renaissance der privaten Investitionskultur“, so Kim. Die ehemals ausgeprägte Sparneigung weicht einer neuen Offenheit gegenüber Aktien und Fonds. Diese Entwicklung, getragen durch technologische Fortschritte und politische Anreize, wirkt sich direkt auf die Bewertung japanischer Aktien aus – insbesondere auf Finanz- und Vermögensverwaltungsunternehmen. Ein größerer Kapitalzufluss an die Börse kann zu einer Neubewertung von Unternehmen führen, was die Aktienratings nach oben treiben könnte.

Schließlich hebt Kim hervor: „Japan ist wieder ein Land, in dem Menschen investieren – in die eigene Zukunft und in den Kapitalmarkt.“ Die strukturellen Verbesserungen seien „tiefgreifend, stabil und nachhaltig“. Für Investoren signalisiert dies ein geringeres Länderrisiko und mehr Transparenz, was sich sowohl auf Staatsanleihen als auch auf Unternehmensbonds positiv auswirken dürfte. In einem Umfeld globaler Unsicherheit könne Japan so „eine neue Rolle als verlässlicher Baustein in global diversifizierten Portfolios“ einnehmen. Das steigert nicht nur die Attraktivität japanischer Wertpapiere, sondern könnte auch mittelfristig deren Ratings verbessern.

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Arbeitgeberranking 2025: Studierende setzen auf Werte, Stabilität – und KI

Von Dr. Oliver Everling | 17.Juni 2025

Der Universum Student Survey 2025 zeigt deutlich, was Deutschlands Studierende heute von attraktiven Arbeitgebern erwarten – und welche Branchen und Unternehmen besonders punkten können. Dabei wird klar: wirtschaftliche Sicherheit, respektvoller Umgang und sinnstiftende Arbeit stehen bei jungen Talenten höher im Kurs als je zuvor. Gleichzeitig hat sich das Bild von Technik und Digitalisierung verändert – auch Künstliche Intelligenz wird zunehmend positiv bewertet.

Besonders die Automobilbranche verliert in der Gunst der Studierenden an Boden – allen voran Unternehmen, die in jüngerer Vergangenheit Entlassungen verkündet oder durchgeführt haben. Tesla rutscht bei den Wirtschaftsstudierenden um 22 Plätze ab, bei den Ingenieur*innen um 17. Volkswagen verliert 14 Plätze bei Wirtschaftsstudierenden und 6 im Ingenieurwesen – und gehört damit nicht mehr zu den Top 10 Arbeitgebern dieser Disziplin. Auch MAN Truck & Bus (-30), Ford Motor Company (-34), Continental (-12) und ZF Friedrichshafen (-32) büßen massiv ein. „Damit zeigt sich erstmals bei den Studierenden ein direkter Zusammenhang zwischen der aktuellen wirtschaftlichen Lage und der Wahrnehmung von Unternehmen als attraktive Arbeitgeber“, so David Falzon, Deutschlandchef von Universum. Bisher war dieser Effekt vor allem bei Young Professionals sichtbar. Eine Ausnahme bildet Porsche: Das Unternehmen verteidigt seine Spitzenposition sowohl bei den Wirtschaftsstudierenden als auch im Ingenieurwesen. „Mit seinem Lifestyle-Image vermittelt Porsche ein Gefühl von Exklusivität“, erklärt Falzon. Gleichzeitig setze das Unternehmen konsequent auf Innovation, Digitalisierung und Nachhaltigkeit – und bleibe dabei seiner traditionsreichen Markenidentität treu.

Während klassische Industrieunternehmen verlieren, steigen Arbeitgeber in sicherheitsrelevanten Branchen wie Verteidigung, Luft- und Raumfahrt deutlich im Ansehen. Rheinmetall klettert im Ingenieurwesen um 7 Plätze auf Rang 8, bei IT-Studierenden sogar um 19 Plätze. Der Ukrainekrieg und das gestiegene öffentliche Interesse an nationaler Sicherheit verleihen diesen Bereichen neue gesellschaftliche Relevanz. Unternehmen mit Bezug zu Sicherheit werden von technisch interessierten Studierenden zunehmend als zukunftsorientiert wahrgenommen – nicht zuletzt durch den Einsatz moderner Technologien wie KI, Robotik und Sensorik.

Große Gewinner des Rankings sind Banken und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Die Finanzbranche kann um 1,9 Prozent zulegen – mehr als jede andere. Offenbar zeigt ein moderneres Image Wirkung: Digitalisierung, Kooperationen mit Start-ups und nachhaltige Finanzprodukte verbessern das Arbeitgeberprofil deutlich. Zudem bieten Banken Stabilität, klare Karrierewege und vergleichsweise hohe Einstiegsgehälter – alles Aspekte, die in Zeiten geopolitischer Unsicherheit wieder attraktiver wirken. Auch Accounting und Wirtschaftsprüfung legen um 1,5 Prozent zu. Besonders die Big Four – Deloitte, EY, KPMG und PwC – profitieren von ihren intensiven Hochschulaktivitäten und einem klaren Karriereversprechen für Absolvent*innen.

An der Spitze der Rankings bleibt es dennoch größtenteils stabil. Porsche belegt sowohl bei Wirtschaftswissenschaften als auch im Ingenieurwesen Platz 1. Bei IT-Studierenden führt Google vor Apple und Microsoft, während in den Naturwissenschaften die Max-Planck-Gesellschaft vor BioNTech und der Fraunhofer-Gesellschaft liegt. Die größten Sprünge nach oben verzeichnen Siemens und SAP: Siemens steigt bei angehenden Ingenieur*innen auf Rang 2, SAP zieht bei IT-Studierenden in die Top 5 ein.

Inhaltlich zeigt sich eine klare Entwicklung bei den Auswahlkriterien: Respekt gegenüber Mitarbeitenden (59 Prozent) und deren Wohlbefinden (51 Prozent) sind für Studierende heute wichtiger als Gehalt oder Prestige. Diese sogenannten „weichen Faktoren“ verdrängen erstmals klassische Karriereparameter von den Spitzenplätzen. Der Wunsch nach emotionaler Sicherheit, insbesondere in einem unsicheren wirtschaftlichen Umfeld, scheint dabei eine zentrale Rolle zu spielen.

Trotz aller Unsicherheiten stehen Studierende der Digitalisierung offen gegenüber – insbesondere der Künstlichen Intelligenz. Laut der Erhebung sind 86 Prozent der befragten Frauen und 91 Prozent der Männer neugierig, optimistisch oder grundsätzlich positiv gegenüber KI im Job eingestellt. Allerdings zeigen sich in der Detailbetrachtung Unterschiede: Die jüngste Altersgruppe (16–19 Jahre) hat in den Wirtschaftswissenschaften und der IT die geringsten, die älteste (30–39 Jahre) die meisten Kenntnisse. Im Ingenieurwesen bleibt das KI-Wissen über alle Altersgruppen hinweg konstant – was auf Lücken in der Lehrplangestaltung hinweist. Im Gegensatz zu Wirtschaft und IT scheint der Studiengang Maschinenbau etwa noch nicht ausreichend auf den Umgang mit KI vorbereitet. Auch zwischen den Geschlechtern bestehen Unterschiede: Männliche Studierende sind insgesamt positiver eingestellt, während weibliche Studierende vor allem neugierig sind – was auf fehlende Erfahrung, aber auch auf Potenzial für gezielte Bildungsangebote hindeutet.

Insgesamt liefert der Universum Student Survey 2025 ein differenziertes Bild davon, wie junge Menschen in Deutschland ihre berufliche Zukunft einschätzen – und was sie sich von Unternehmen wünschen. Die rund 23.600 befragten Studierenden machen deutlich: Arbeitgeberattraktivität bemisst sich heute nicht mehr nur am Namen oder Gehalt, sondern vor allem an Haltung, Fürsorge und Fortschrittsfähigkeit.

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Emerging Markets Aktien als Profiteure der US-Schwäche

Von Dr. Oliver Everling | 10.Juni 2025

James Donald, Leiter der Emerging Markets-Plattform von Lazard Asset Management, sieht ein verstärktes Interesse der Investoren an Schwellenlandaktien. Grund dafür sei weniger eine Veränderung der Attraktivität der Emerging Markets (EM), als vielmehr eine erhöhte Skepsis gegenüber den entwickelten Märkten – insbesondere dem US-Markt.

„Relative Attraktivität ist das Phänomen, dass die Performance von Aktien aus Schwellenländern im Vergleich zu solchen aus den entwickelten Ländern in den letzten Jahren gedrückt hat. Investoren wollten US-Qualitätstitel – auch wenn diese sehr teuer bewertet waren und sind. Damit konnten Anleger gute Renditen erzielen, und das bei einem vergleichsweise geringeren Risikoprofil. Doch gerade mit Blick auf die Bewertungen sind die Emerging Markets im Vergleich eigentlich deutlich attraktiver: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis im MCSI USA liegt bei fast 20,5 gegenüber 12 im MSCI EM Index. Das ist ein sehr großer Unterschied. Die Gewinne pro Aktie liegen bei 15,6 US-Dollar für die Schwellenländer gegenüber 13 US-Dollar für die USA. Nur der Return on Equity ist in den USA mit 20 Prozent höher als in den EM mit 13 Prozent.

Jetzt wendet sich womöglich das Blatt, denn die geopolitischen Risiken der jüngsten Geschichte haben die vermeintliche Sicherheit der entwickelten Staaten jüngst infrage gestellt. Auf den globalen Finanzmärkten treten aufgrund von Importzöllen, Vergeltungsmaßnahmen und Unsicherheiten rund um bilaterale Verhandlungen verstärkt Volatilität und Turbulenzen auf.

Dagegen scheinen manche Schwellenländer sogar von der Zollpolitik des US-Präsidenten zu profitieren. Mexiko etwa wurde nicht nur von den US-Maßnahmen verschont, auch scheint Präsidentin Sheinbaum sich als wirtschaftsfreudiger als ihr Vorgänger zu erweisen. Viele Forderungen der USA zu Einwanderung, Sicherheit und der Bekämpfung diskriminierender Praktiken im Energiesektor sind tatsächlich positiv für Mexikos Nearshoring-Initiative. Damit lockt Mexiko nach einem sehr schlechten Aktienjahr 2024 wieder das Interesse von Investoren. Auch Brasilien halten wir auf dem lateinamerikanischen Kontinent für eine spannende Region mit großem Aufholpotenzial, nachdem auch hier das letzte Jahr mit Verlusten von fast 30 Prozent sehr unerfreulich war.

In Asien sieht die Situation anders aus, hier sind einige Länder von den höchsten US-Zöllen betroffen – insbesondere China, trotz der 90tägigen Pause. Gerade China hat jedoch einen klaren Vorteil: Das Land gehört zur globalen Spitze des technologischen Fortschritts. Die Einführung von DeepSeek und das rasante Tempo der Entwicklungen machen China zu einer Option, die Investoren zumindest beobachten sollten. Es gibt viele Argumente für ein Engagement Asia ex China, aber allein die schiere Größe des Marktes und die damit einhergehenden Diversifikationsmöglichkeiten sprechen für ein ausgewähltes Investment in chinesische Aktien.

Es sind jedoch weder die asiatischen noch die südamerikanischen Märkte, die Year-to-Date am besten performt haben, sondern Süd-Ost-Europa: Griechenland liegt bei plus 44,3 Prozent, Polen plus 42,9 Prozent, die Tschechische Republik plus 40,3 Prozent und Ungarn plus 34,6 Prozent – jeweils gemessen in US-Dollar am jeweiligen MSCI Länderindex. Woran liegt das? Europa erlebt gerade keinen Wachstumsschub – im Gegenteil, in Summe sieht es nach einer anhaltenden Rezession aus. Doch einige Länder am Rande der Europäischen Union erleben eine Blütezeit. Griechenland ist ein interessantes Beispiel: Lange Zeit war der Staat in einer wirtschaftlich desolaten Lage mit einer politischen Führung, die Anleger verschreckte. Heute wird das Land politisch zuverlässig geführt, die Menschen können wieder ihre Rechnungen und ihre Kreditraten bezahlen. Mit Blick auf die nächsten zehn Jahre glauben wir, dass die griechische Wirtschaft die besten Chancen in Europa hat.

In den Schwellenländern bieten sich Investoren aktuell große Chancen, unterbewertete Investments zu finden. Nirgendwo sonst sind Qualitätstitel mit hervorragenden Aussichten so günstig. Voraussetzung für ein erfolgreiches Portfolio bleiben die sorgfältige Betrachtung der geopolitischen und regionalen Risiken – so wie aktuell überall auf der Welt.“

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KI ist wie das Internet vor vielen Jahren?

Von Dr. Oliver Everling | 6.Juni 2025

„Anleger in Technologietitel müssen starke Nerven zeigen“, warnt Prof. Dr. Jan Viebig, Chief Investment Officer der ODDO BHF SE, in seinem aktuellen CIO View. Am Beispiel des amerikanischen Halbleiterproduzenten Nvidia zeigt er, wie eng Erfolg und Unsicherheit im Technologiesektor beieinanderliegen. „Der Konzern hatte mitgeteilt, dass er im ersten Quartal 2025 trotz des Gegenwinds der amerikanischen Handelspolitik den Umsatz um 69 Prozent auf 44,1 Milliarden Dollar und den Gewinn um 25 Prozent auf fast 18,8 Milliarden Dollar gesteigert hat.“ Die Börse habe diese Zahlen positiv aufgenommen, obwohl noch vor wenigen Monaten Befürchtungen kursierten, dass etwa der chinesische Chatbot-Entwickler DeepSeek das Geschäftsmodell von Nvidia gefährden könnte.

Für Viebig ist klar: „Das Beispiel von Nvidia zeigt, wie eng Erfolg und Misserfolg im Technologiesektor beieinander liegen, wie volatil die Aktienkurse im Technologiebereich verlaufen können.“ Daraus ergibt sich ein klarer Ratschlag für Anleger: „Investments in Einzeltitel bergen hohe Risiken und ein diversifizierter Ansatz mit einem breiten Portfolio ist einer Anlage in einzelne Aktien überlegen.“

Mit Blick auf die Künstliche Intelligenz erkennt Viebig weiterhin großes Potenzial. „Bisher konzentrierten sich die Anleger beim Thema KI vor allem auf Infrastruktur, Halbleiter und andere Hardware. Dies wird unserer Einschätzung nach auch künftig ein Schlüsselthema sein.“ Doch der Fokus verschiebe sich zunehmend: „Neben immer leistungsfähigeren und schnelleren Halbleitern werden auch Quantencomputer sowie die weitere Vernetzung von Computern und Robotern in Zukunft eine größere Rolle spielen – auch an den Finanzmärkten.“

Die Dynamik in der Branche sei enorm. „Nach dem Erfolg von OpenAI mit dem Chatbot ChatGPT sind neben den Glorreichen Sieben viele weitere Technologieunternehmen in diesen Bereich eingestiegen“, so Viebig. Dazu zählen laut ihm unter anderem Mistral AI aus Frankreich, Anthropic oder Cohere. Der Hype sei nicht unbegründet, aber selektives Investieren sei entscheidend. „KI ist heute wie das Internet vor vielen Jahren“, zitiert Viebig die Strategieberatung McKinsey. Doch zugleich warnt er: „Das Risiko liegt für Unternehmensführer nicht darin, dass sie zu groß denken, sondern zu klein.“ Die Geschichte habe mehrfach gezeigt, wie leicht Unternehmen wie Nokia, Blackberry oder Siemens den Anschluss verlieren können. „Die Gefahr, strategische Fehler zu machen, ist bei KI nicht weniger groß als zu Beginn des Computerzeitalters.“

Auch die technologische Entwicklung schreitet rasant voran. „Stehen derzeit Chatbots im Mittelpunkt, so werden in Zukunft vermutlich KI-Agents wichtiger, die schrittweise den Weg zu einer Allgemeinen Künstlichen Intelligenz (AGI) ebnen.“ Diese KI-Agenten gehen laut Viebig einen Schritt weiter als heutige Systeme: „KI-Agenten werden Handlungen in mehreren Schritten planen und Entscheidungen für uns übernehmen.“

Neue Geschäftsmodelle stünden damit in den Startlöchern. „Selbstfahrende Autos, Smart Homes und autonom fliegende Drohnen zur Paketauslieferung werden immer wieder als mögliche KI-Anwendungen diskutiert. Das ist zum Teil Zukunftsmusik.“ Konkreter werde es aber in anderen Bereichen: „Der Einsatz von KI in der Rüstungsindustrie, bei Robotern in der Industrie und in der innovativen Medizin, beispielsweise mit Robotern, die bei Operationen unterstützen.“ Auch die Patientenüberwachung werde durch KI revolutioniert. „Werden festgesetzte Grenzwerte bei Blutdruck, Sauerstoffsättigung des Blutes oder Herzfrequenz überschritten oder unterschritten, schlagen die Systeme automatisch Alarm. Dadurch kann wertvolle Zeit gewonnen werden.“

Der Einfluss von KI auf die Weltwirtschaft sei laut Viebig kaum zu überschätzen. „Laut McKinsey hat KI das Potenzial, einen ebenso großen Wandel herbeizuführen wie die Dampfmaschine die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert.“ Der Markt sei riesig: „Die Strategieberatung schätzt das langfristige Marktpotenzial von KI auf USD 4,4 Billionen.“ Die Bedeutung von Hightech- und Halbleiterunternehmen sei mittlerweile so groß, „dass kein Anleger diese Sektoren ignorieren sollte.“

Allerdings gibt es auch Schattenseiten. Die energietechnischen Auswirkungen seien erheblich. „Nach einigen Schätzungen wird mit KI-Anwendungen dieses Jahr erstmals mehr Energie verbraucht als in Japan.“ Zudem nehme die geoökonomische Unsicherheit zu. „Auch amerikanische Tech-Konzerne entgehen nicht Trumps Handelspolitik.“ Nvidia etwa habe durch Exportbeschränkungen beim H20-Prozessor im ersten Quartal 2025 eine Umsatzeinbuße von USD 4,5 Milliarden erlitten. Auch Meta und Apple könnten durch den verschärften Handelskonflikt mit China erhebliche Einbußen hinnehmen müssen. „Diese Einschätzungen unterliegen angesichts von Trumps erratischen Kehrtwenden einer großen Unsicherheit, doch sie zeigen, wie viel für die amerikanische Tech-Branche auf dem Spiel steht.“

Trotzdem bleibt Viebig optimistisch: „Anleger sollten diese handelspolitischen Aspekte nicht ignorieren. Gleichwohl könnten die politischen Verwerfungen, die derzeit auch an den Aktienmärkten Nervosität auslösen, für langfristig orientierte Anleger mit entsprechender Risikobereitschaft Einstiegsmöglichkeiten zu niedrigeren Bewertungen bringen.“ Seine zentrale Einschätzung: „Wir halten Künstliche Intelligenz weiterhin für eines der spannendsten Anlagethemen an den globalen Aktienmärkten.“ Und abschließend betont Viebig: „Für Anleger bedeutet dies, dass KI sich nicht mehr auf Halbleiter und den Tech-Bereich im engeren Sinne beschränkt, sondern auch immer mehr andere Branchen weit darüber hinaus betrifft. Auch dieser Aspekt zeigt, wie wichtig ein langfristiger und planmäßiger Aufbau eines Aktienportfolios ist, das diese Trends spiegelt und gleichzeitig das Risiko von Einzelinvestments durch Diversifikation mindern könnte.“

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Die Erosion des Dollar-Vertrauens: Europas Chance auf wirtschaftliche Führungsstärke

Von Dr. Oliver Everling | 3.Juni 2025

Die Vereinigten Staaten schwanken laut Axel Angermann seit dem 19. Jahrhundert zwischen zwei außenpolitischen Polen: dem Führungsanspruch auf globaler Ebene und einem ausgeprägten Isolationismus. Axel D. Angermann analysiert als Chef-Volkswirt der FERI Gruppe die konjunkturellen, geldpolitischen und strukturellen Entwicklungen aller für die Asset Allocation wesentlichen Märkte.

Mit der Politik Donald Trumps sieht Angermann einen deutlichen Ausschlag des Pendels in Richtung Isolationismus. Diese Entwicklung hält er in einer eng vernetzten Weltwirtschaft für gefährlich – nicht nur für die internationale Ordnung, sondern auch für die USA selbst. „Die preistreibenden Wirkungen der Zollpolitik schaden der amerikanischen Wirtschaft“, warnt Angermann. Dazu komme, dass „die rigide Migrationspolitik und die Angriffe auf die Universitäten wesentliche Grundpfeiler der Wettbewerbsfähigkeit“ untergraben würden. Auch innenpolitisch werde die Verlässlichkeit der USA beschädigt: „Die Infragestellung der Unabhängigkeit der Zentralbank lässt Zweifel an der Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der Politik aufkommen“, schreibt er, und konstatiert weiter: „Der Verzicht auf die Pflege von Bündnissen schmälert das politische Gewicht der USA in der Welt.“

Konkrete Anzeichen dieser Entwicklung lassen sich Angermann zufolge bereits an den Anleihemärkten erkennen. Jahrzehntelang hätten globale Investoren das hohe Leistungsbilanzdefizit der Vereinigten Staaten bereitwillig finanziert – doch nun zeigten sich Risse im Vertrauen. „Globale Anleger stellen sich zunehmend die Frage nach der Sicherheit von US-Staatsanleihen“, stellt Angermann fest. Noch sei dieser Zweifel durch „moderat steigende Zinsen“ beherrschbar, doch die wachsenden Schulden der US-Regierung verschärften die Lage, denn „die Tragfähigkeit der US-Staatsfinanzen ist nicht mehr gegeben.“

In dieser Unsicherheit sieht Angermann jedoch auch eine große Chance – und zwar für Europa. Das bisherige Vertrauen in US-Staatsanleihen sei nur durch das „TINA“-Argument („there is no alternative“) gestützt. Genau an dieser Stelle könne die Europäische Währungsunion eine Alternative anbieten. Der Euro sei bereits die zweitwichtigste Reservewährung der Welt und Europa biete entscheidende Vorteile: „eine unabhängige Zentralbank, einen verlässlichen Rechtsrahmen für Unternehmen, eine offene Wirtschaft, demokratische Entscheidungsstrukturen und alles in allem politische Stabilität.“ Angermann betont, dass Europa in den kommenden Jahren ohnehin gewaltige Investitionen benötige – für Infrastruktur, Forschung, Digitalisierung, Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz. All das könne Kapital anziehen und die Rolle des Euro im globalen Währungssystem stärken.

Doch dazu bedarf es struktureller Reformen. Am wichtigsten sei die Vollendung der Kapitalmarktunion. „Ein einheitlicher Kapitalmarkt, der für globale Kapitalströme attraktiv und groß genug ist“, fehle in Europa bislang – im Gegensatz zu den USA. Angermann unterstreicht: „Die europäische Kapitalmarktunion zu vollenden, sollte deshalb für europäische Regierungen und die EU-Kommission eine überragende strategische Bedeutung haben.“ Auch für die Realwirtschaft sei das entscheidend, etwa durch bessere Finanzierungsmöglichkeiten für Start-ups. Er verweist dabei auf den Draghi-Report, der dies bereits deutlich gemacht habe. Nationale Einzelinteressen, wie sie etwa aus Deutschland kommen, sollten zugunsten des europäischen Gesamtprojekts in den Hintergrund treten. Denn, so Angermann abschließend: „Der Währungsunion bietet sich hier eine Jahrhundertchance, die nicht verspielt werden sollte.“ Zwar sei es derzeit nicht realistisch, den Dollar als Leitwährung abzulösen, doch: „Wenn das Vertrauen globaler Anleger in den Dollar weiter erodieren sollte, dann könnte und sollte Europa globalen Investoren eine Alternative bieten können.“

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Irre Schnäppchenjagd an der Börse

Von Dr. Oliver Everling | 2.Juni 2025

Wenn Aktienmärkte schwanken, suchen Anleger Orientierung – und klammern sich nicht selten an die Bewertung als Anker. Dann flammt die Diskussion um faire KGV-Bewertungen erneut auf, doch sie greift oft zu kurz: Denn das Kurs-Gewinn-Verhältnis allein verrät wenig, wenn man den wahren Wert eines Unternehmens nicht kennt. Wolfgang Fickus, Produktspezialist bei der Fondsboutique Comgest, ordnet dies neu ein.

Ein niedriges Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) mag auf den ersten Blick attraktiv erscheinen – doch gerade dieser eindimensionale Fokus auf einfache Bewertungskennzahlen kann in die Irre führen. „Das KGV sagt sehr wenig über die Qualität eines Geschäftsmodells, die Verlässlichkeit künftiger Erträge oder das langfristige Gewinnwachstum aus. Es ist eine Momentaufnahme – der heutige Preis einer Aktie. Ob der aktuelle Preis gerechtfertigt ist, zeigt sich erst daran, wie kontinuierlich das Unternehmen langfristig Wert generiert“, erklärt Wolfgang Fickus, Produktspezialist für Europa-Aktien bei Comgest. Für wachstumsorientierte Anleger ist daher die Differenz zwischen dem aktuellen Preis und dem langfristig fundierten Unternehmenswert entscheidend.

Das KGV basiert auf den erwarteten Gewinnen der kommenden zwölf Monate – diese können kurzfristig, volatil und anfällig für Revisionen sein. Es blendet weitestgehend aus, dass der langfristige Wert eines Unternehmens im Wachstum und den abgezinsten Cashflows liegt. In wirtschaftlich unsicheren Zeiten können diese Schwächen besonders zutage treten: Viele Unternehmen mit vermeintlich stabiler Bewertung haben operativ an Dynamik eingebüßt. „Wir sehen bei sogenannten Value-Fallen zum Beispiel, dass ein niedriges KGV nicht vor Kursverlusten schützt“, so Fickus. Wert entsteht ihm zufolge nicht dadurch, dass eine Aktie billig aussieht, sondern wenn das Geschäftsmodell nachhaltig trägt – heute, morgen und darüber hinaus.

Comgest schätzt das Kurspotenzial daher nicht nur anhand kurzfristiger Bewertungskennzahlen ab, sondern relativ zu den langfristigen Gewinnschätzungen – mit bewusst konservativen Abzinsungsraten. „So stellen wir sicher, dass Unsicherheiten angemessen berücksichtigt werden“, erklärt Fickus. Bei wachstumsstarken Unternehmen entfällt der Großteil des heutigen Werts auf Erträge, die erst in fünf Jahren realisiert werden – wer hier nur aufs nächste Jahr schaut, sieht das Entscheidende nicht.

Während europäische Aktien im Durchschnitt (MSCI Europe) aktuell mit etwa dem 13-Fachen der erwarteten Gewinne des kommenden Jahres bewertet sind, liegt dieser Wert im Comgest Growth Europe Compounders-Portfolio bei rund 25. Für Fickus ist das kein Widerspruch: „Ein Bewertungsaufschlag ist weniger ein Risiko als Ausdruck von Qualität und Wachstum. Denn wir investieren in Unternehmen mit vorhersehbarem und langfristigem Gewinnwachstum, soliden Margen, hohen Kapitalrenditen und starken Marktstellungen.“

Wie dieser Ansatz in der Praxis aussieht, zeigen Unternehmen wie Schneider Electric und Belimo. Der französische Technologiekonzern Schneider Electric profitiert von Megatrends wie Dekarbonisierung, Elektrifizierung und Digitalisierung in der Industrie und Infrastruktur. 2023 erzielte das Unternehmen über 36 Milliarden Euro Umsatz – bei einer operativen Marge von rund 17 %. Mit Lösungen für Energieeffizienz und digitale Infrastruktur ist Schneider in Zukunftsmärkten hervorragend positioniert. Auch Belimo, weltweit führend in der Antriebs- und Ventiltechnik für HLK-Systeme (Heizung, Lüftung, Klimatisierung), ist ein typisches Beispiel für unternehmerische Substanz. Das Schweizer Unternehmen wächst seit Jahren mit hoher Konstanz – zuletzt weit über dem langfristigen Durchschnitt von 8% organischem Umsatzwachstum – und überzeugt mit einer Eigenkapitalquote von über 70 %. Die Produkte sind in der Infrastruktur von Datenzentren essenziell. Belimo steht exemplarisch für jene Unternehmen, die still und effizient Werte schaffen – auch wenn sie an der Börse oft nicht im Scheinwerferlicht stehen.

Ein gewisser KGV-Bewertungsaufschlag gegenüber dem Markt ist für Comgest kein Risiko, sondern das Resultat eines konsequenten qualitäts- und wachstumsorientierten Ansatzes. Unternehmen wird die Zeit gegeben, ihr Potenzial zu entfalten – auch wenn das nicht immer kurzfristig belohnt wird. Der Fokus liegt auf Unternehmen, die über Jahre bzw. Jahrzehnte hinweg verlässlich Erträge steigern und das hat seinen Preis
„Unsere Erfahrung zeigt: In einem zunehmend stimmungsgetriebenen und volatilen Marktumfeld sind es die robusten, langfristig erfolgreichen Geschäftsmodelle, die sich letztendlich durchsetzen. Wer auf Qualität setzt, braucht keine hektischen Umschichtungen – sondern einen klaren Kompass“, fasst Fickus zusammen.

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Japans geldpolitische Kapriolen für die globalen Kapitalmärkte

Von Dr. Oliver Everling | 27.Mai 2025

Selten zuvor waren die Stimmungsumschwünge der Marktteilnehmer abrupter und die Schwankungen an den globalen Börsen größer als in den vergangenen zwei Monaten. Am Tiefpunkt des Abverkaufs im Zuge des von Donald Trump so genannten „Liberation Day“, als der US-Präsident umfassende Zölle verkündete, zeigte sich die Nervosität der Anleger deutlich: „Der Fear and Greed Index, der die Stimmung der Anleger misst, signalisierte massive Panik“, erklärt Dr. Eduard Baitinger, seit 2015 Leiter Asset Allocation der FERI AG.

Das Sentiment war so schlecht wie seit Jahren nicht mehr. Doch nur kurze Zeit später wendete sich das Blatt. Eine schnelle und kräftige Erholung der Märkte ließ die Aktienindizes sogar überkauft erscheinen, der Fear and Greed Index schlug in den Bereich der Gier aus. Entscheidenden Einfluss hatte dabei die Einsicht, „dass selbst Trump eine – ökonomische – Schmerzgrenze hat und keinen vollständigen wirtschaftlichen Kollaps der USA in Kauf nehmen will“, so Baitinger weiter. In der Folge leitete Trump Maßnahmen zur handelspolitischen Deeskalation ein, die prompt einen drastischen Stimmungsumschwung an den Kapitalmärkten auslösten. Die derzeitige Konsolidierungsphase sei daher nicht überraschend, denn die Märkte müssten die „raschen Kursanstiege ‚verdauen‘“, sagt Baitinger.

Trotz dieser Entspannung sollten Investoren die bestehenden Risiken nicht unterschätzen. Die jüngste Marktberuhigung könnte Trump verleiten, erneut „handelspolitische Drohungen auszusprechen, um die Verhandlungen in seinem Sinne zu beeinflussen“, warnt Baitinger. Zudem hätten die Börsenturbulenzen im April nicht nur kurzfristige Spuren hinterlassen: „US-amerikanische Verbraucher und Unternehmen wurden nachhaltig verunsichert.“ Eine solche Unsicherheit gilt als gefährlich für die Wirtschaft, da sie sowohl Investitionen hemmt als auch Konsumenten von größeren Anschaffungen abhält. Erste Auswirkungen seien bereits in Frühindikatoren sichtbar, und „die Erfahrung zeigt, dass sich eine solche Nachfrageschwäche zeitverzögert meist auch in den ‚harten‘ Konjunkturdaten widerspiegelt.“ Hinzu kommt, dass trotz politischer Entspannung der effektive US-Zollsatz deutlich gestiegen ist – mit inflatorischen Folgen. Analysten gehen davon aus, „dass Einzelhändler ab Mitte Juni damit beginnen werden, die gestiegenen Zollsätze in Form höherer Preise an die Verbraucher weiterzugeben.“ Baitinger zufolge droht der US-Wirtschaft damit ein Sommer mit klaren „stagflationären Tendenzen“.

Auch aus Japan kommen beunruhigende Signale. Eine eigentlich routinemäßige Auktion von 20-jährigen japanischen Staatsanleihen führte „für Aufsehen an den Finanzmärkten“ und ließ die Renditen langlaufender Anleihen weltweit ansteigen. Der Grund: „Die Nachfrage fiel überraschend schwach aus – es war die geringste Beteiligung seit über einem Jahrzehnt.“ Die Bank of Japan steht damit vor einem geldpolitischen Dilemma. Einerseits will Japan die Deflation hinter sich lassen und die Geldpolitik normalisieren. Andererseits würden steigende Zinsen angesichts der hohen Staatsverschuldung „die Zinsausgaben perspektivisch auf ein unhaltbares Niveau steigen lassen“ und damit weitere Turbulenzen an den Märkten riskieren. Die aktuellen Entwicklungen zeigen laut Baitinger: „Der geldpolitische Kurs der Bank of Japan entfaltet zunehmend unerwünschte Nebenwirkungen für die globalen Finanzmärkte.“ Professionelle Anleger sollten daher auch diesen Aspekt aufmerksam im Blick behalten.

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Zinswende mit Folgen: Wie die Anleihemärkte unter Druck geraten sind

Von Dr. Oliver Everling | 27.Mai 2025

Die Anleihemärkte stehen unter Druck wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Nach einem über 30 Jahre andauernden Zinsrückgang hat der Inflationsschock ab 2021 zu einem dramatischen Kurswechsel geführt. „Der Epochenwechsel führte hohe Verluste bei langlaufenden Anleihen mit sich“, schreibt Christoph Bruns. Die daraus resultierenden Kursverluste haben viele Anleger kalt erwischt. Besonders deutlich wird das Ausmaß der Zinswende beim Blick auf den REXP Index, der die Renditeentwicklung deutscher Staatsanleihen mit etwa fünfjähriger Restlaufzeit abbildet. Bruns stellt fest: „Am Ende des Jahres 2020 stand der REXP bei 499 Punkten und ist seither um 8,4 % auf 457 zurückgefallen.“

Doch nicht nur die nominalen Verluste sorgen für Unruhe, sondern auch die realen Einbußen. Die allgemeine Lebenshaltung in Deutschland hat sich im gleichen Zeitraum um 21,5 % verteuert. Bruns zieht ein klares Fazit: „Dann kommt ein enormer Vermögens- und Wohlstandsverlust zum Vorschein.“ Dies geschieht in einer wirtschaftlich ohnehin angespannten Lage. „Die Wirtschaft in Deutschland \[wächst] seit Jahren nicht und die Investitionen \[sind] sogar bereits seit 2019 rückläufig“, bemerkt Bruns. Hinzu kommen „anhaltend hohe Geldentwertungsraten“ und „ein starkes Wachstum des Staates“, die die wirtschaftliche Stimmung zusätzlich belasten.

Auch über Deutschlands Grenzen hinaus sind die Auswirkungen der Zinswende spürbar. In den USA etwa reagieren Anleger zunehmend nervös auf die Staatsverschuldung. Der Schritt der Ratingagentur Moody’s, die Bonität der USA herabzusetzen, überrascht Bruns: „Denn mit wie vielen A‘s müsste dann ein Land ausgezeichnet werden, welches überhaupt keine Schulden hat?“ Aus seiner Sicht ist auch die Bonitätsbewertung selbst von einer „gehörigen Inflation“ betroffen.

Ein besonders aufsehenerregendes Ereignis war der jüngste Renditesprung bei dreißigjährigen US-Staatsanleihen auf über fünf Prozent. Für den US-Staat und dessen Steuerzahler bedeutet das massive finanzielle Belastungen. „Bei derzeit ausstehenden amerikanischen Staatsschulden in Höhe von knapp 37 Billionen \$ sorgt ein Zinsanstieg um einen Prozentpunkt für zusätzliche jährliche Zinsaufwendungen in Höhe von 370 Milliarden \$“, rechnet Bruns vor. Mittlerweile seien die Zinszahlungen im US-Haushalt höher als die Ausgaben für Medicare oder Verteidigung. Ob die USA diese Last durch Wirtschaftswachstum stemmen können, bezweifelt er: „Es steht zu bezweifeln, ob die USA durch Wirtschaftswachstum aus der Schuldenfalle herausfinden können, wie es die US-Präsidenten jedweder Couleur stets beschwören.“

Schließlich verweist Bruns auf ein weiteres Problem: Die Finanzierung der US-Schulden durch ausländische Investoren. Der „zuletzt schwächelnde US-Dollar“ sei dabei ein Warnsignal. Um Investoren trotz steigender Risiken zur Finanzierung der US-Verschuldung zu bewegen, werde es künftig „tendenziell höherer Zinsen bedürfen“.

Dr. Christoph Bruns zeichnet ein klares Bild der aktuellen Lage an den Anleihemärkten – und es ist kein beruhigendes.

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