Angela Merkels Traum von umfassender Kontrolle

Von Dr. Oliver Everling | 29.November 2024

In „Angela Merkel – Freiheit“ offenbart die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Perspektiven auf die Banken und Finanzmärkte, insbesondere im Kontext der Weltfinanzkrise und der darauffolgenden Eurokrise. Ihre Darstellung zeichnet das Bild einer politischen Führungsfigur, die gezwungen war, pragmatische Lösungen in einem von Unsicherheiten und globalem Druck geprägten Umfeld zu finden, während sie gleichzeitig mit den Grenzen staatlicher Einflussnahme konfrontiert wurde.

Merkel beschreibt die Finanzkrise als eine der tiefgreifendsten Herausforderungen ihrer Amtszeit, in der die Stabilität des gesamten globalen Finanzsystems auf dem Spiel stand. Banken und Finanzinstitute, die zuvor als Symbole wirtschaftlicher Stärke galten, wurden zu Risikofaktoren, die aufgrund ihrer systemischen Bedeutung staatliche Rettungsmaßnahmen erforderten. Ihre Schilderungen lassen erkennen, dass sie die Banken weniger als unabhängige Wirtschaftsak­teure, sondern vielmehr als integrale Bestandteile ihres komplexen Machtsystems wahrnahm, dessen Kollaps massive gesellschaftliche Folgen nach sich ziehen würde.

Die politischen Entscheidungen, die während dieser Krise getroffen wurden, basierten auf der Prämisse, dass ein Zusammenbruch der Finanzmärkte weit über den Bankensektor hinausreichende Konsequenzen für die Realwirtschaft und das soziale Gefüge hätte. Merkel beschreibt die Rettungsmaßnahmen als „alternativlos“, ein Begriff, der in der öffentlichen Debatte oft kritisch aufgenommen wurde, jedoch stets die Dringlichkeit und Unvermeidbarkeit dieser Maßnahmen aus ihrer Sicht unterstreichen sollte. Die Banken wurden nicht nur als Institutionen, sondern als Vehikel zur Sicherung des gesellschaftlichen Wohlstands und der wirtschaftlichen Stabilität betrachtet.

Kritisch reflektiert Merkel auch die Rolle der Finanzmärkte und den Einfluss externer Akteure auf staatliche Entscheidungsprozesse. Der Druck, den die Märkte auf die Politik ausübten, wird in ihren Erinnerungen als allgegenwärtig beschrieben. Dies führte zu einem Spannungsfeld zwischen politischer Souveränität und wirtschaftlicher Abhängigkeit. Merkel sieht die Finanzmärkte als mächtige, aber oft unberechenbare Akteure, deren Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung kaum zu leugnen ist. Ihre Erinnerungen lassen eine gewisse Ernüchterung erkennen, wenn es um die Grenzen staatlicher Kontrolle über globale Finanzströme geht, aber auch die Überheblichkeit des Anspruchs umfassender staatlicher Kontrolle.

Die Eurokrise brachte zusätzliche Herausforderungen mit sich, insbesondere durch die Notwendigkeit, gemeinsame europäische Lösungen zu finden. Merkel betont die Wichtigkeit einer engen Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union, um die Stabilität des Euro zu sichern. Dabei wurde deutlich, dass wirtschaftliche Ungleichgewichte innerhalb der Eurozone und das Verhalten der Finanzmärkte in engem Zusammenhang standen. Ihre Darstellung zeigt, dass sie die Finanzmärkte nicht nur als Ursache der Krise, sondern auch als Indikator für das Vertrauen in politische Institutionen wahrnahm.

Zusammengefasst zeichnet „Freiheit“ das Bild einer Kanzlerin, die in den Banken und Finanzmärkten sowohl eine Bedrohung als auch eine unverzichtbare Komponente des modernen Wirtschaftssystems sah. Merkels Sichtweise ist geprägt von ihrer (zu) späten Erkenntnis, dass politische Steuerungsfähigkeit in einer globalisierten Weltwirtschaft immer wieder an ihre Grenzen stößt. Diese Reflexionen sind ein zentrales Element ihrer Erinnerungen und bieten einen tiefen Einblick in ihre politischen Entscheidungen während einer der turbulentesten Phasen ihrer Amtszeit.

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Angela Merkels Freiheit ist nicht freidemokratisch

Von Dr. Oliver Everling | 29.November 2024

In „Angela Merkel – Freiheit“ wird die FDP in verschiedenen politischen Kontexten erwähnt, wobei die Darstellung oft – erwartungsgemäß – kritisch ausfällt. Insbesondere während der Weltfinanzkrise wird die FDP als Partei beschrieben, die trotz erheblicher wirtschaftlicher Unsicherheiten und instabiler Haushaltslagen auf weitreichenden Steuersenkungen bestand. Diese Position wird von der ehemaligen Bundeskanzlerin als Ausdruck einer starren ideologischen Haltung gewertet, die kaum Rücksicht auf die realen ökonomischen Bedingungen nahm. Die Hartnäckigkeit, mit der die FDP ihre Forderungen verfolgte, erweckt bei ihr den Eindruck, dass die Partei ihre eigene politische Agenda über das Wohl des Landes stellte – eine verhängnisvoll irreführende Sichtweise, die im Buch deutlich mitschwingt.

In der Koalitionsbildung nach der Bundestagswahl 2009 wird die FDP als selbstbewusster und teilweise kompromissloser Partner beschrieben. Ihr Auftreten, gestärkt durch ein gutes Wahlergebnis, führte zu einer Dynamik, in der die Partei versuchte, ihre Oppositionspolitik direkt in Regierungsverantwortung umzusetzen. Besonders der Streit um die Steuersenkungen wird hier als Beispiel genannt, wie die FDP ihre Stärke aus der Wahl in politische Macht ummünzte, jedoch die Grenzen der praktischen Regierungsarbeit unterschätzte. Diese Konflikte werfen für Angela Merkel die Frage auf, ob die FDP bereit war, die Realitäten der Regierungsverantwortung in vollem Umfang anzuerkennen, oder ob sie in ihrer „ideologischen Blase“ verharrte.

Die Darstellung der FDP in Fragen gesellschaftlicher Ethik, insbesondere beim Thema Schwangerschaftsabbruch, zeigt weitere Spannungen. Die FDP vertritt hier eine liberale Position, die mit den konservativen Ansichten der CDU/CSU schwer vereinbar ist. Im Buch wird auf die Weigerung der FDP eingegangen, bei der Reform dieses sensiblen Themas einen gemeinsamen Gesetzentwurf mit der Union vorzulegen. Dies wird als Ausdruck der tiefen ideologischen Differenzen innerhalb der Koalition gewertet und lässt die FDP als Partei erscheinen, die zwar für individuelle Freiheitsrechte eintritt, aber wenig Bereitschaft zeigt, bei kontroversen Themen Kompromisse zugunsten der Konservativen zu finden.

Auch auf symbolischer Ebene wird die FDP in „Freiheit“ mehrfach – gegenüber anderen Parteien – hervorgehoben. Die Freien Demokraten stehen in der politischen Landschaft für den Wunsch nach einem Politikwechsel und einer Reformbereitschaft, die jedoch oftmals auf Angela Merkel mehr visionär als realpolitisch wirkt. Diese Darstellung lässt die FDP als eine Partei erscheinen, die zwar Veränderung anstrebt, dabei jedoch eine gewisse Distanz zur politischen Realität aufweist. Ihr Auftreten in der Öffentlichkeit und ihre Positionen in der Koalition werden dadurch teils als realitätsfern wahrgenommen.

Insgesamt vermittelt das Buch das Bild einer Partei, die ihren eigenwilligen Kurs konsequent verfolgt, jedoch nicht immer im Einklang mit den politischen und gesellschaftlichen Erfordernissen agiert. Diese kritische Betrachtung der FDP ist ein wiederkehrendes Motiv und verleiht ihrer Erwähnung eine gewichtige, oft auch problematische Rolle in den Erinnerungen Angela Merkels

Das Buch von Angela Merkel mit dem Titel „Freiheit“ zeichnet ein vielschichtiges Bild der politischen Ära Merkels, in dem die FDP als ideologisch eigenständiger, aber oft kompromissunfähiger Koalitionspartner dargestellt wird. Gleichzeitig bietet die Darstellung der FDP auch einen subtilen Kontrast zur politischen Führung Merkels selbst. Ihr Stil wird geprägt durch Pragmatismus, ad-hoc-Krisenmanagement und die Suche nach Konsens, während visionäre, langfristige politische Projekte häufig in den Hintergrund treten.

Die Konflikte mit der FDP, insbesondere in wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Fragen, verdeutlichen diese Diskrepanz. Während die FDP durch ihre ideologischen Überzeugungen oft klare, wenn auch polarisierende Positionen einnahm, agierte Merkel in erster Linie als selbsternannte Krisenmanagerin. Ihre Entscheidungen, sei es in der Finanzkrise, der Eurokrise oder der Flüchtlingskrise, waren vor allem von der Maxime geprägt, akute Probleme zu Lasten langfristiger Ziele zu lösen und den Status quo der Macht zu stabilisieren. Visionäre Projekte, die eine grundlegende Neuausrichtung der deutschen Gesellschaft oder eine langfristige strategische Weichenstellung beinhalteten, blieben dagegen rar.

Merkels politische Philosophie, wie sie im Buch dargestellt wird, scheint darauf ausgerichtet zu sein, die Bundesrepublik durch schwierige Zeiten zu führen, ohne jedoch eine klare Zukunftsvision zu verfolgen. Ihre Regierungszeit wird als eine Epoche beschrieben, in der Stabilität über Veränderung und Konsens über Innovation gestellt wurden. Dies zeigt sich auch im Umgang mit Koalitionspartnern wie der FDP: Merkel bevorzugte den Kompromiss, um kurzfristige politische Stabilität zu sichern, anstatt ideologische Gräben zu überwinden und mutige Reformen voranzutreiben.

Das Fazit, das sich aus dieser Darstellung ergibt, ist klar: Angela Merkel war keine visionäre Kanzlerin im Sinne großer gesellschaftlicher Umwälzungen oder langfristiger Reformstrategien. Vielmehr war sie eine Kanzlerin, die in der Kunst der Macht und des Machbaren agierte, Krisen entschärfte und politische Kontinuität gewährleistete. In der Gegenüberstellung mit einer ideologisch festen, aber oft konfrontativen FDP wird dies besonders deutlich: Merkel wählte den Weg des geringsten Widerstands, während visionäre Projekte und große gesellschaftliche Visionen vielfach auf der Strecke blieben.

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Regulierung: Fluch für Kleine, Segen für Große?

Von Dr. Oliver Everling | 29.November 2024

Reinhard Pfingsten, Chief Investment Officer (CIO) der apoBank, beleuchtet in seinen aktuellen Einschätzungen die Lage an den internationalen Finanzmärkten und hebt dabei die unterschiedlichen Entwicklungen in den USA und Europa hervor. Während die US-Wirtschaft weiter boomt, kämpft Deutschland, die größte Volkswirtschaft Europas, weiterhin mit konjunkturellen Schwächen. Pfingsten betont die Risiken durch die von Donald Trump angekündigten Strafzölle: „Die vom künftigen US-Präsidenten Donald Trump angekündigten Strafzölle hängen dabei wie ein Damoklesschwert über Europa, und Deutschland als traditionell exportorientierte Volkswirtschaft hat darunter besonders zu leiden.“

Ein besonderes Augenmerk legt Pfingsten auf die Rolle der Regulierung und deren Auswirkungen auf unterschiedliche Unternehmensgrößen. „Was die Bewertungen von US-Aktien betrifft, sehen wir bei amerikanischen Small Caps einen Bewertungsvorsprung vor Blue Chips,“ so der CIO. Die Ernennung von Elon Musk zum Deregulierungs-Beauftragten der US-Regierung könnte laut Pfingsten speziell kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) Rückenwind geben. „Wir erwarten, dass die Ernennung von Tech-Milliardär Elon Musk […] vor allem die Aktienkurse von kleinen und mittleren Unternehmen befeuern wird, denn diese leiden viel stärker unter den finanziellen Lasten von staatlicher Bürokratie und von Regulierung als amerikanische Großkonzerne.“

Diese Beobachtungen lassen sich auch auf Deutschland übertragen. Hierzulande scheint die Regulierungslandschaft ebenfalls eher den Großkonzernen zu dienen. Komplexe Regularien und bürokratische Anforderungen erfordern umfangreiche Ressourcen, die größere Unternehmen leichter aufbringen können als kleinere. Während für Großkonzerne Compliance-Abteilungen selbstverständlich sind, geraten KMU durch den gleichen Regulierungsdruck oftmals an ihre Belastungsgrenzen. In der Praxis resultiert dies in einem Wettbewerbsnachteil für kleinere Marktteilnehmer, während große Unternehmen von standardisierten Prozessen und Skalen-Effekten profitieren.

Die Frage, ob Regulierung tatsächlich zum Schutz aller Marktteilnehmer beiträgt oder am Ende die Marktposition der ohnehin mächtigen Konzerne stärkt, bleibt somit auch in Deutschland hochaktuell. Pfingstens Analyse der US-Märkte könnte also auch ein Spiegelbild für die Situation in Europa sein. Ein Umdenken in der Regulierungsstrategie könnte notwendig sein, um die Wettbewerbsfähigkeit kleinerer Unternehmen zu sichern und Innovationen zu fördern.

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Lazard rühmt sich für Euro-Hochzins-Unternehmensanleihen und erstmalig auch für japanische Aktie

Von Dr. Oliver Everling | 25.November 2024

Lazard Asset Management wird in diesem Jahr gleich zwei Mal von Scope ausgezeichnet. Der von Lazard Frères Gestion verwaltete Lazard Euro Corp High Yield-Publikumsfonds wurde bei den Scope Investment Awards 2025 zum dritten Mal in Folge in Deutschland und der Schweiz sowie das zweite Mal in Österreich in der Kategorie „Renten EURO Corp. High Yield“ zum Sieger gewählt. Der Fonds setzte sich gegen 96 andere Fonds durch. In der Kategorie „Aktien Japan“ kürte Scope zudem den Lazard Japanese Strategic Equity Fund in Deutschland und der Schweiz zum diesjährigen Gewinner aus 156 Fonds.

Der bereits 2008 aufgelegte Lazard Euro Corp High Yield-Publikumsfonds hat zum 15. November 2024 ein Volumen von über 347 Millionen Euro. Er wird von Alexia Latorre und ihrem Team verantwortet. Von Scope erhielt der Fonds ein A-Rating, was einem „sehr gut“ entspricht. Hohe Punktzahlen erzielt er vor allem in der Kategorie „Rendite“. Die Agentur Morningstar zeichnet den Publikumsfonds mit fünf von fünf Sternen aus.

Mit 98 von 100 Punkten überzeugt der Lazard Japanese Strategic Equity Fund besonders in Feld „Rendite“. Auch dieser Lazard-Fonds hat von Scope ein A-Rating erhalten. Manager des über 800 Millionen Euro schweren Fonds ist June-Yon Kim, Lead Portfolio Manager für japanische Aktien bei Lazard Asset Management. Auch für diesen Fonds, der 2024 seine Konkurrenz in der Kategorie „Aktien Japan Standardwerte“ um 4,5 Prozentpunkte schlagen konnte (alle Angaben Stand 15. November 2024), vergibt Morningstar fünf von fünf Sternen.

„Wir sind sehr glücklich, dass wir in diesem Jahr gleich in zwei Kategorien einen der begehrten Scope Investment Awards gewinnen konnten“, sagt Andreas Hübner, CEO von Lazard Asset Management Deutschland. „Alexia Latorre und ihrem Team ist es erneut gelungen, in einem anspruchsvollen Marktumfeld erfolgreich zu bestehen und zum dritten Mal in Folge den Award zu gewinnen. Dieser Award-Track-Record ist sowohl Ausdruck einer exzellenten Marktkenntnis als auch einer erfolgreichen Portfoliozusammenstellung des Teams über verschiedene Marktphasen hinweg.“

Trotz der kurzfristig angespannten politischen Lage ist Lazard für Japan langfristig optimistisch. Dort hatten vorgezogene Neuwahlen im Oktober die Regierungspartei hart abgestraft. „Auch wenn die Unruhe am Aktienmarkt noch eine Weile anhalten könnte, sind wir für japanische Aktien langfristig positiv gestimmt“, berichtet Hübner. „June-Yon Kim und sein Team haben über die letzten Jahre einen beeindruckend stabilen Track Record aufgebaut und wurden zuletzt mit starken Inflows belohnt. Unsicherheiten wie Neuwahlen bedeuten zwar immer auch eine erhöhte Marktvolatilität, aber gleichzeitig bieten sich für einen aktiven Manager, wie wir es sind, auch Gelegenheiten, das Portfolio weiter zu optimieren.“

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Verlässlichkeit in der Wohnungspolitik gefordert

Von Dr. Oliver Everling | 20.November 2024

Aktuelle Zahlen zum Programm „Wohneigentum für Familien – Bestand“ sind ernüchternd – Verband fordert auch nach der Wahl ein Wohnungsbauministerium sowie Neuausrichtung der Wohnbauförderung

Der Verband der Privaten Bausparkassen („VdPB“) kritisiert mit Blick auf die jüngst veröffentlichten Zahlen die Ausrichtung des Programms „Wohneigentum für Familien – Bestand“ und hofft auf eine Neuausrichtung der Wohnbauförderung nach der anstehenden Bundestagswahl.

Christian König, Hauptgeschäftsführer des VdPB, kommentiert: „Das im September 2024 gestartete Programm ‚Wohneigentum für Familien – Bestand ‘ stellte hohe energetische Anforderungen an die Sanierung einer gekauften Bestandsimmobilie; gleichzeitig wurden jedoch die Einkommensgrenzen bei der Förderberechtigung so niedrig gesetzt, dass viele Haushalte sich diese Investitionen nicht leisten konnten.“

Das erklärt auch die ernüchternden Zahlen: „Die Bilanz per 31. Oktober 2024 macht sich mit 92 bewilligten Anträgen (Kreditvolumen: 10,2 Mio. Euro) eher bescheiden aus. Ein ähnliches Schicksal hatte zuvor das Programm ‚Wohneigentum für Familien – Neubau‘ erlitten; hier wurden zwischen dem 1. Oktober und dem 31. Oktober bisher nur 17 Anträge im Volumen von 7,7 Mio. Euro bewilligt“, fügt König hinzu.

Um das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr nicht vollständig aus den Augen zu verlieren, formuliert der Verband eine klare Forderung: „Der Auftrag an die Bundespolitik ist daher in erster Linie, für Verlässlichkeit in der Wohnungspolitik zu sorgen. Vor diesem Hintergrund ist es dringend geboten, die Kompetenzen zum Wohnen, Bauen und Sanieren in einem Ministerium zu bündeln“, so König. Verlässlichkeit schließt das Bekenntnis zum selbstgenutzten Wohneigentum ausdrücklich ein. Denn es trägt zur Wohnraumversorgung bei, stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt und ist der Schlüssel zum Gelingen der Energiewende im Gebäudesektor.

Zwar ist die höhere Dotierung der sozialen Wohnraumförderung ein Schritt in die richtige Richtung, wirkt jedoch symptomatisch und hat nur homöopathisch zum Wohnungsbau beigetragen.

Die Haushalte müssen sich darauf verlassen können, dass die Beschlüsse aus verschiedenen Kommissionen zur Baukostensenkung und zur Bereitstellung von Bauland endlich umgesetzt werden – viele Ideen liegen seit Jahren auf den Tischen der Bundes- und Landesministerien.

„Eine Wiederauflage des Baukindergelds in schlankerer Form sowie eine Verbesserung bei der Ansparförderung, die auf den zweckgerichteten Aufbau von Eigenkapital zum Eigentumserwerb abzielt, bietet sich an. Denn die Wohnungsbauprämie und die Arbeitnehmer-Sparzulage haben nachweislich eine hohe Hebelwirkung auf den dringend benötigten Eigenkapitalaufbau für den Erwerb von Wohneigentum. Sie helfen (bei überschaubarer Belastung für die öffentlichen Haushalte) in hohem Maße private Mittel, die eine notwendige Voraussetzung für den privaten Immobilienkauf darstellen, zu mobilisieren“, schließt Christian König, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Privaten Bausparkassen. „Alle Maßnahmen könnten gemeinsam dazu beitragen, den gelähmten Wohnungsbau zu entfesseln.“

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Trumps Rückkehr: Neue Ära und Auswirkungen auf die Märkte

Von Dr. Oliver Everling | 18.November 2024

Donald Trump ist zurück, und seine Präsidentschaft markiert laut der Union Bancaire Privée (UBP) den Beginn einer neuen politischen Ära. Mit einer unternehmensfreundlichen Politik und niedrigeren Steuern erwarten Experten einen stärkeren wirtschaftlichen Aufschwung als bisher prognostiziert. „Die USA ist unser bevorzugter Markt in einer zunehmend fragmentierten globalen Wirtschaft“, schreibt Michaël Lok, Group CIO und Co-CEO Asset Management bei der UBP, in seinem Monatsbericht. In diesem Zuge hat die Bank ihre Überzeugung für US-Aktien auf vier von fünf möglichen Punkten angehoben.

Im Gegensatz zu den USA zeigt sich die Eurozone als immer komplexer zu interpretieren. „Die Anlagelandschaft in Kontinentaleuropa polarisiert sich zunehmend“, so Lok. Dennoch stechen Länder wie die Schweiz und die skandinavischen Staaten durch ihre Wachstums- und Innovationsfähigkeit positiv hervor.

In Asien zeichnet sich ein gemischtes Bild ab. Besonders China bleibt aufgrund seiner instabilen Marktbedingungen und möglicher Zollpolitiken Trumps unter Druck. Lok erwartet, dass China als Reaktion darauf fiskalische Anreize schaffen und seinen Fokus stärker auf den Binnenmarkt lenken wird. Trotz dieser Unsicherheiten sieht die UBP Asien weiterhin als globalen Wachstumsmotor, wobei Indien (+6,5% Wachstum) und die Erholung in den ASEAN-Staaten die wichtigsten Triebkräfte sind.

Für Anleger bietet der US-Markt laut Lok attraktive Chancen, insbesondere in den Sektoren Banken, Technologie und höherwertige Konsumgüter. Ein besonderes Augenmerk legt die UBP auf US-Mid-Caps, die derzeit etwa 25% günstiger bewertet sind als Large Caps. „Drei Viertel ihres Umsatzes hängen von der US-Konjunktur ab, insofern sollten diese Titel überproportional vom höheren US-Wachstum profitieren“, betont Lok.

Zinssensitivere Sektoren wie Versorger und höherwertige Konsumgüter schneiden hingegen schlechter ab. Auch die Anleihemärkte bleiben für die UBP herausfordernd. Die Bank hat ihre Anleihequote, mit Ausnahme von hochverzinslichen Anleihen, reduziert und zeigt sich bei Unternehmensanleihen mit guter Bonität zurückhaltend.

Trotz eines stärkeren US-Dollars sieht die UBP in Edelmetallen, insbesondere Silber, weiterhin Potenzial. „Die inflationstreibende Wirtschaftspolitik unter Trump könnte den Ausblick für Edelmetalle attraktiv halten“, so Lok.

Die zunehmende Beliebtheit von ETFs wird von der UBP kritisch gesehen. Lok plädiert für ein tieferes Verständnis der Märkte und eine detaillierte, granulare Herangehensweise. „Ein aktiverer Ansatz ist unerlässlich, um den unterschiedlichen Herausforderungen gerecht zu werden.“

Die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus bringt geopolitische und wirtschaftliche Veränderungen mit sich, die sowohl Chancen als auch Risiken bergen. Während die USA für Anleger eine klare Priorität darstellen, bleibt die Lage in Europa und Asien differenziert. Ein aktives Management und ein genauer Blick auf spezifische Marktchancen könnten entscheidend sein, um in einer fragmentierten Weltwirtschaft erfolgreich zu agieren.

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Chinas Wirtschaft im Fokus: Konjunkturprogramm und globale Auswirkungen

Von Dr. Oliver Everling | 18.November 2024

Die wirtschaftspolitischen Entscheidungen Chinas stehen erneut im Rampenlicht, da der klare Wahlsieg von Donald Trump und die damit verbundene Unsicherheit weltweit Wellen schlagen. Peking hat auf die Herausforderungen mit einem beeindruckenden Programm reagiert: Ein 10-Billionen-Yuan-Konjunkturpaket soll die Lokalregierungen unterstützen – die größte Maßnahme dieser Art seit der Pandemie.

„Wird diese Unterstützung ausreichen?“ fragt Laurent Denize, Co-CIO von ODDO BHF und CIO von ODDO BHF Asset Management, in einem aktuellen Marktkommentar. Die Hoffnung vieler Investoren liegt auf noch konkreteren Maßnahmen zur Förderung der Konsumnachfrage. Doch die Herausforderungen gehen tiefer: Kommunale Schulden stellen eine erhebliche Belastung dar.

„Diese Schulden wirken wie unsichtbarer Sand im Getriebe der chinesischen Wirtschaft“, warnt Denize. Die angespannte finanzielle Lage der Kommunen habe weitreichende Konsequenzen: Zahlungen an Lieferanten, vor allem an Privatunternehmen, verzögern sich, Gehälter von Beamten werden verspätet ausgezahlt, und Privatunternehmen sind gezwungen, sogenannte Strafzahlungen zu leisten, um die sinkenden Einnahmen auszugleichen. Eine Umschuldung der 10 Billionen Yuan über fünf Jahre könnte nach Schätzungen des chinesischen Ministers Lan Zinsersparnisse von 600 Milliarden Yuan bringen und so Investitionen und Konsum fördern.

Die Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, die versteckten Schulden bis 2028 von derzeit 14,3 Billionen Yuan auf 2,3 Billionen Yuan zu reduzieren. Denize sieht darin ein klares Signal, wie ernst die Regierung die wirtschaftlichen Herausforderungen nimmt: „Der außergewöhnliche Umfang dieser Maßnahmen und die begleitende Kommunikation zeigen, wie ernst die Regierung den wirtschaftlichen Abschwung nimmt.“ Ergänzende Instrumente dürften folgen, vor allem im Hinblick auf mögliche Handelskonflikte unter Trump.

Die chinesischen Aktienmärkte haben bereits auf die angekündigten Maßnahmen reagiert. Nach langer Durststrecke konnten sie im September deutliche Kursgewinne verzeichnen. Dennoch bleiben Unsicherheiten. „Wenn chinesische Aktien langfristig die Bewertungslücke zu anderen globalen Märkten schließen sollen, muss die Regierung klar aufzeigen, wie sie die strukturellen Schwächen der Wirtschaft angehen will“, betont Denize.

Besonders A-Aktien – ausschließlich an chinesischen Festlandbörsen gehandelt – könnten sich als stabiler erweisen. Nur etwa 3% dieser Aktien befinden sich im Besitz ausländischer Investoren, wodurch geopolitische Risiken sie weniger beeinflussen. „Defensive Sektoren, binnenmarktorientierte Branchen und von der chinesischen Politik gestützte Wirtschaftszweige – wie Konsum- und Investitionsgüter – könnten sich angesichts der gestiegenen Unsicherheit überdurchschnittlich entwickeln“, erläutert Denize.

Die wirtschaftlichen Entwicklungen in China haben auch direkte Auswirkungen auf Europa. „Viele europäische Industrie- und Luxusgüterunternehmen sind stark von China abhängig“, erklärt Denize. Eine anhaltende Konjunkturerholung in China könnte die Aktienkurse europäischer Unternehmen steigen lassen. Gleichzeitig bremst jedoch die Zurückhaltung der chinesischen Verbraucher aufgrund fallender Immobilienpreise das Wachstum. Besonders die deutsche Automobilindustrie bleibt stark vom China-Geschäft abhängig.

Für die europäische Chemieindustrie sieht Denize jedoch kaum positive Impulse, da China in den letzten zwei Jahrzehnten verstärkt auf Selbstversorgung bei Chemikalien gesetzt hat. „Auch ein Wachstumsprogramm wird hier nicht zu einer Rückkehr zu alten Zeiten führen“, merkt er an.

China zeigt mit seinem umfassenden Konjunkturpaket Entschlossenheit, den wirtschaftlichen Herausforderungen zu begegnen. Doch der Weg zur Stabilisierung ist steinig. Während Investoren Hoffnung schöpfen, bleiben strukturelle Probleme wie kommunale Schulden ein Stolperstein. Auch Europa wird die Auswirkungen der chinesischen Wirtschaftspolitik deutlich spüren – im Positiven wie im Negativen.

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China als Anker der Stabilität: Yiyang Huang auf dem 10th China Day der Euro Finance Week

Von Dr. Oliver Everling | 18.November 2024

Auf dem 10th China Day, einer zentralen Veranstaltung der 27. Euro Finance Week, sprach Yiyang Huang, Vertreter des chinesischen Generalkonsulats, über die Rolle Chinas in einer Welt, die zunehmend von Unsicherheit geprägt ist. Huang legte dar, warum China in diesen unruhigen Zeiten als stabiler und kontinuierlicher Partner wahrgenommen werden kann und welche Stärken das Land in die Waagschale des globalen Dialogs wirft.

Unsicherheit als prägendes Merkmal unserer Zeit: Huang eröffnete seine Rede mit der Frage, was das dominierende Kennzeichen der heutigen Weltlage sei. Seine Antwort: Unsicherheit. Zur Untermauerung dieses Arguments zitierte er den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz, der in Bezug auf die aktuellen geopolitischen und wirtschaftlichen Herausforderungen von einer „Zeitenwende“ gesprochen hatte. Diese Unsicherheit betreffe alle Bereiche des globalen Zusammenlebens – von Politik und Wirtschaft bis hin zu Umweltfragen.

Chinas Stärke sieht Huang in der Stabilität und Kontinuität. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern betonte Huang, habe China über Jahrzehnte hinweg politische Stabilität bewiesen. „In China geht es nicht darum, ‚Make China Great Again‘ zu propagieren“, erklärte Huang und distanzierte sich damit von nationalistischen Tendenzen anderer Großmächte. Vielmehr biete China ein Modell, das auf Kontinuität und Verlässlichkeit basiere.

China verfolge nicht das Ziel, andere Länder zu verändern oder ihnen ein bestimmtes Gesellschaftsmodell aufzuzwingen. Stattdessen sei das Hauptanliegen Chinas, seinen Anteil am internationalen Handel zu erhöhen. Dieser Ansatz verdeutliche Chinas konstruktive Rolle im globalen System, ohne die Souveränität anderer Staaten in Frage zu stellen.

Der Ozean des Welthandels: Huang nutzte ein eindrucksvolles Bild, um die Bedeutung des freien Handels zu verdeutlichen: Er verglich den Welthandel mit einem Ozean. „Das Wasser des Ozeans lässt sich nicht kanalisieren oder regulieren“, so Huang. Protektionistische Bestrebungen, wie sie zuletzt auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos thematisiert wurden, seien kontraproduktiv und stünden im Widerspruch zu den Prinzipien einer offenen und vernetzten Weltwirtschaft. Der Versuch, Handelsflüsse künstlich zu begrenzen, sei weder nachhaltig noch glaubwürdig.

Als Beleg für Chinas Beitrag zur globalen Entwicklung führte Huang mehrere Erfolge an, insbesondere im Bereich der Energiewende. Seit 2020 habe sich der Anteil erneuerbarer Energien in China vervielfacht. Dies zeige, dass China nicht nur politisch und wirtschaftlich stabil sei, sondern auch aktiv daran arbeite, ökologische Herausforderungen anzugehen. Das Land übertreffe regelmäßig seine eigenen Ziele.

Mit seiner Rede zeichnete Huang ein Bild von China als einem Anker der Stabilität und einem Verfechter des freien Handels. In einer Welt, die zunehmend von Unsicherheit geprägt ist, betonte er die Bedeutung von Zusammenarbeit und Offenheit. Chinas Fokus auf Stabilität, Kontinuität und nachhaltige Entwicklung mache das Land zu einem unverzichtbaren Partner im globalen Kontext.

Der 10th China Day der Euro Finance Week bot somit nicht nur eine Plattform für den Austausch über wirtschaftliche Beziehungen, sondern auch eine Möglichkeit, Chinas Perspektive auf die Herausforderungen unserer Zeit besser zu verstehen.

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Eine zweite Trump-Präsidentschaft als Chance für Europa

Von Dr. Oliver Everling | 12.November 2024

„Die Reaktion der Kapitalmärkte auf den Wahlsieg Trumps zeigte eindeutig, wie die Akteure dort die Folgen für Europa einschätzen“, schreibt Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt der FERI Gruppe: „negativ. Die Aussicht, dass Waren aus Europa generell mit Importzöllen belegt werden, könnte sich tatsächlich als zusätzliche Belastung für eine bereits schwach wachsende Wirtschaft darstellen. Die Möglichkeit, dass eine neue US-Administration die NATO infrage stellt oder ultimativ höhere Verteidigungsausgaben von den europäischen Mitgliedern fordert, wird manchem Finanzminister jetzt schon Sorgen bereiten. Und eine Einstellung der US-amerikanischen Unterstützung für die Ukraine sowie ein nachfolgender Deal zwischen Trump und Putin über die Köpfe der Ukrainer hinweg birgt das Risiko, dass die Sicherheitsinteressen der EU übergangen werden.“

Mit einer Mischung aus Angst und Besorgnis auf Trump zu schauen, greife jedoch zu kurz. „Vielmehr muss sich Europa jetzt endlich mit den eigenen strukturellen Schwächen auseinandersetzen. Diese sind schon seit langem bekannt, aber spätestens seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine mit erheblich negativen Konsequenzen verbunden: Die hohe Abhängigkeit europäischer Volkswirtschaften von Exporten ist zunehmend problematisch in einer Welt, in der vom Welthandel kaum noch positive Impulse ausgehen und die Herausbildung voneinander abgekoppelter Blöcke droht, zwischen denen Europa mit seinen bislang umfassenden Handelsbeziehungen zu beiden Seiten hin und her navigieren müsste. Handelsabkommen mit anderen Partnern, die das Problem lindern könnten, sind in der Vergangenheit aus ideologischen Gründen verworfen worden und kommen auch jetzt nicht wirklich voran. Dass die EU eigene geopolitische Interessen definieren, zu deren Vertretung veränderte Abstimmungsprozesse und institutionelle Vorkehrungen treffen und zu ihrer Umsetzung auch Ressourcen bereitstellen muss, ist inzwischen eine Binse – in der praktischen Politik hat sich dies bislang aber weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene niedergeschlagen.“

Im Falle eines Wahlsiegs von Kamala Harris wäre zu befürchten gewesen, dass sich die europäischen Regierungen erleichtert zurückgelehnt und so weitergemacht hätten wie bisher. „Dies ist nun für jeden sichtbar als Illusion enttarnt. So gesehen bietet der Wahlsieg Trumps die Chance, dass die europäischen Regierungen endlich das tun, was sie auch ohne Trump schon längst hätten tun müssen“, so Angermann: „deutlich stärker in die eigene Verteidigungs- und Wettbewerbsfähigkeit zu investieren.“

Europa muss jetzt in kurzer Zeit die Versäumnisse der Vergangenheit nachholen. Das Jahr 2025 wird daher von entscheidender Bedeutung. Eine positive Prognose könnte so aussehen, folgert der Chef-Volkswirt: „Europa einigt sich auf ein EU-weites, schuldenfinanziertes Programm in erheblichem Umfang zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit Europas, zum Ausbau der Rüstungskapazitäten und zur Koordinierung diesbezüglicher Aktivitäten zwischen den EU-Staaten. Möglicherweise wird dieses Programm durch ein weiteres für Infrastrukturinvestitionen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen ergänzt. Aus ökonomischer Sicht bliebe dabei festzuhalten: Schulden auf EU-Ebene mit gemeinschaftlicher Haftung der Mitgliedsländer sind kein Rezept aus dem ordnungspolitischen Lehrbuch und bergen auch Risiken. Umso wichtiger wäre es sicherzustellen, dass die Mittel tatsächlich zielgerichtet für eine Stärkung der eigenen Handlungsfähigkeit respektive Wettbewerbsfähigkeit eingesetzt würden und, noch wichtiger, dass sie ergänzt würden durch einen umfassenden Bürokratieabbau. Wenn dies gelänge, könnten wir Ende des kommenden Jahres vielleicht sagen: Europa hat unter dem Druck einer Trumpschen Präsidentschaft endlich Schritte in die richtige Richtung unternommen.“

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Die kulturelle Kluft zwischen Deutschland und den USA

Von Dr. Oliver Everling | 12.November 2024

Zu den eigenartigen kulturellen Phänomenen in Deutschland zählen „eine verklärende Putin-Sympathie auf der einen [und] ein verbreiteter Antiamerikanismus auf der anderen Seite.“ Diese „Bizarrerien“, so argumentiert Dr. Christoph Bruns in seinem Text aus Chicago, sind in seinen Augen „das Ergebnis fehlender Geschichtskenntnisse und gegebenenfalls auch von Neid.“ In Bezug auf die amerikanische Politik beschreibt Bruns, wie der „eindeutige Wahlsieg Donald Trumps“ diese ambivalenten Gefühle vieler Deutscher vermutlich weiter verstärken wird.

Bruns erklärt, dass Deutschland oft übersieht, dass die USA „die älteste Demokratie der Neuzeit“ sind und dass „der Souverän ein klares Mandat erteilt hat.“ Seiner Meinung nach haben viele deutsche Beobachter das Wahlergebnis verkannt: „Die Mehrzahl der amerikanischen Wähler fühlt sich in ihren Anliegen und Sorgen besser bei den Republikanern aufgehoben als bei den Demokraten.“ Besonders bemerkenswert findet er, dass die Unterstützung für Trump bei „schwarzen und hispanischen und vor allem jungen Wählern“ zunahm, was sich entgegen den Erwartungen der Demokraten zeigte.

„Entgegen der Wünsche der Demokraten hat sich das Thema Wirtschaft einmal mehr als Haupttriebfeder für den Wahlausgang gezeigt“, stellt Bruns fest. Die Wähler haben sich, ungeachtet von Trumps Charakterdefiziten, davon überzeugen lassen, dass er „eine Dynamisierung der keineswegs schlecht laufenden amerikanischen Konjunktur“ erzielen könne. Bruns hebt hervor, dass „vor allem beim Thema Deregulierung“ unter Trump „rasche Veränderungen“ zu erwarten seien.

Dr. Bruns beschreibt Trump als Politiker, „der weder Freihändler noch Globalist ist“ und der „im amerikanischen Dickicht bürokratischer Einschränkungen kräftig aufräumen“ werde. Dies wolle er mit der Unterstützung von „erfahrenen und erfolgreichen Männern und Frauen aus der Wirtschaft“ erreichen. Bruns merkt an, dass es in den USA Tradition habe, qualifizierte Quereinsteiger aus der Wirtschaft in die Politik zu holen, da „Parteibücher […] in Amerika bekanntlich keine herausgehobene Rolle“ spielen.

Besonders lobend erwähnt er Trumps Vorschlag, Elon Musk mit der Effizienzsteigerung des amerikanischen Regierungswesens zu betrauen. „Ohne Zweifel ist Trump ein Coup mit dem Vorschlag gelungen, Elon Musk mit der Aufgabe zu betrauen, das amerikanische Regierungswesen auf Effizienz zu trimmen,“ schreibt Bruns. Für ihn gibt es keinen besseren Kandidaten als den Chef von Tesla und SpaceX, denn „Musks unternehmerische Erfolge fußen nicht zuletzt auf schlanken und kostengünstigen Strukturen.“

Mit einem Blick auf die deutsche Politik fragt Bruns, ob nicht auch in Deutschland mehr Wirtschaftskompetenz und eine schlankere Verwaltung vorteilhaft wären. Im Vergleich zum Deutschen Bundestag mit „aktuell 733 Parlamentarier[n]“ arbeitet das US-Repräsentantenhaus mit nur „435 Abgeordneten“, obwohl die USA „fast viermal so groß“ sind und ein „Bruttosozialprodukt [haben], das sechsmal so groß wie jenes in Deutschland“ ist.

Im Unterschied zu Deutschland herrscht in den USA eine tiefe Skepsis gegenüber staatlichen Eingriffen. Bruns erläutert, dass „die meisten Bürger [in den USA] den Staat und dessen Beglückungsphantasien mit Skepsis“ betrachten. Die amerikanische Verfassung erlaubt „das Waffenbesitzrecht für Privatleute“ ausdrücklich mit der Begründung, dass Bürger ihre Waffen nötigenfalls gegen eine tyrannische Regierung einsetzen dürfen.

Das Wahlsystem zeigt außerdem, dass amerikanische Wähler „Angst vor zu starker Machtballung für längere Zeit haben.“ Die in der Verfassung festgelegte „Amtszeitbegrenzung“ trägt ebenfalls zu einer „zeitlichen Beschränkung von Macht“ bei, was für die meisten Amerikaner ein wichtiger Schutzmechanismus ist.

Abschließend verweist Dr. Bruns auf eine tief verwurzelte kulturelle Differenz: „Der in Deutschland weit verbreitete Glaube, der Staat erzeuge Wohlstand, ist in den USA so gut wie nicht anzutreffen.“ Während kollektivistische Ideen in Deutschland Zustimmung finden, stehen die Amerikaner „zwischen New York und Los Angeles“ ihnen eher ablehnend gegenüber. Amerika bleibt seinem „Leitstern“, der Unabhängigkeitserklärung von 1776, verpflichtet. Die in diesem Dokument „niedergelegten Werte“ sind für die Amerikaner „unverändert gültig“ und könnten „als Vorbild für die gesamte Welt“ dienen.

Mit einem Hauch von Resignation beendet Dr. Bruns seine Analyse und fragt sich, „ob der aktuellen Generation deutscher Politiker dieser Text bekannt ist.“

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