Impulse für die europäischen Aktienmärkte erwartet

Von Dr. Oliver Everling | 7.Juli 2025

Trotz anhaltender konjunktureller Schwäche zeigt sich der deutsche Aktienmarkt derzeit in bemerkenswerter Verfassung. „Im internationalen Wettbewerb um den attraktivsten Aktienmarkt liegt der deutsche in diesem Jahr weit vorne“, stellt Prof. Dr. Jan Viebig, Chief Investment Officer der ODDO BHF SE, in seinem aktuellen CIO View fest. Allein im ersten Halbjahr 2025 legte der DAX um 19,4 Prozent zu – in zwölf Monaten ergibt das ein Plus von rund 30 Prozent. Damit schlägt der deutsche Leitindex sowohl den amerikanischen S&P 500, der um gut 5 Prozent stieg, als auch den Euro Stoxx 50 mit einem Zuwachs von gut 8 Prozent. Dass deutsche Aktien dennoch besser abschneiden als ihre internationalen Pendants, obwohl das Wachstum der Wirtschaft quasi stagniert, erscheint auf den ersten Blick paradox. „Selbst die Bundesregierung erwartet für 2025 bestenfalls einen Stillstand beim Bruttoinlandsprodukt von 0,0 Prozent“, so Viebig. Er weist allerdings darauf hin, dass viele börsennotierte Unternehmen ihre Erlöse zunehmend außerhalb Deutschlands erzielen und somit unabhängiger vom heimischen Konjunkturklima agieren können.

Ein Hoffnungsträger ist das Infrastruktur- und Rüstungsprogramm der Bundesregierung. Dieses könne „allmählich konkretere Formen“ annehmen und damit Impulse für die heimische Wirtschaft liefern. In diesem Zusammenhang sei auch die Zusage der europäischen NATO-Mitglieder an US-Präsident Donald Trump erwähnenswert, die Verteidigungsausgaben auf 5 Prozent des BIP zu erhöhen – mit Ausnahme Spaniens. Viebig sieht in diesen politischen Entwicklungen, gepaart mit angekündigten Strukturreformen und Entbürokratisierungsschritten, einen möglichen Wendepunkt für die wirtschaftliche Stimmung im Land: „Wir rechnen mit einem Stimmungsumschwung in der Wirtschaft, der letztlich allen Unternehmen zugutekommen und der sich auch im Gewinnwachstum der börsennotierten Unternehmen zeigen sollte.“ Die Märkte spiegeln diese Zuversicht bereits wider: Für 2026 wird ein Gewinnwachstum je Aktie der DAX-Unternehmen von rund 15 Prozent erwartet.

Doch Viebig hofft, dass sich das staatliche Ausgabenprogramm nicht allein auf die überfällige Sanierung der Verkehrsinfrastruktur konzentrieren wird. Er fordert: „Auch Bildung, Erziehung und Forschung“ sollten davon profitieren. Deutschland verfüge über weltweit anerkannte Forschungseinrichtungen, deren Ergebnisse jedoch oft zu selten in marktfähige Geschäftsmodelle überführt würden. Gelinge es, diesen Wissenstransfer zu verbessern, könnte die Bundesrepublik ihre Stärken in Bereichen wie Medizintechnik, Biotechnologie, Chemie oder Ingenieurswesen besser zur Geltung bringen. Zudem könnten „durch das veränderte politische Klima in den USA weitere Spitzenforschung nach Deutschland“ kommen. Für Viebig ist klar: „Mit einem vergleichsweise geringen Einsatz öffentlicher Mittel sollte im Wissenstransfer von der Forschung in die Anwendung große Wirkung möglich sein.“

Im Portfolio von ODDO BHF spiegeln sich diese Überzeugungen bereits wider. Besonders in Europa setzen die Portfoliomanager auf Industrieunternehmen – nicht nur unter den großen Standardwerten, sondern vor allem auch bei Mid Caps. Viele dieser mittelgroßen Unternehmen gelten als „hidden champions“, also als hochspezialisierte Weltmarktführer. „Gerade der deutsche Aktienmarkt bietet attraktiv bewertete Unternehmen, die in einer kleinen Nische hochspezialisierte Produkte herstellen und die nur sie allein in bester Qualität herstellen können“, so Viebig. Ihre starke Marktstellung schütze sie besser vor Preiskampf und politischen Risiken. In unsicheren Zeiten zahle sich ein Geschäftsmodell aus, „das Konkurrenten nur unter erheblichen Mühen und hohem Kapitaleinsatz angreifen können“. Dennoch rät der CIO zur Vorsicht bei kurzfristigen Erwartungen: „Allerdings ist jetzt unserer Überzeugung nach nicht der Augenblick, um kurzfristig auf überdurchschnittlich hohe Kursgewinne an den Aktienmärkten zu spekulieren.“ Vielmehr sollten sich Anleger strategisch positionieren – mit Titeln, „die von Kursschwankungen weniger getroffen werden sollten“.

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KI im Kundenservice: Vom Zweifler zum Überzeugten – die DKB zeigt, wie es geht

Von Dr. Oliver Everling | 2.Juli 2025

Tobias May, Vice President Digital Products im Retailbanking der Deutschen Kreditbank AG (DKB), war einst selbst einer der größten Skeptiker. „Ich war der größte Gegner der Einführung eines ChatBots. Meine Meinung hat sich komplett geändert“, eröffnete er seinen Vortrag auf der Handelsblatt-Jahrestagung „Zukunft Retail Banking 2025“. Was folgte, war ein ebenso praxisnaher wie differenzierter Erfahrungsbericht über Chancen, Risiken und reale Hürden bei der Implementierung von KI im Kundenservice.

Die DKB sah sich mit einer strategischen Notwendigkeit konfrontiert: Wie können Effizienz und Kundenzufriedenheit gleichzeitig verbessert werden – bei fünf Millionen Kunden, rund um die Uhr und unter hohen Erwartungen an Verlässlichkeit und Sicherheit? Der KI-gestützte ChatBot sollte genau hier ansetzen, indem er Standardanfragen sofort beantwortet, Wartezeiten reduziert und Servicezeiten unabhängig vom Callcenter macht. Doch der Weg zur erfolgreichen Einführung war steinig.

May identifizierte drei große Hürden. Die erste liegt im „mentalen Modell“ der Kund\:innen: Viele verbinden ChatBots noch immer mit gescheiterten Versuchen aus der Vergangenheit – unpersönlich, starr, frustrierend. Besonders der Versuch, ChatBots zu „vermenschlichen“, sei nicht nur gescheitert, sondern habe Vertrauen zerstört. Die DKB setzt deshalb auf Transparenz und Augenhöhe: Die KI wird als digitale Assistenz präsentiert – nicht als Ersatz für menschliche Beratung, sondern als erste Anlaufstelle für einfache Anliegen.

Die zweite Hürde: technologische Flexibilität. „Wenn ein System abtaucht, muss ein anderes sofort übernehmen können“, betont May. Deshalb setzt die DKB auf ein hybrides System, in dem Antworten eines LLM (Large Language Model) durch ein zweites Modell kontrolliert und abschließend mit den individuellen Daten des Kunden angereichert werden. Nur so sei sichergestellt, dass die Antwort nicht nur plausibel, sondern auch kontextuell korrekt sei.

Hürde Nummer drei: Unvermeidbare Imperfektion. Auch der fortschrittlichste KI-gestützte Bot kann halluzinieren – also Antworten geben, die auf den ersten Blick richtig wirken, aber nicht in den Trainingsdaten verankert sind. Die DKB begegnet diesem Risiko mit klar definierten Einsatzgrenzen, ständiger Nachjustierung und einer Rückfallstruktur, die den Übergang zu menschlichem Service jederzeit möglich macht.

Tobias May macht keinen Hehl daraus, dass die Einführung des KI-ChatBots ein radikaler Wandel war – technisch, organisatorisch und kulturell. Doch die Bilanz ist positiv: Die Akzeptanz steigt, die Kundenreaktionen sind überwiegend konstruktiv und die Effizienzgewinne im Servicebereich sind bereits messbar. KI ist für die DKB kein Hype mehr – sondern Teil einer nachhaltigen Servicearchitektur, die den Menschen nicht ersetzt, sondern ihm hilft, schneller und besser ans Ziel zu kommen.

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KI-Berater im Einsatz: Wie Xaver den Omnikanalvertrieb revolutionieren will

Von Dr. Oliver Everling | 2.Juli 2025

Effizient, personalisiert, skalierbar – unter diesem Dreiklang präsentierte Max Bachem, CEO und Mitgründer des FinTechs Xaver, auf der Handelsblatt Jahrestagung „Zukunft Retail Banking 2025“ seine Vision eines KI-basierten Omnikanalvertriebs. Sein Vortrag war nicht nur theoretisch, sondern wurde zum Live-Erlebnis: Gemeinsam mit einem täuschend echt wirkenden KI-Avatar führte Bachem einen Dialog, der das Potenzial intelligenter virtueller Vertriebsmitarbeiter anschaulich demonstrierte – sogar mehrsprachig.

Xaver versteht sich als Anbieter einer vollständig KI-nativen Omnikanal-Vertriebsplattform für Vorsorge- und Investmentprodukte. Ziel ist es, Finanzinstitute in die Lage zu versetzen, ihre Vertriebsprozesse radikal effizienter und gleichzeitig deutlich kundenorientierter zu gestalten. Laut Bachem sind 65 Prozent Zeitersparnis im Vertrieb und eine Verzehnfachung der Vertriebskapazitäten realistisch. Die Idee: KI-Mitarbeiter übernehmen große Teile des Beratungsgesprächs – von der Erstansprache über die Bedarfserhebung bis zur Empfehlung passender Produkte. Der Kunde kann dabei sogar den Avatar eines ihm bekannten Mitarbeiters sehen, was die Vertrauensbildung erleichtern soll.

Im Zentrum des Konzepts steht eine klare Trennung von Aufgaben: Während der KI-Berater rechtskonform, erklärbar und in Echtzeit agiert, bleibt die Tür zur persönlichen Beratung immer offen. 70 bis 80 Prozent der Kunden wollen irgendwann mit einem menschlichen Berater sprechen – doch dieser Termin ist dann durch die KI-gestützte Vorarbeit bereits bestens vorbereitet. Bachem bezifferte die durchschnittliche Verkürzung solcher Gespräche auf bis zu 50 Prozent bei gleichzeitig höherer Konversionsrate.

Ein weiterer zentraler Aspekt ist die integrierte Compliance. Die Xaver-Plattform setzt auf einen Mix aus Large Language Models und erklärbarer KI, eingebettet in branchenspezifische Regelwerke. So können nicht nur konkrete Produktempfehlungen, sondern auch vollständige Portfolioanalysen und Konstruktionen rechtskonform abgebildet werden – mit extrem niedriger Latenz in der Sprachinteraktion. Die Lösung ist „compliance-by-design“ aufgebaut und adressiert regulatorische Anforderungen von Anfang an.

Xaver positioniert sich damit nicht nur als Technologieanbieter, sondern als Enabler neuer Geschäftsmodelle im Finanzvertrieb. Die White-Label-Lösungen des Unternehmens ermöglichen es Banken, innerhalb weniger Wochen marktfähige digitale Angebote zu schaffen – inklusive Backend für Asset Management, MCP-ready. Durch die Kombination aus Vertriebsplattform und Produktkompetenz wird ein End-to-End-Ansatz geboten, der auch Embedded Finance Anwendungen denkbar macht.

Max Bachem hat mit Xaver ein Angebot vorgestellt, das Digitalisierung und persönliche Nähe nicht als Gegensatz, sondern als Symbiose denkt. Die KI ist hier kein Ersatz für den Menschen, sondern ein intelligenter Partner im Vertrieb – und vielleicht bald ein vertrautes Gesicht in der digitalen Filiale.

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TikTok als Talentschmiede – Social Media als Recruitingkanal der Zukunft?

Von Dr. Oliver Everling | 2.Juli 2025

Die Sparkasse Dortmund wagt sich auf neues Terrain – und das mit beachtlichem Erfolg. In seinem Vortrag auf der Handelsblatt Jahrestagung „Zukunft Retail Banking 2025“ berichtete Sebastian Junker, Privatkundenvorstand der Sparkasse Dortmund, über die Nutzung von TikTok als Instrument zur Ansprache junger Talente. Auch wenn TikTok nicht die inhaltlich stärkste Reichweite biete, sei die Plattform aus strategischer Sicht ein relevanter Baustein im Employer Branding geworden.

Junker schilderte offen, dass die Resonanz auf TikTok „online gut, offline durchwachsen“ sei. Dennoch überwiegen für ihn die Chancen: Sichtbarkeit, Interaktion in Echtzeit und die Möglichkeit, Markenbindung dort aufzubauen, wo sich die Generation Z informiert und austauscht. Mit über 537.000 Videoaufrufen, mehr als 5.100 Profilaufrufen und über 6.600 Likes allein im letzten Monat zeigen die Zahlen, dass das Experiment Früchte trägt. Dabei setzt die Sparkasse auf ein multiprofessionelles Team: Die Unternehmenskommunikation koordiniert, eine externe Agentur unterstützt, ein Social-Media-Manager steuert – und die Inhalte stammen zum großen Teil direkt von den Auszubildenden der Sparkasse selbst, die als Content Creators aktiv sind.

Gerade dieser authentische Zugang ist entscheidend, um auf TikTok nicht als verstaubte Institution, sondern als attraktive Arbeitgeberin aufzutreten. Die Herausforderung liegt laut Junker in der Balance zwischen Authentizität und Professionalität – eine Gratwanderung, die auch durch den Umgang mit wechselnden Trends und die Begrenztheit der internen Ressourcen zusätzlich erschwert wird. Doch wer diese Dynamik strategisch klug nutzt, kann Vertrauen in die Marke Sparkasse aufbauen und gleichzeitig Bewerbungen auslösen.

Kritik aus dem Kundenbereich gab es bislang nicht – wenn überhaupt, dann Rückmeldungen aus dem Inneren der Organisation, in denen sich die traditionelle Sparkassenkultur noch mit der neuen Kommunikationsrealität anfreundet. Der Austausch mit benachbarten Volksbanken zeigt jedoch: Die Branche bewegt sich. TikTok mag nicht der universelle Hebel sein – aber es ist ein Kanal mit Potenzial, wenn er ernst genommen, gut orchestriert und als Teil einer breiteren Social-Media-Strategie gedacht wird.

Der Vortrag von Sebastian Junker macht deutlich: Wer junge Talente erreichen will, muss sich dahin bewegen, wo diese Talente ihre Aufmerksamkeit bündeln. TikTok ist kein Selbstzweck – aber ein Türöffner für Gespräche, Sichtbarkeit und möglicherweise den nächsten Auszubildenden. Recruiting wird zunehmend zur Kommunikationsaufgabe – und diese beginnt nicht erst bei der Stellenanzeige, sondern beim ersten Swipe.

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Vom Taschengeld bis zur Rente: Finanzbildung als lebenslanger Begleiter

Von Dr. Oliver Everling | 2.Juli 2025

Finanzwissen ist keine Frage des Alters – das war der gemeinsame Nenner der Diskussionsrunde „Vom Taschengeld bis zur Rente: Finanzbildung als lebenslanger Begleiter“ auf der Handelsblatt Jahrestagung „Zukunft Retail Banking 2025“. Jan-Erik Burkard (VR Bank RheinAhrEifel), Selina Haupt (moneten) und Dr. Sally Peters (iff – Institut für Finanzdienstleistungen) diskutierten unter der Moderation von Prof. Dr. Christiane Weiland, wie Finanzbildung zielgerichtet, praxisnah und digital für verschiedene Zielgruppen vermittelt werden kann.

Dr. Sally Peters kritisierte gleich zu Beginn die unzureichende Verankerung des Themas im Schulunterricht. Einmalige Projektwochen mit 15 Jahren reichten nicht aus, um junge Menschen auf die finanziellen Herausforderungen des Lebens vorzubereiten. Es gehe nicht nur darum, den Umgang mit Geld zu lernen, sondern auch darum, Informationen einordnen zu können – gerade in einer Welt, in der Finanzentscheidungen zunehmend digital getroffen werden. Für Peters ist klar: Finanzbildung beginnt zwar früh, muss aber als kontinuierlicher Prozess gedacht werden, der bis ins hohe Alter reicht. Besonders vulnerable Gruppen – etwa Menschen mit geringem Einkommen oder in instabilen Lebensverhältnissen – bräuchten gezielte Angebote, die ihre Lebensrealität berücksichtigen.

Jan-Erik Burkard berichtete aus der Praxis einer Genossenschaftsbank. In seinem Geschäftsgebiet habe die VR Bank RheinAhrEifel mit rund 40 Schulen Kooperationsverträge geschlossen, die auch Bildungsvorträge umfassen. Dafür erhält die Bank keine Bezahlung – es ist Teil ihres genossenschaftlichen Selbstverständnisses. Burkard betonte, dass man aktiv auf die Schulen zugehe, um junge Menschen frühzeitig mit Finanzthemen in Kontakt zu bringen. Neben klassischen Themen wie Kontoeröffnung oder Budgetplanung gehe es auch um das Genossenschaftswesen selbst – als Wertefundament, das Verantwortung, Solidarität und Mitbestimmung vermittelt. Für Burkard ist die Verbindung von regionaler Identität, Kommunikation und Bildung ein zentrales Element seiner Arbeit.

Selina Haupt, Mitgründerin des FinTechs moneten, stellte die Bedeutung digitaler, interaktiver und zielgruppenspezifischer Ansätze in den Mittelpunkt. Für sie beginnt effektive Finanzbildung bei der Vermittlung grundlegender Konzepte, etwa Sparen, Investieren oder Konsumverzicht. Doch es gehe um mehr: lebenslanges Lernen, angepasst an Lebensphasen wie Berufseinstieg, Familiengründung oder Ruhestand. Ihr Unternehmen verfolgt einen Journey-basierten Ansatz, der Nutzerinnen und Nutzer dort abholt, wo sie stehen – mit verständlicher Sprache, personalisierten Lernpfaden und konkreten Handlungsempfehlungen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Schließung finanzieller Gender Gaps. Finanzwissen solle nicht belehren, sondern befähigen und Selbstvertrauen schaffen.

Alle drei Diskutierenden waren sich einig: Finanzbildung muss niederschwellig, alltagsnah und kanalübergreifend erfolgen. Dabei kommt digitalen Tools eine zentrale Rolle zu. Interaktive Lernplattformen, Banking-Apps mit integrierten Bildungsmodulen oder spielerische Formate wie Gamification können helfen, Wissen nachhaltig zu verankern. Wichtig sei, dass Banken nicht nur informieren, sondern den Bezug zur eigenen Produktwelt herstellen – ohne in platte Werbung abzurutschen. Wenn etwa eine Bank in der App erklärt, was ein ETF ist, und zugleich einen passenden Sparplan anbietet, sei das im besten Fall eine sinnvolle Verbindung von Bildung und Produkt.

Die Diskussion zeigte deutlich: Finanzbildung endet nicht mit der Volljährigkeit – sie ist ein lebenslanger Prozess, der sich an der Biografie und den Bedürfnissen der Menschen orientieren muss. Von der ersten Spardose über das erste Gehalt bis hin zur Altersvorsorge – wer Finanzbildung ernst nimmt, begleitet seine Kundinnen und Kunden über Jahrzehnte. Und leistet damit einen Beitrag, der weit über die Bilanz hinausgeht.

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MOONROC Retail Banking Kompass 2025: Zeitenwende im digitalen Verdrängungswettbewerb

Von Dr. Oliver Everling | 2.Juli 2025

Auf der Handelsblatt Jahrestagung „Zukunft Retail Banking 2025“ stellte Dr. Torsten Stuska, Managing Partner von MOONROC Advisory Partners, die aktuellen Ergebnisse des MOONROC Retail Banking Kompass 2025 vor – Deutschlands größter Bankenstudie. In einem ebenso pointierten wie faktenreichen Vortrag präsentierte Stuska zentrale Trends, Herausforderungen und strategische Optionen für Banken im Zeitalter nach der Zinswende.

Die Studie zeigt, dass der lange Zeit totgeglaubte Zinsüberschuss den Banken in den vergangenen zwei Jahren ein beispielloses Ertragswachstum beschert hat. Institute wie DKB, ING, Commerzbank oder auch einige Sparkassen konnten ihre Zinserträge teils drastisch steigern. Besonders auffällig ist die DKB, der mit einem Zuwachs von 98 Prozent eine nahezu Verdopplung ihrer Bankerträge gelang. Für Stuska ist klar: Fast jeder Aufstieg jeder Bank kommt aus dem Zinsüberschuss. Der Rückenwind aus der geldpolitischen Wende sei jedoch endlich – und wer ihn nicht genutzt habe, könne den Rückstand kaum noch aufholen. Banken wie Deutsche Bank, HVB oder Santander hätten strategische Chancen verpasst – Fehler, die nicht mehr korrigierbar seien.

Mit dem absehbaren Ende des „free lunch“ durch Zinserträge rückt die Frage nach neuen, margenträchtigen Ertragspools in den Vordergrund. Das Massengeschäft allein reicht nicht mehr aus – Banken müssen sich neu ausrichten. Im Fokus stehen affluente Kundengruppen, also vermögendere Privatkunden, die sowohl im Aktiv- als auch im Passivgeschäft überdurchschnittliches Ertragspotenzial bieten. Gleichzeitig bleibt eine andere Gruppe höchst attraktiv: die passiven Bestandskunden, die zwar selten wechseln, aber dennoch stabile Erträge liefern. Gerade Kunden über 55 Jahre seien extrem treu – nur jeder Zwanzigste plant einen Kontowechsel. Wer diese Loyalität pflegt und gezielt anspricht, kann daraus langfristig Kapital schlagen.

Ein zentrales Thema des Kompasses ist die digitale Kundenschnittstelle – und hier verschärft sich der Wettbewerb deutlich. Zwar sind viele Kunden mit einfachen Banking-Apps zufrieden, doch die Zukunft gehört laut MOONROC den hochintegrierten Super-Apps. Klassische Institute drohen den Anschluss zu verlieren, während digitale Wettbewerber – teils international wie Revolut oder Nubank – bereits Zweitdepots und Zusatzservices bei jungen und digital affinen Kunden etablieren. Die Sparkassen verlieren im Wertpapiergeschäft weiter Marktanteile, profitieren allerdings noch von hohem Vertrauen und Kundenträgheit. Der Trend ist jedoch eindeutig: Die Kundenschnittstelle wird zum Spielfeld eines digitalen Verdrängungswettbewerbs.

Technologisch verschieben sich die Kräfteverhältnisse zunehmend zugunsten der großen Plattformanbieter. Banken müssen sich mehr und mehr den Spielregeln von BigTechs und Technologiepartnern unterordnen. Stuska spricht von einer Ära der „smarten Abhängigkeit“, in der Technologieanbieter Takt und Tempo vorgeben – vom Cloudbetrieb über App-Entwicklung bis zur KI-gestützten Kundeninteraktion. Die Banken, die sich proaktiv als Orchestratoren intelligenter Services aufstellen, könnten sich hier strategische Vorteile verschaffen.

Ein weiterer Befund des MOONROC Kompasses betrifft die zunehmende Marktkonzentration: Fusionen reduzieren die Zahl der Kreditinstitute, während die verbleibenden Institute an Bilanzsumme, Skaleneffekten und Marktmacht gewinnen. „Big is beautiful“, lautet eine der Thesen – unterfüttert durch Entwicklungen der letzten Jahre. In dieser neuen Landschaft kommt es auf klare, segmentierte Strategien an. MOONROC beschreibt das als „The Gameplay 2025“ – ein Spiel, das nicht mehr nach alten Regeln funktioniert. Ob durch Cherry-Picking bei hochprofitablen Produkten oder differenziertes Kundenmanagement im Vermögensaufbau: Banken müssen den Modellwechsel aktiv gestalten.

Fazit des Retail Banking Kompass 2025: Die Zinswende hat den Banken Luft verschafft – doch die wahre Herausforderung beginnt jetzt. Erträge entstehen nicht mehr durch Masse, sondern durch intelligente Positionierung, digitale Stärke und strategische Fokussierung. Die Zeit des passiven Mitlaufens ist vorbei. Wer bestehen will, muss aktiv gestalten.

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Von der Nische zum Mainstream: Wie ETFs und digitale Angebote den Vermögensaufbau neu definieren

Von Dr. Oliver Everling | 1.Juli 2025

In der Diskussionsrunde „Mit wenigen Klicks zum Vermögensaufbau: Von der Nische zum Mainstream?“ auf der Handelsblatt Jahrestagung „Zukunft Retail Banking 2025“ diskutierten Christian Bimüller (BlackRock), Katharina Lüth (Raisin) und Dr. Gabriele Widmann (DekaBank) unter der Moderation von Prof. Dr. Christiane Weiland (DHBW Karlsruhe) über die veränderten Rahmenbedingungen und Perspektiven für den Vermögensaufbau in Zeiten digitaler Selbstbestimmung und wachsender Produktvielfalt.

Im Zentrum der Diskussion standen ETFs – börsengehandelte Indexfonds – als Paradebeispiel für ein Produkt, das den Nerv der Zeit trifft. Für Dr. Gabriele Widmann sind ETFs „klassische Selbstentscheider-Produkte“, die nicht nur im Privatkundengeschäft, sondern auch im institutionellen Bereich stetig an Bedeutung gewinnen. Die einfache Struktur, geringe Kosten und hohe Transparenz haben sie zu einem bevorzugten Mittel der Kapitalanlage gemacht. Gleichzeitig äußerte sie Bedenken über die wachsende Dominanz passiver Produkte, da diese Informationen nicht aktiv verarbeiten und Marktineffizienzen nicht ausgleichen können.

Christian Bimüller von BlackRock widersprach dem direkt – für ihn steht das Vehikel ETF nicht zwingend im Gegensatz zu aktiven Strategien. Vielmehr könnten ETFs auch Teil aktiv gemanagter Lösungen sein. Er hob die Wandelbarkeit, steuerlichen Vorteile und Transparenz des Produkts hervor. Auch in der Honorarberatung sei das Management von ETF-Portfolios längst etabliert. Für Bimüller ist klar: „Wir stehen erst am Anfang dieser Entwicklung.“ Insbesondere jüngere Kundinnen und Kunden würden durch ETFs überhaupt erst den Zugang zum Kapitalmarkt finden – einfach, verständlich und vertrauenswürdig.

Katharina Lüth, Chief Client Officer bei Raisin, betonte die Bedeutung von Kosten als Renditetreiber. Digitale Modelle ohne persönliche Beratung und mit schlanker Kostenstruktur könnten ETFs einem breiteren Publikum zugänglich machen. Die Pandemie habe dabei als Beschleuniger gewirkt – viele Menschen, die sich zuvor nicht mit digitalen Anlageformen beschäftigt hätten, seien in dieser Zeit in Online-Modelle eingestiegen. Lüth beschrieb unterschiedliche Kundengruppen: Von Skeptikern, die dennoch an der Marktentwicklung teilhaben wollen, bis hin zu Digital Natives, die ganz selbstverständlich mit ETF-Sparplänen starten – ohne je in eine Bankfiliale gegangen zu sein.

Ein weiteres Thema war das Spannungsverhältnis zwischen Self-Directed Investing und persönlicher Beratung. Während Bimüller den Trend zur Eigenverantwortung unterstreicht, sieht Lüth weiterhin eine Nachfrage nach Orientierung – nicht notwendigerweise durch klassische Beratung, aber durch kuratierte Angebote und digitale Hilfestellungen. Dr. Widmann warnte davor, die Rolle der Beratung vorschnell abzuschreiben – gerade bei langfristigen Entscheidungen oder bei hoher Komplexität spiele sie weiterhin eine zentrale Rolle.

Auch Kryptowährungen wurden diskutiert – allerdings mit deutlich mehr Zurückhaltung. Widmann sieht hier eine kleine, renditegetriebene Klientel, die hohe Risiken bewusst in Kauf nimmt. In der langfristigen Vermögensplanung spiele Krypto bislang nur eine marginale Rolle. Auch Lüth bestätigte, dass Raisin wenig Nachfrage in diesem Bereich sehe – als Beimischung sei es denkbar, für ein tragfähiges Portfolio aber kaum entscheidend.

Zum Abschluss betonte Bimüller noch einmal die Relevanz von breiter Diversifikation, während Widmann daran erinnerte, dass Aktien langfristig die höchsten Renditeerwartungen bieten – ein hoher Aktienanteil sei daher auch für junge Menschen sinnvoll. Einigkeit herrschte in einem Punkt: Bildung ist der Schlüssel. Banken und Finanzdienstleister müssten mehr tun, um finanzielle Bildung in den Alltag zu integrieren – niedrigschwellig, digital, zielgruppengerecht.

Die Diskussionsrunde zeigte: Der Vermögensaufbau befindet sich im Wandel – weg von elitären Produkten, hin zu offenen Plattformen, die es jedem ermöglichen, mit wenigen Klicks zu investieren. ETFs sind dabei nicht nur Finanzprodukte, sondern Symbole einer neuen Anlagementalität: transparent, selbstbestimmt, digital – und zunehmend alltäglich.

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Cognitive Banking: Mit Künstlicher Intelligenz zu mehr Relevanz und Kundenbindung

Von Dr. Oliver Everling | 1.Juli 2025

Thomas Friedrichkeit, Head of Sales DACH bei Personetics, eröffnete seinen Vortrag auf der Handelsblatt Jahrestagung mit einer eindringlichen Erkenntnis: „Wir sind bei einem Prozent Digitalisierung angekommen, 99 Prozent haben wir noch vor uns.“ Mit über 25 Jahren Erfahrung in Banken und Banksoftware, davon zehn Jahre in London, leitet der Österreicher seit Anfang 2025 das Business Development bei Personetics, einem führenden Anbieter im Bereich „Cognitive Banking“.

In seinem Beitrag mit dem Titel „Cognitive Banking – Wie 150 Millionen Bankkunden monatlich 1,2 Milliarden relevante Insights bekommen“ gab Friedrichkeit Einblicke in die aktuelle Entwicklung und die Möglichkeiten der datengestützten Personalisierung im Finanzsektor. Personetics betreibt eine Plattform, die bereits von über 100 Banken in mehr als 30 Ländern genutzt wird. Sie verknüpft „Financial Wellbeing“ mit „Need-Based Digital Upsell“ und bietet damit eine KI-gestützte Customer Experience, die sowohl aktuelle als auch zukünftige Kundenbedürfnisse analysiert und bedient.

Friedrichkeit betonte, dass der Finanzsektor einer massiven Disruption unterliegt. Das veränderte Verhalten der Konsumenten zwinge Banken zu Innovationen – oder sie würden vom Markt verdrängt. Studien belegen diese Dynamik: So haben in den letzten zwölf Monaten 59 Prozent der Bankkunden ein Finanzprodukt von einem neuen Anbieter erworben, bei der Generation Z sind es sogar 82 Prozent. Gleichzeitig planen 13 Prozent der Privatkunden, innerhalb eines Jahres ihre Bank zu wechseln.

Diese Entwicklungen werden unter anderem durch den Aufstieg der Neobanken und den regulatorischen Rahmen von Open Banking (etwa durch PSD2) befeuert. Gleichzeitig stellen alte Legacy-Systeme eine große Herausforderung dar und erschweren Innovationen. Hier setzt „Cognitive Banking“ an: Mithilfe von Künstlicher Intelligenz analysieren die Systeme Kundentransaktionen in Echtzeit, erstellen ein detailliertes Kundenprofil und erkennen sowohl gegenwärtige als auch zukünftige Bedürfnisse. Darauf basieren gezielte, bedarfsgerechte Maßnahmen, die Kunden personalisiert und kanalübergreifend angeboten werden.

Die Personetics-Plattform ermöglicht es Banken, „actionable insights“ zu generieren – also umsetzbare Erkenntnisse, die echten Mehrwert bieten und das Engagement der Kunden fördern. Vorgefertigte interaktive Funktionen erleichtern die Umsetzung dieser Strategien und helfen Banken dabei, Kunden besser zu verstehen und individuell zu bedienen.

Fazit von Friedrichkeit: Trotz erster Erfolge stehe die Branche erst am Anfang der Digitalisierung. Nur wer jetzt auf innovative, datengetriebene und kundenorientierte Lösungen setzt, kann im Wettbewerb bestehen und die Zukunft des Bankings aktiv mitgestalten.

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Perspektiven auf das Banking von morgen – Drei Stimmen zur Zukunft der Branche

Von Dr. Oliver Everling | 1.Juli 2025

Im Rahmen der Handelsblatt Jahrestagung „Zukunft Retail Banking 2025“ traten nicht nur CEOs großer Banken auf, sondern auch Vordenkerinnen und Strategen, die im Hintergrund die kulturelle und technologische Transformation der Branche gestalten. In drei separaten Interview-Formaten – Fireside Chat, Thesen-Talk und Best Practice – gaben Holger Sachse (Boston Consulting Group), Bianca Zwart (bunq) und Meike Keber (TARGOBANK) jeweils tiefgreifende Einblicke in ihre Perspektiven auf den Wandel des Bankings. Ihre Beiträge verdeutlichten, dass Banking heute weit über Produkte und Prozesse hinausgeht – es geht um Haltung, Kultur und Vertrauen.

Im Fireside Chat sprach Holger Sachse, Managing Director & Partner bei The Boston Consulting Group, über das neue Kundenverhalten und die sich verändernden Marktmechanismen. Für ihn ist klar: Das Wechselverhalten der Bankkundschaft hat sich nachhaltig verändert. Kunden seien nicht mehr so träge wie früher – sie sind neugieriger, kritischer und deutlich offener gegenüber Innovationen. Nicht zwangsläufig werde heute die Hauptbankverbindung gewechselt, wohl aber einzelne Produkte – insbesondere wenn sie relevant, digital und einfach zugänglich sind. Das erklärt laut Sachse auch, warum einige Neobanken wieder vom Markt verschwunden sind: Es fehle ihnen schlicht an einem echten Mehrwert. Innovation sei eben nur dann erfolgreich, wenn sie sichtbar, spürbar und gut kommuniziert sei. Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal erfolgreicher Fintechs sei heute ihre Marketingstärke.

Sachse analysierte zudem die aktuelle Marktdynamik aus internationaler Perspektive: Deutschland sei aufgrund seines hohen Einlagenvolumens ein besonders attraktiver Markt für ausländische Banken. Die Offensive der spanischen BBVA mit 3 % Tagesgeldzins wertet er nicht als kurzfristige Lockaktion für „Zinshopper“, sondern als gezielten Versuch, Einlagen strukturell aus Deutschland abzuziehen. Dass BBVA beispielsweise nicht ins Baufinanzierungsgeschäft einsteige, sei strategisch sinnvoll – denn dies würde den Vorteil der leichten Mobilisierung von Einlagen aushebeln. Sachse sieht einen klaren Trend zur Verlagerung der Kostenstrukturen: In Brasilien oder China erledigen viele Menschen Bankgeschäfte längst nicht mehr in der Banking-App, sondern über Chat-Plattformen wie WhatsApp oder WeChat. Diese Entkopplung vom klassischen Interface werde auch Europa erreichen. Seine These: Die Bank der Zukunft wird in ihrer Architektur viel fluider und ihre Kostenbestandteile radikal verschoben sein.

Eine andere, aber nicht weniger visionäre Perspektive bot Bianca Zwart, Chief Strategy Officer der niederländischen Neobank bunq, in einem separaten Thesen-Interview. Ihre Mission ist es, bunq zu einer globalen Bank zu machen, die Menschen wirklich gern nutzen. Das zentrale Prinzip: „User first“. Für Zwart bedeutet das nicht nur gute Usability, sondern ein tiefes Verständnis dafür, wie, wo und warum sich das Leben ihrer Nutzer verändert – sei es durch einen Umzug, einen Jobwechsel oder eine neue Lebensphase. Genau dort will bunq präsent sein. Als Bank für Expats, Vielreisende und digitale Nomaden verfolgt bunq einen konsequent internationalen Ansatz. Live, love, work across countries – dieser Leitsatz spiegelt sich in jedem Aspekt des Produktdesigns.

Zwart betonte, dass Nutzerfeedback bei bunq nicht nur erwünscht, sondern integraler Bestandteil der Produktentwicklung sei. Marktakzeptanz werde nicht durch Marktforschung simuliert, sondern durch reale Nutzung getestet. Gleichzeitig zeigte sie ein hohes Maß an Pragmatismus: In Deutschland etwa bleibe Bargeld trotz aller Digitalisierung „King“ – entsprechend passe sich bunq dem Verhalten seiner Nutzer an. Zwart beschrieb auch die Herausforderungen eines globalen Angebots: Die Regulierungslandschaften in Europa seien noch immer extrem heterogen. Was für Kunden unsichtbar bleibe, sei für Banken ein immenser Koordinationsaufwand. Dennoch sei es machbar – wenn die Perspektive stimmt: nicht vom Produkt, sondern vom Nutzer aus denken. Ihre Rolle als Chief Strategy Officer umfasst bei bunq auch die Verantwortung für PR, Kommunikation und User Operations – ein Zeichen dafür, wie eng Strategie, Marke und Kundeninteraktion bei bunq verzahnt sind.

Einen sehr praxisnahen und zugleich kulturell fundierten Blick auf die Transformation des Bankings gewährte Meike Keber, B2C Transformation Lead der TARGOBANK, in ihrem Best Practice Interview. Sie sprach nicht über aktuelle Akquisitionen wie die Übernahme der OLB – sondern über das, was eine erfolgreiche Transformation im Kerngeschäft ausmacht: Struktur, Haltung und kulturelle Führung. Die TARGOBANK, traditionell stark im Konsumentenkredit verankert, befindet sich aktuell auf dem Weg von einem Monoliner zu einer Universalbank. Keber sprach von „vielen parallelen Wachstumspfaden“: Die Erweiterung des Angebots um Baufinanzierung, die Integration von Gruppenleistungen wie Versicherungen, der Markteintritt in Österreich über Check24, aber auch neue Vertriebspartner wie Joe Broker.

Diese Transformation sei nur durch eine klare Governance möglich: mit Roadmaps, Dashboards, einem Purpose Office und einem dedizierten B2C Management Team. Transformation dürfe kein Zufallsprodukt sein, sondern müsse bewusst priorisiert und gesteuert werden. Dabei betonte Keber vor allem die kulturelle Seite des Wandels. Ihr Bild: Die TARGOBANK sei heute eher ein Monokultur-Wald – das Ziel sei ein diverser Mischwald. Das bedeute nicht nur mehr Produktvielfalt, sondern auch eine veränderte Denkweise. Transformation brauche Begleitung – systemisch, psychologisch, menschlich. Ihre akademische Herkunft aus der Wirtschafts- und Positiven Psychologie spiegelt sich in ihrem Führungsstil wider: Veränderung beginne im Kopf, nicht im System. Sie zog die Analogie zum deutschen Wald – fragmentiert, aber zunehmend datengetrieben bewirtschaftet. So müsse auch eine Bank heute denken: komplex, langfristig, wachstumsfähig.

Drei Stimmen, drei Perspektiven – und doch ein gemeinsames Ziel: Banking neu denken. Nicht aus Sicht von Produkten, sondern aus Sicht der Menschen, die sie nutzen. Nicht als reine Digitalisierung, sondern als Transformation im kulturellen, technologischen und strategischen Sinne. Die Gespräche mit Holger Sachse, Bianca Zwart und Meike Keber zeigten, wie vielfältig, anspruchsvoll und chancenreich dieser Wandel ist.

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Zwischen Zöllen, Schulden und Zinssorgen: Amerikas Wirtschaftspolitik vor dem Stresstest

Von Dr. Oliver Everling | 1.Juli 2025

Die vorübergehende Entspannung im Nahen Osten rückt wirtschaftspolitische Themen in den Fokus zurück, die zuletzt zu Unrecht in den Hintergrund getreten waren. Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt der FERI Gruppe, warnt insbesondere vor den Folgen einer zunehmend protektionistischen Handelspolitik der USA sowie einer fiskalischen und geldpolitischen Entwicklung, die Unsicherheit an den Finanzmärkten schürt. „Das generelle Zoll-Niveau auf US-amerikanische Importe wird letztlich mindestens dreimal so hoch sein wie vor dem Amtsantritt Trumps“, konstatiert Angermann. Daraus resultierten Risiken für die Preisstabilität: „Die absehbare unmittelbare Folge sind steigende Importpreise und damit wieder anziehende Inflationsraten.“ Zwar sei dies in den aktuellen Inflationsdaten noch kaum sichtbar, doch Angermann warnt: „Im Hintergrund droht Ungemach.“ Als Warnsignal verweist er auf den Anstieg der Preiskomponente des Einkaufsmanagerindex auf den höchsten Stand seit drei Jahren.

Auch fiskalpolitisch droht eine weitere Verschärfung. Sollte Trump erneut Präsident werden, will er pünktlich zum 4. Juli den „One Big Beautiful Bill Act“ unterzeichnen. Angermann sieht in dem Gesetzespaket eine Gefahr für die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen: „Die jährlichen Defizite des US-Haushalts werden aller Voraussicht nach auf jeden Fall groß bleiben – und den Schuldenstand weiter steigen lassen.“ Während die Aktienmärkte sich zunächst über die enthaltenen Steuersenkungen freuen dürften, erwartet er am Rentenmarkt eine gegenteilige Reaktion: „Ihre Kollegen am Rentenmarkt [dürften] auf die weiter erodierende Tragfähigkeit der staatlichen Verschuldung mit höheren Zinsforderungen für US-Staatsanleihen reagieren.“ Die Folgen höherer Zinsen seien bereits spürbar: „Man sieht es an der Entwicklung der Häusermärkte und der Bautätigkeit“, so Angermann. Auch die Konsumdaten signalisierten, „dass die Kauflaune der US-Amerikaner nicht mehr uneingeschränkt positiv ist.“

Vor diesem Hintergrund sieht Angermann die US-Notenbank Federal Reserve in einem Dilemma. „Mit Blick auf die absehbare Inflationsentwicklung verbieten sich Zinssenkungen, angesichts der voraussichtlichen Konjunkturentwicklung wären sie hingegen durchaus wünschenswert.“ Die Notenbanker hielten sich nach außen hin zwar beide Optionen offen, doch intern gebe es erbitterte Diskussionen darüber, „inwieweit man zollbedingte Inflationseffekte als ‚vorübergehend‘ ansehen soll – was den Weg zu Zinssenkungen frei machen könnte.“ Gleichzeitig werde die politische Unabhängigkeit der Fed zunehmend untergraben: „In aller Öffentlichkeit beschimpft der Präsident derweil den von ihm selbst eingesetzten Notenbankchef in einer Weise, die für die künftige Unabhängigkeit geldpolitischer Entscheidungen das Schlimmste befürchten lässt.“ Für Angermann ist klar: „Die Politisierung der Fed in den Diensten der MAGA-Bewegung hätte das Potenzial, die Kapitalmärkte ganz grundlegend zu erschüttern.“ Bereits die Andeutung, „knapp ein Jahr vor dem Ende der Amtszeit von Powell eine Art Schattenpräsidenten zu installieren, hat die Nervosität an den Märkten bereits steigen lassen.“

Angesichts dieser Entwicklungen rechnet Angermann nicht mit einer Ruhephase an den Märkten: „Eine echte Sommerpause ist an den US-Märkten eher nicht zu erwarten.“ Und weil die Vereinigten Staaten mit ihren Aktien, Staatsanleihen und ihrer Währung weiterhin global prägend seien, gilt dies laut Angermann „auch für Europa und andere Regionen weltweit.“

Themen: Aktienrating, Anleiherating, Länderrating | Kommentare deaktiviert für Zwischen Zöllen, Schulden und Zinssorgen: Amerikas Wirtschaftspolitik vor dem Stresstest

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