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Daniel Quinten fordert Regulierungspause und neue Ordnung für kleine Banken

Von Dr. Oliver Everling | 29.April 2025

Auf der Handelsblatt-Tagung „Bankenaufsicht 2025“ positionierte sich Daniel Quinten, Vorstandsmitglied des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), mit klaren Forderungen zur Zukunft der Regulierungspolitik. Seine zentrale Botschaft: Die Zeit sei gekommen, innezuhalten, Bestehendes zu überdenken und kleineren Banken ein angemessenes regulatorisches Umfeld zu schaffen.

Quinten forderte zunächst einen sofortigen Stopp für neue Regulierungsinitiativen. Angesichts der Flut an bereits bestehenden Vorgaben sei es nicht verantwortbar, weitere Vorschriften aufzusetzen, ohne die praktischen Auswirkungen und Wechselwirkungen ausreichend verstanden zu haben. Statt regulatorisch immer weiter „draufzusatteln“, müsse die Politik eine Phase des Innehaltens einleiten. Banken brauchen Verlässlichkeit und Planbarkeit, nicht ständig neue Regeln, die Ressourcen binden und operative Prozesse belasten.

Seine zweite Forderung zielte auf eine umfassende Bestandsaufnahme der bisherigen Regulierungslandschaft. Es müsse alles, was derzeit in Kraft ist, systematisch geprüft werden – auf Konsistenz, Wirksamkeit und Umsetzbarkeit. Dabei gelte es, Widersprüche und Überschneidungen zu identifizieren, die in der Praxis für Frustration sorgen und Effizienz verhindern. Quinten sprach sich ausdrücklich für eine kritische Analyse bestehender Regelwerke aus, statt sie als gegeben hinzunehmen. Es gehe nicht darum, Regeln einfach abzuschaffen, sondern sie besser aufeinander abzustimmen und praktikabler zu gestalten.

Besonders nachdrücklich betonte Quinten den Reformbedarf beim Ordnungsrahmen für kleinere Institute. Der aktuelle Regulierungsrahmen sei zu sehr an großen, komplexen Banken ausgerichtet. Für regional verankerte Kreditinstitute wie Volksbanken und Raiffeisenbanken brauche es ein eigenes, angemessenes System.

In diesem Zusammenhang verwies er auf das bewährte Lamfalussy-Verfahren mit seinem dreistufigen Ansatz: strategische Rahmensetzung auf Ebene 1, technische Ausarbeitung auf Ebene 2 und Umsetzung auf Ebene 3. Dieses Modell könne helfen, Regulierung differenzierter und zielgerichteter zu gestalten, etwa durch eine proportionale Anwendung für kleinere Banken. Es gehe nicht um Privilegierung, sondern um Verhältnismäßigkeit – eine Aufsicht, die Aufwand und Risiko in ein sinnvolles Gleichgewicht bringe.

Ein zentraler Widerspruch in der aktuellen Regulierung betrifft die Offenlegungspflichten von Genossenschaftsbanken: Obwohl diese Institute nicht börsennotiert sind und keinen Zugang zum Kapitalmarkt suchen, unterliegen sie nahezu denselben umfangreichen Transparenz- und Berichtspflichten wie kapitalmarktorientierte Banken. Das führt zu einem unverhältnismäßigen bürokratischen Aufwand, der insbesondere kleinere Häuser stark belastet, ohne dass daraus ein klarer Mehrwert für Marktteilnehmer oder Aufsicht entsteht. Die regulatorische Gleichbehandlung völlig unterschiedlicher Geschäftsmodelle verfehlt hier ihren Zweck und widerspricht dem Prinzip der Proportionalität, das eigentlich einen angemessenen Umgang mit unterschiedlichen Risikoprofilen und Marktrollen ermöglichen sollte.

Jahr für Jahr verschwinden rund 50 Genossenschaftsbanken vom Markt – nicht etwa aus wirtschaftlicher Schwäche, sondern weil sie den ständig wachsenden regulatorischen Anforderungen nicht mehr gewachsen sind. Dieser schleichende Rückzug ist weniger das Ergebnis eines strukturellen Wandels als vielmehr einer Überregulierung, die insbesondere kleine und mittelgroße Institute zunehmend überfordert. Die Fixkosten der regulatorischen Umsetzung steigen kontinuierlich, und viele Banken sehen sich gezwungen, in Fusionen aufzugehen, um Skaleneffekte zu erzielen und dem wachsenden bürokratischen Druck standzuhalten. Damit droht ein wichtiger Teil der regionalen Finanzinfrastruktur verloren zu gehen – zum Nachteil des Mittelstands, der ländlichen Räume und der Vielfalt im deutschen Bankensystem.

In Ländern wie den USA, dem Vereinigten Königreich oder Singapur ist längst gelebte Praxis, dass große und kleine Banken unterschiedlich reguliert werden – mit maßgeschneiderten Anforderungen, die den jeweiligen Geschäftsmodellen und Risikoprofilen gerecht werden. Diese differenzierte Herangehensweise ermöglicht es kleineren Instituten, effizient zu arbeiten, ohne Abstriche bei der Stabilität zu machen. Daniel Quinten betont, dass es ihm keineswegs um die Aufgabe des europäischen Single Rulebook gehe – im Gegenteil: Dieses einheitliche Regelwerk sei wichtig für Kohärenz und Vergleichbarkeit. Was es jedoch zusätzlich brauche, sei ein „Second Single Rulebook“, das speziell auf kleinere Banken zugeschnitten ist. Dieses zweite Regelwerk solle nicht weniger anspruchsvoll, keine „Regulierung Light“, aber deutlich praktikabler sein und die Besonderheiten regionaler, nicht-kapitalmarktorientierter Institute besser berücksichtigen.

Daniel Quinten, der seit Januar 2022 dem BVR-Vorstand angehört und über langjährige Erfahrung in der Aufsicht, Beratung und Prüfung von Banken verfügt, brachte in seinem Vortrag die Perspektive einer Bankengruppe ein, die besonders stark von übermäßiger und unspezifischer Regulierung betroffen ist. Mit seinem Appell plädierte er nicht für weniger Aufsicht, sondern für klügere und effektivere Regeln – und damit für eine Finanzarchitektur, die Vielfalt im Bankensektor nicht nur zulässt, sondern aktiv ermöglicht.

Themen: Bankenrating | Kommentare deaktiviert für Daniel Quinten fordert Regulierungspause und neue Ordnung für kleine Banken

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