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Deutschlands Hausaufgaben unerledigt

Von Dr. Oliver Everling | 6.Mai 2025

Wenn die neue Bundesregierung ihre Arbeit aufnimmt, steht sie vor einer ernüchternden wirtschaftlichen Realität: „Auch im laufenden Jahr wird die Wirtschaftsleistung aller Voraussicht nach nicht wachsen“, konstatiert Axel Angermann, Chef-Volkswirt der FERI Gruppe. Damit würde das Jahr 2025 das sechste Jahr in Folge ohne wirtschaftliches Wachstum markieren. Die deutsche Wirtschaft stagniert auf dem Niveau von Ende 2019, also vor der Corona-Pandemie. Besonders problematisch ist dabei die Entwicklung der Industrie. „Die Industrieproduktion befindet sich seit Ende 2017 in einem ausgeprägten Abwärtstrend“, erklärt Angermann. Aktuell liege sie „mehr als 15 Prozent unter dem damals erreichten Wert“. Der Fahrzeugbau sei besonders betroffen und habe „Einbußen von mehr als einem Viertel“ verzeichnet. Besserung sei nicht in Sicht – im Gegenteil: „Die deutsche Industrieproduktion wird deshalb im laufenden Jahr erneut um mehr als ein Prozent schrumpfen.“

Als Belastungsfaktor sieht Angermann unter anderem die drohenden protektionistischen Maßnahmen aus den USA. „Die von US-Präsident Donald Trump angedrohten Zölle belasten die exportorientierte Industrie auf verschiedene Art und Weise.“ Einerseits würden die Exporte in die USA betroffen sein, andererseits verschärfe sich der Wettbewerb mit Anbietern aus Asien sowohl im Inland als auch auf Drittmärkten. Zudem käme aus den USA ein zusätzlicher negativer Impuls, „falls die dortige Wirtschaftslage sich deutlich eintrübt“, was sich bereits andeute.

Vor diesem Hintergrund fallen Angermanns Erwartungen an die neue Bundesregierung hoch aus – der Koalitionsvertrag aber enttäuscht: „Der große Wurf, von dem ein deutliches Aufbruchsignal ausgehen könnte, ist es nicht geworden.“ Statt klarer Prioritäten und konkreter Maßnahmen fehle es an Mut und Entschlossenheit. Positiv bewertet Angermann zwar die geplante Senkung der Stromsteuer und das Bekenntnis zum Bürokratieabbau sowie zur Digitalisierung. Doch warnt er: „Angesichts der Fruchtlosigkeit bisheriger Bemühungen reicht das allein für das erwähnte Aufbruchsignal allerdings nicht aus.“ Besonders kritisch sieht er die Zurückhaltung bei steuerlichen Entlastungen: „Wirklich enttäuschend ist die Mutlosigkeit in der Frage steuerlicher Entlastungen sowohl für die Einkommensbezieher als auch für die Unternehmen.“

Für Angermann steht fest: Die Bundesregierung sollte die Aufmerksamkeit stärker auf die eigenen Handlungsmöglichkeiten lenken. „Es kommt nicht in erster Linie darauf an, welche Ideen und Maßnahmen Trump als nächstes in den Ring wirft“, stellt er klar. Viel entscheidender sei, „was wir hier in Deutschland (und Europa) selbst beeinflussen können und letztlich auch nur selbst ins Werk setzen können.“ Trotz aller Herausforderungen bleibt er vorsichtig optimistisch: „Die gute Nachricht ist: Es gibt viele Stellschrauben, an denen angesetzt werden kann.“ Damit seien „Hoffnungen auf das Ende der Misere und einen neuen Aufschwung also allemal begründbar.“

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