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Francois-Louis Michaud warnt vor strukturellen Belastungen im Bankensektor

Von Dr. Oliver Everling | 29.April 2025

Auf der Handelsblatt-Tagung „Bankenaufsicht 2025 – Aktuelle europäische Entwicklungen“ analysierte Francois-Louis Michaud, geschäftsführender Direktor der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA), die aktuellen Belastungsfaktoren für den europäischen Bankensektor. In seinem präzise strukturierten Vortrag nahm er drei zentrale Problemfelder in den Blick: geopolitische Herausforderungen, organisatorische Engpässe und langfristige strukturelle Risiken.

Mit Blick auf die geopolitische Lage betonte Michaud, dass Banken heute mit einer paradoxen Risikosituation konfrontiert seien: Trotz einer Vielzahl globaler Krisen – von geopolitischen Spannungen bis hin zu Handelskonflikten – seien die Risikokosten nach wie vor bemerkenswert niedrig. Dies könne sich als trügerisch erweisen, insbesondere für kleinere, weniger diversifizierte Banken. Für sie sei es schwieriger, Schocks abzufedern, wenn sie über keine breite Geschäftsgrundlage verfügten. Zudem würden die Zinsmargen zunehmend unter Druck geraten – eine Entwicklung, die insbesondere jene Institute belaste, die stark auf klassische Fristentransformation setzen.

Michaud sprach außerdem offen über organisatorische Schwächen innerhalb des Bankensektors und der Aufsicht. Komplexe Strukturen, unzureichend abgestimmte Prozesse und mangelnde Flexibilität erschwerten es, auf neue Risiken schnell und wirksam zu reagieren. Er machte deutlich, dass auch aufseiten der Aufsichtsbehörden ein Modernisierungsschub notwendig sei, um der zunehmenden Dynamik im Finanzsystem gerecht zu werden.

Als besonders drängend stellte Michaud die strukturellen Herausforderungen dar, vor denen viele europäische Banken stehen. Der Sektor sei nach wie vor stark fragmentiert, der Konsolidierungsdruck nehme zu, und zugleich müssten Institute massiv in Digitalisierung und Nachhaltigkeit investieren. All dies belaste die Ertragslage und stelle die Geschäftsmodelle vieler Banken auf die Probe.

Die Bemerkungen von Michaud müssen darauf hin analysiert werden, dass technologische Umbrüche wie Künstliche Intelligenz und digitale Plattformmodelle das Bankgeschäft grundlegend verändern werden – eine Realität, auf die sich Banken und Aufsicht gleichermaßen vorbereiten müssen.

Francois-Louis Michaud, der seit 2020 die Geschicke der EBA lenkt, sprach mit dem Erfahrungshintergrund eines ausgewiesenen Aufsichtsexperten. Seine Stationen bei der EZB, der französischen ACPR, der BIS, der Banque de France und der Federal Reserve Bank of New York verleihen seiner Analyse besonderes Gewicht. Sein Vortrag war ein eindringlicher Appell, den strukturellen Wandel im europäischen Bankwesen aktiv zu gestalten – mit klarer Perspektive, organisatorischer Klarheit und regulatorischem Realismus.

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