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Boom, Bust – und das Ende der Zinslogik: Dr. Polleits Report als Weckruf für Investoren
Von Dr. Oliver Everling | 2.August 2025
Seit April 2024 bietet Thorsten Polleit mit seinem neuen „Boom & Bust Report“ einen ebenso markanten wie eigenständigen Dienst für investitions- und geldpolitisch interessierte Leser an. Der Report erscheint regelmäßig als digitaler Newsletter und kombiniert ökonomische Analyse mit pointierten Kommentaren zur makroökonomischen Entwicklung, insbesondere zur Geldpolitik, zum Verhalten der Zentralbanken und zu den Konsequenzen für Märkte wie Gold, Silber, Aktien und Anleihen.
Die Darstellungsform ist geprägt von einer klaren, meinungsstarken Sprache, häufig untermalt mit historischen Grafiken, Datenreihen und Zitaten, die ökonomische Entwicklungen über Jahrzehnte hinweg sichtbar machen. Polleit bezieht sich auf klassische ökonomische Prinzipien, insbesondere der Österreichischen Schule, und tritt in klarem Gegensatz zu keynesianisch geprägter Politik und moderner Geldtheorie auf. Der Stil ist erklärend, aber nicht akademisch trocken, sondern richtet sich bewusst an engagierte Privatanleger und institutionelle Investoren, die jenseits des Mainstreams denken und handeln möchten.
Ein zentrales Thema des Reports vom Juli 2025 ist die Entkopplung zwischen Langfristzinsen und dem Goldpreis. Der Goldpreis hat sich — entgegen klassischer Annahmen — zuletzt auch bei steigenden Zinsen nach oben bewegt. Dies deutet laut Polleit auf eine wachsende Vertrauenskrise gegenüber dem Fiatgeldsystem hin. Die Zentralbanken, so seine These, manipulierten zunehmend die Kreditmärkte und verlören dabei die Kontrolle über die Zinssignale. Der Zins, traditionell als Preis des Geldes verstanden, spiegele längst nicht mehr Angebot und Nachfrage wider, sondern werde durch geldpolitische Eingriffe künstlich verzerrt.
Hier kommt der Bezug zu Credit Ratings ins Spiel: Wenn Zinsen als ökonomisches Bewertungssignal ausfallen, können auch klassische Risikoeinschätzungen – wie sie Ratings darstellen – an Aussagekraft verlieren. Wenn Kapitalmarktpreise politisch beeinflusst oder manipuliert sind, ist die Aussagekraft marktbasierter Indikatoren für Kreditrisiken zwangsläufig reduziert. Ratingagenturen, die sich auf Märkte und Modelle stützen, laufen so Gefahr, Fehlbewertungen systematisch zu wiederholen oder zu unterschätzen – insbesondere in Zeiten finanzieller Repression.
Polleit verdeutlicht diesen Zusammenhang, indem er aufzeigt, dass der Goldpreis heute eine Funktion anderer Erwartungen ist: Erwartungen eines systemischen Wandels, möglicherweise sogar eines Währungsregimewechsels. Er präsentiert zwei Szenarien: Entweder preist der Goldmarkt korrekt eine Rückkehr zu sinkenden Zinsen und weiterem Geldmengenwachstum ein (Szenario 1), oder er liegt falsch und wird sich korrigieren müssen (Szenario 2). Polleit hält das erste Szenario für wahrscheinlicher. Daraus folgt für ihn ein klarer Rat an Investoren: Gold behalten oder kaufen – nicht verkaufen.
Auch zur Rolle von Zentralbanken bezieht der Report dezidiert Stellung. Die angebliche politische Unabhängigkeit von Notenbanken sei ein Mythos, argumentiert Polleit. De facto gebe es längst eine fiskalische Dominanz: Zentralbanken agierten zunehmend als Finanzierungsinstrumente überschuldeter Staaten. Zinssenkungen und Anleihekäufe dienten dabei nicht mehr der Stabilität oder Preisniveausicherung, sondern der indirekten Staatsfinanzierung. Auch dies untergrabe die Aussagekraft von Ratings, da die Kreditwürdigkeit von Staaten in einem manipulierten Zinsumfeld kaum noch marktbasiert zu ermitteln sei.
Der „Boom & Bust Report“ positioniert sich damit als Stimme gegen die ökonomische Orthodoxie und als intellektuelles Werkzeug für Investoren, die verstehen wollen, warum Märkte nicht mehr funktionieren wie früher. Seine kritische Haltung gegenüber politischer Einflussnahme auf Märkte, seine detaillierten Auswertungen makroökonomischer Daten und seine klaren Anlageimplikationen machen ihn zu einem relevanten Angebot in einer Zeit wirtschaftlicher Verunsicherung.
Inhaltlich anspruchsvoll, stilistisch zugespitzt und mit einem klaren Zielpublikum im Blick – so lässt sich Polleits neuer Dienst zusammenfassen. Dass er dabei auch zentrale Prämissen des bestehenden Finanzsystems infrage stellt, verleiht dem Report eine Brisanz, die über klassische Anlageempfehlungen hinausgeht. Wer Credit Ratings, Zinsentwicklungen oder die Rolle von Gold im Portfolio verstehen will, erhält hier wertvolle, wenn auch provokante Impulse.
Themen: Ratings | Kommentare deaktiviert für Boom, Bust – und das Ende der Zinslogik: Dr. Polleits Report als Weckruf für Investoren
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