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Infrastruktur als Stabilitätsanker in unsicheren Zeiten

Von Dr. Oliver Everling | 10.September 2025

Die Ratingagenturen beobachten mit zunehmender Skepsis die Entwicklung der Weltwirtschaft. „Die Schuldenquoten der größten Volkswirtschaften steigen auf historische Höchststände. Gleichzeitig nimmt die geopolitische Unordnung zu: Deglobalisierung, wirtschaftlicher Nationalismus und populistische Politik prägen die neue Weltordnung“, heißt es übereinstimmend in einem aktuellen Kommentar von Peter Meany, Head of Global Listed Infrastructure bei First Sentier Investors. Für die Kreditwürdigkeit von Staaten wie auch von Unternehmen hat dies weitreichende Folgen, denn in einem Umfeld stetig wachsender Staatsverschuldung rückt die Frage nach Stabilität und verlässlichen Cashflows stärker in den Vordergrund.

Die Ratingagenturen müssen die Risiken neu gewichten, denn die relative Stabilität und die hohen Renditen der vergangenen Jahrzehnte scheinen einem System zu weichen, das von Unsicherheit und stärkerer politischer Einflussnahme geprägt ist. Während die Abkopplung der USA von China die Deglobalisierung beschleunigt, wächst in den Industrieländern der Schuldenberg in einem Tempo, das eine Krise nicht mehr nur in Schwellenländern wahrscheinlich macht. Anleger sehen sich dadurch höheren Risiken bei Zinsen, Wechselkursen und Aktienmärkten ausgesetzt – Faktoren, die auch die Bewertungen der Ratingagenturen in Zukunft stärker beeinflussen dürften.

In diesem Umfeld rücken Infrastrukturinvestitionen als vergleichsweise robuste Anlageklasse in den Fokus. Infrastruktur biete durch ihre „defensive Wachstumsstruktur, stabile Cashflows und gesellschaftliche Relevanz \[…] einen attraktiven Anker für Investoren, die Stabilität und verlässliche Renditen suchen“, betont Meany. Für Ratingagenturen ergibt sich daraus ein klarer Indikator: Unternehmen mit starken, langfristig abgesicherten Geschäftsmodellen im Infrastrukturbereich sind weniger anfällig für die makroökonomischen Turbulenzen und können auch in Zeiten politischer und ökonomischer Unordnung höhere Bonitätsbewertungen rechtfertigen.

Dabei ist die Rolle des privaten Kapitals zentral. Da die steigende Staatsverschuldung den Spielraum der Regierungen einschränkt, gewinnen Investoren an Gewicht, wenn es darum geht, große Infrastrukturprojekte zu finanzieren. Privatisierungen wie im Fall des Flughafens Athen oder der Metro in Tokyo zeigen, dass auch in reifen Märkten der private Sektor einspringen kann. Für die Einschätzungen der Ratingagenturen sind solche Modelle relevant, da stabile regulatorische Rahmenbedingungen und die Nachfrage nach Infrastruktur langfristige Sicherheit signalisieren.

Angesichts der wachsenden Nachfrage nach Energie, digitaler Vernetzung und Verkehrsinfrastruktur bleibt die Anlageklasse widerstandsfähig gegenüber geopolitischen Verwerfungen. Ratingagenturen dürften deshalb in ihren Analysen zunehmend differenzieren: Während die Bonität hochverschuldeter Staaten unter Druck gerät, können Unternehmen aus dem Infrastruktursektor ihre Position als Stabilitätsanker für Investoren festigen. In einer Zeit, in der viele Risikofaktoren außer Kontrolle geraten, gewinnen solche klaren Signale an Bedeutung.

Themen: Länderrating, Unternehmensrating | Kommentare deaktiviert für Infrastruktur als Stabilitätsanker in unsicheren Zeiten

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