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Treasury im Wandel: KI formt Transaction Banking weltweit neu

Von Dr. Oliver Everling | 2.Dezember 2025

Im Fireside Chat „Treasury im Wandel: Wie Künstliche Intelligenz einen beispiellosen Umbruch vorantreibt“ führt Stefanie Auge-Dickhut ein tiefgehendes Gespräch mit Marion Reuter, Head of Transaction Banking UK & Europe bei Standard Chartered. Reuter bringt mehr als 25 Jahre internationale Erfahrung aus Europa, Asien, Afrika und dem Nahen Osten mit und gewährt einen seltenen Einblick in die globalen Unterschiede beim Einsatz von KI im Treasury- und Transaction-Banking-Umfeld.

Reuter beschreibt zunächst den Status quo: KI wird weltweit sehr unterschiedlich genutzt, und diese Unterschiede lassen sich nicht allein durch regulatorische Rahmenbedingungen erklären. In Asien und im Nahen Osten ist die Geschwindigkeit der Implementierung deutlich höher, innovative Anwendungen kommen schneller in die Praxis und technologische Experimente sind stärker akzeptiert. Europa dagegen geht zurückhaltender vor, mit einem ausgeprägten Fokus auf Risiken, Datenschutz und regulatorische Konformität. Diese Vorsicht sei einerseits ein Schutz, andererseits ein Wettbewerbsnachteil, weil sie die Adoptionsgeschwindigkeit reduziert. Reuter betont, dass Europa zu wenig in KI-Talente investiert habe und nun aufholen müsse, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können.

Auge-Dickhut hakt nach und fragt nach den kulturellen Faktoren, die diese Unterschiede prägen. Reuter erklärt, dass Mentalität, Offenheit, Innovationsfähigkeit und die Dynamik der lokalen Märkte wesentlich beeinflussen, wie KI wahrgenommen und eingesetzt wird. Asiatische Gesellschaften wachsen technologisch anders auf und haben eine höhere Affinität zu digitalen Lösungen, während Europa stärker von kritischer Reflexion und datenschutzrechtlichen Erwartungen geprägt ist. Auch Führungsstile unterscheiden sich: In ihren asiatischen Teams etwa werden Manager durch US-Universitäten online weitergebildet, um global einheitliche Fähigkeiten aufzubauen.

Besonders wichtig ist für Reuter das Konzept einer human-led AI. KI sei kein Ersatz für Menschen, sondern ein Werkzeug, das menschliche Entscheidungen und Prozesse stärkt. Beispiele aus dem Transaction Banking zeigen dies deutlich: KI-gestützte Mustererkennung in der Transaktionsüberwachung hat „false positives“ drastisch reduziert und damit Effizienz und Präzision erhöht. Auch in der Dokumentenprüfung hat KI entscheidende Fortschritte ermöglicht. Dennoch bleibe der Mensch zentral, insbesondere in der Überprüfung von Modellen, der Sicherstellung ethischer Nutzung und der kontinuierlichen Weiterentwicklung von Prüfmechanismen. Auch in Hongkong und Singapur werde an klaren ethischen Leitlinien für KI gearbeitet – ein Zeichen dafür, dass schnelles Wachstum und verantwortungsvolle Nutzung sich nicht ausschließen müssen.

Reuter weist zudem darauf hin, dass eine globale Bank wie Standard Chartered nicht einseitig von einzelnen Hyperscalern abhängig sein kann. Vielfalt bei Technologiepartnern sei notwendig, um Resilienz, Flexibilität und regionale Anforderungen zu gewährleisten. KI werde in jedem Markt anders eingesetzt, und genau in dieser Vielfalt liege eine Stärke, wenn sie strategisch genutzt wird.

Das Gespräch macht deutlich, wie tiefgreifend KI das Treasury verändert: Operativ durch effizientere Prozesse, strategisch durch neue Entscheidungslogiken und kulturell durch veränderte Erwartungen an Führung, Talente und Geschwindigkeit. Reuter beschreibt einen globalen Umbruch, der längst begonnen hat – und in dem Europa nur dann mithalten kann, wenn es den Mut findet, schneller zu werden, ohne seine Stärken in Ethik, Datenschutz und Risikobewusstsein aufzugeben.

Themen: Bankenrating | Kommentare deaktiviert für Treasury im Wandel: KI formt Transaction Banking weltweit neu

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