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Abhängigkeit von Russland bleibt

Von Dr. Oliver Everling | 13.April 2022

Als Pioniere ihrer Branche haben die Fondsmanager bei Triodos Investment Management eine klare, nachhaltige Strategie entwickelt. Im Thema „Nachhaltigkeit“ Tempo zu machen, gehört praktisch zum Gencode dieses Instituts. Die aktuelle Situation setzt aber Grenzen, das Tempo der wirtschaftlichen Transformation weiter zu erhöhen.

Hans Stegeman, Chefanlagestratege bei Triodos Investment Management (IM), muss sich mit den Folgen des Ukraine-Krieges für die makroökonomische Politik und den Handel im Hinblick auf die Rohstoffabhängigkeit befassen. Derzeit werden in der Weltwirtschaft jedes Jahr über 100 Milliarden Tonnen Ressourcen verbraucht, aber nur 8,6 % davon werden recycelt und wiederverwendet.

„Unsere Materialwahl wirkt sich auch direkt auf eine Vielzahl von ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Risiken aus,“ schreibt Hans Stegeman, „die mit der Herstellung von Waren verbunden sind – von Arbeitsbedingungen und Handelsströmen bis hin zu Umweltverschmutzung, Klimawandel und Landnutzung. Und obwohl es eine ehrgeizige Agenda gibt, wird es schwierig sein, das Tempo zu erhöhen und weniger abhängig von Russland zu werden. Dies ist jedoch von entscheidender Bedeutung, da viele kritische Materialien auch von Russland geliefert werden.“

Russland kontrolliert bis zu 44 % der weltweiten Palladiumlieferungen, rechnet der Chefanlagestratege vor, Palladium, das ein Schlüsselelement für Schadstoffkontrollvorrichtungen in Autos und in der Luft- und Raumfahrtindustrie ist, während die Ukraine etwa 50 % des weltweiten Angebots an Neon für die Halbleiterherstellung produziert. Die Entwicklung der Brennstoffzellen- und Wasserstofftechnologie in der EU erfordert eine Vielzahl von Materialien aus Russland, wie Platin (13 %), Titan (23 %) und Vanadium (34 %).

„Der Anteil der Mineralien aus Russland, die in der europäischen 3D-Drucktechnologie verwendet werden, beläuft sich beispielsweise auf etwa 12 %; für die Entwicklung der EU-Robotertechnologie sind es etwa 9 %. Russland ist auch der weltweit drittgrößte Lieferant von Nickel, das für Batterien von Elektrofahrzeugen, aber auch“, schreibt Hans Stegeman, „für die Herstellung von rostfreiem Stahl, einem Grundstoff für zahlreiche Industriezweige, verwendet wird. Langfristige Verträge und mitunter eine fortschrittliche Produktionsbasis führender russischer Lieferanten verschärfen den Versorgungsengpass weiter.“

Unterbrechungen im Fluss dieser Rohstoffe bedrohen nicht nur Verbraucher und Industrie durch Preisexplosionen, warnt der Chefanlagestratege: „Schwerwiegende Versorgungsengpässe in den kommenden Monaten stellen auch eine strategische Bedrohung für die wirtschaftliche Sicherheit der EU dar: die Fähigkeit der EU, ihre transformativen grünen und digitalen Ambitionen zu verwirklichen. China – das viel mehr Engpässe bei der Rohstoffversorgung kontrolliert – könnte sogar jede Störung nutzen, um seine Vormachtstellung bei der Versorgung zu festigen, was die Abhängigkeit und Anfälligkeit der EU weiter verstärken würde.“

Während die Energieabhängigkeit gelöst werden könnte, sei dies bei der Rohstoffabhängigkeit weitaus schwieriger. Abgesehen von der Tatsache, dass die Zahl der alternativen Lieferanten begrenzt sei, werde die Energiewende die Nachfrage nach seltenen Metallen und Mineralien erhöhen. Recycling wäre hier eine Lösung, aber die Recyclingraten der meisten dieser Metalle und Mineralien liegen derzeit nicht über 60 %, berichtet Hans Stegeman.

„Bei Mineralien wie Lithium liegt die derzeitige Recyclingquote sogar nur bei 10 %. Andere Kreislaufstrategien – von der Reparatur bis zur Aufarbeitung und Wiederverwendung – sind hier weniger oder gar nicht anwendbar“, heißt es aus dem Hause Triodos. „Die derzeit hohen Preise können daher ein Segen sein, da sie Alternativen rentabler machen und die zusätzliche Erforschung von Ersatzstoffen für diese Ressourcen bis zu einem gewissen Grad sowohl bei der Ressourceneffizienz als auch bei der Suche nach Ersatzstoffen helfen könnte. Dennoch wird die Umstellung der europäischen Wirtschaft von einem linearen auf ein (mehr) zirkuläres System ein riesiges Projekt sein.“

Themen: Aktienrating, Rohstoffrating | Kein Kommentar »

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