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Agentic AI: Kein Add-on, sondern das neue Fundament des Bankings
Von Dr. Oliver Everling | 2.Dezember 2025
Auf der Handelsblatt Tagung BankenTech 2025 skizzierte Eugen Ensinger, Associate Partner bei Wavestone, eine Zukunft des Bankings, in der Agentic AI nicht länger ein Zusatzmodul, sondern das tragende Betriebssystem der gesamten Finanzindustrie ist. Ensinger ordnete diese technologische Entwicklung in eine historische Linie ein: von der Filialbank der Nachkriegszeit über Online-Banking ab 1995, Mobile Banking seit 2010 bis zu den ersten Conversational Interfaces ab 2016. Jeder dieser Schritte hat die Rolle der Bank grundlegend verändert – doch keiner so tiefgreifend wie der Übergang zu Agentic AI.
Agentic AI bedeutet nicht einfach klügere Chatbots, sondern die Fähigkeit autonomer Systeme, Aufgaben selbstständig auszuführen. Während klassische GenAI Antworten generiert, planen Agentic Systeme eigenständig mehrschrittige Abläufe, ziehen Kontext heran, wählen geeignete Werkzeuge aus, orchestrieren Prozesse kontinuierlich und beziehen bei Bedarf Menschen ein, um komplexe Fragestellungen zu lösen. Ensinger beschreibt dies als Zusammenspiel aus Ziel, Regeln, Kontext, Werkzeugen und einer KI, die schlussfolgert, entscheidet und ausführt. Die Entwicklung befinde sich aber erst am Anfang: Heute dominieren noch einfache Tool-Aufrufe und Einzelschritt-Reaktionen. Die nächsten Stufen reichen von mehrschrittiger Planung über die Orchestrierung ganzer Agentennetzwerke bis hin zu autonomer, selbstoptimierender KI, die im Hintergrund kontinuierlich arbeitet.
Für Banken markiert dieser Wandel den Sprung vom reaktiven Transaktionsanbieter zum proaktiven Lebenspartner. Agentic AI ermöglicht Dienstleistungen, die heute kaum vorstellbar scheinen: Ein System, das nicht nur auf Kundenanfragen reagiert, sondern finanzielle Bedürfnisse antizipiert, passende Optionen vorschlägt, Schritte automatisiert vorbereitet und nur dann ein menschliches Gespräch initiiert, wenn es wirklich notwendig ist. Statt Formularen entstehen dialogbasierte Prozesse, die sich wie natürliche Interaktionen anfühlen. Ensinger zeigte in einer Live-Demonstration per Video, wie ein persönlicher Dialog mit einer KI künftig aussehen kann – ein Assistent, der versteht, nachfragt, plant und ausführt.
Diese Vision prägt auch die Erwartungen an das Banking im Jahr 2030. Kommunikation ersetzt Formulare, proaktive Vorschläge ersetzen reaktive Services. Eine Bank wird zum kontinuierlichen Begleiter, der steuerrelevante Daten zusammenträgt, Spar- und Investitionspläne ausarbeitet, Liquiditätsbedarfe vorhersieht oder auf veränderte Lebenssituationen hinweist – ohne dass der Kunde selbst starten muss. All dies setzt Vertrauen voraus, weshalb Ensinger betont, dass Agentic AI nicht nur autonom, sondern auch persönlich und glaubwürdig sein muss.
Der Wandel ist aus seiner Sicht technologisch wie gesellschaftlich unvermeidbar. Die Geschwindigkeit der KI-Entwicklung, steigende Erwartungen an Personalisierung und intuitive Interaktion, Talentknappheit in vielen Fachbereichen sowie regulatorische Anforderungen an Effizienz und Transparenz schaffen einen Transformationsdruck, dem Banken sich nicht entziehen können. Die zentrale Frage sei daher nicht, „ob“ Agentic Banking kommt, sondern „wann“ – und Ensingers Antwort ist eindeutig: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, weil die Grundlagen erstmals reif genug sind, um skalierbare Produktivsysteme zu bauen.
Agentic AI wird damit zu mehr als einer Innovation. Sie wird zur neuen Infrastruktur des Bankings, zu einem Fundament, das Rollen, Wertschöpfungsketten und die Beziehung zwischen Bank und Kunde neu definiert.
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