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Betriebsgeheimnis Score Formel

Von Dr. Oliver Everling | 31.Juli 2020

Ein durch eine Bonitätsauskunft Betroffener hat nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs (Az VI ZR 156/13 vom 28. Januar 2014) einen Anspruch auf Auskunft darüber, welche personenbezogenen, insbesondere kreditrelevanten Daten bei der Auskunftei gespeichert sind und in die den Kunden der Auskunftei mitgeteilten Wahrscheinlichkeitswerte (Scorewerte) einfließen. Die sogenannte Scoreformel, also die abstrakte Methode der Scorewertberechnung, ist hingegen nicht mitzuteilen. Zu den als Geschäftsgeheimnis geschützten Inhalten der Scoreformel zählen dagegen die im ersten Schritt in die Scoreformel eingeflossenen allgemeinen Rechengrößen, wie etwa die herangezogenen statistischen Werte, die Gewichtung einzelner Berechnungselemente bei der Ermittlung des Wahrscheinlichkeitswerts und die Bildung etwaiger Vergleichsgruppen als Grundlage der Scorekarten.

Wirtschaftsauskunfteien sammeln und speichern im Rahmen ihrer Tätigkeit personenbezogene Daten, die für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit der Betroffenen relevant sein können. Darüber hinaus erstellt eine Auskunftei, u.a. auch unter Berücksichtigung der hinsichtlich des jeweiligen Betroffenen vorliegenden Daten, sog. Scorewerte. Ein Score stellt einen Wahrscheinlichkeitswert über das künftige Verhalten von Personengruppen dar, der auf der Grundlage statistisch-mathematischer Analyseverfahren berechnet wird. Die ermittelten Scores sollen aussagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Betroffene seine Verbindlichkeiten vertragsgemäß erfüllen wird. Ihren Vertragspartnern stellt die Auskunftei diese Scorewerte zur Verfügung, um ihnen die Beurteilung der Bonität ihrer Kunden zu ermöglichen.

Den Kunden der Vertragspartner der Auskunftei steht eine “Datenübersicht nach Bundesdatenschutzgesetz” zu. Neben den gespeicherten persönlichen Daten des Kunden und allgemeinen Informationen zur Auskunftei sowie zum Scoringverfahren finden sich in den Angaben der Auskunftei die Auflistung von Anfragen Dritter und die in Bezug auf den Kunden übermittelten sowie ihre aktuellen Wahrscheinlichkeitswerte. Die aktuellen Wahrscheinlichkeitswerte werden nach verschiedenen branchenbezogenen Scores getrennt; bei den übermittelten Wahrscheinlichkeitswerten wird der zugehörige Branchenscore ebenfalls angegeben. Die Darstellung aller Wahrscheinlichkeitswerte erfolgt dabei mit dem jeweiligen Scorewert, der Ratingstufe, der prozentualen Erfüllungswahrscheinlichkeit, der Auflistung verschiedener Datenarten sowie der Bedeutung insgesamt. Bei den Datenarten wird jeweils dargestellt, ob sie verwendet oder nicht verwendet werden. Im Fall der Verwendung erfolgt die Einordnung in eine von fünf näher bezeichneten Risikostufen. Die Gesamtbedeutung wird ebenfalls in verschiedenen Risikokategorien verbalisiert.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob eine erteilte Auskunft den gesetzlichen Anforderungen genügt, insbesondere ausreichend transparent ist, wenn nicht hinreichend nachvollziehbar ist, wie einzelne Branchen-Scorewerte zustande kommen: Ein über die Angabe der in das Scoring eingeflossenen Daten hinausgehenden Auskunftsanspruch über das Zustandekommen der Scorewerte für Banken, Handel und Telekommunikationsunternehmen besteht nicht. Datenübersichten genügen der gesetzlichen Anforderung, dem Betroffenen über das Zustandekommen und die Bedeutung der Wahrscheinlichkeitswerte einzelfallbezogen und nachvollziehbar in allgemein verständlicher Form Auskunft zu geben. Die Auskunftei stellt das Risiko eines Zahlungsausfalls für die einzelnen von ihr herangezogenen Datenarten gesondert und tagesaktuell dar. Die Auskunftei ist nicht verpflichtet, dem Beurteilten den Einfluss jedes einzelnen zur Beurteilung des Risikos herangezogenen Datums zu erläutern. Dies würde einer Offenlegung der Formel für die Berechnung des Scores gleichkommen, an deren Geheimhaltung die Auskunftei ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse hat. Das Recht des Betroffenen, über die den Wahrscheinlichkeitsberechnungen zugrunde liegenden Sachverhalte informiert zu werden, wird durch das Erfordernis der Geheimhaltung der Scoreformel begrenzt.

Nach der Gesetzessystematik erstreckt sich der Auskunftsanspruch über das Zustandekommen der Wahrscheinlichkeitswerte nur auf den Zusammenhang zwischen den Datenarten und den Wahrscheinlichkeitswerten, nicht jedoch auf die Bedeutung jedes einzelnen herangezogenen Datums. Auskunfteien sind nur zur Auskunft über die zur Berechnung der Wahrscheinlichkeitswerte genutzten Datenarten verpflichtet. Wenn aber nur über die genutzten Datenarten Auskunft zu geben ist, muss dies auch für die Erläuterung des Zustandekommens der Daten gelten, da sonst die gesetzlich begrenzte Auskunftspflicht unzulässig erweitert würde. Der gesetzgeberische Zweck der Auskunftsverpflichtung bleibt, da der Betroffene dennoch die Möglichkeit hat, die Richtigkeit der gesamten Datenbasis zu überprüfen, die der Auskunftei in Bezug auf seine Person vorliegt, und im Falle ihrer Unrichtigkeit deren Berichtigung zu verlangen.

Ein durch eine Bonitätsauskunft der Auskunftei Betroffener hat einen Anspruch auf Auskunft darüber, welche personenbezogenen, insbesondere kreditrelevanten Daten in die den Kunden der Auskunftei mitgeteilten Wahrscheinlichkeitswerte eingeflossen sind. Ziel des Bundesdatenschutzgesetzes ist es insbesondere, die Regelungen für die Tätigkeit von Auskunfteien deren gestiegener und weiter steigender Bedeutung und dem vermehrten Einsatz von Scoringverfahren anzupassen. Durch eine Erweiterung der Informations- und Auskunftsrechte der Betroffenen soll die Transparenz der Verfahren verbessert und mehr Rechtssicherheit sowohl für die Betroffenen als auch für die Unternehmen geschaffen werden. Insbesondere soll den Betroffenen zukünftig ersichtlich sein, aufgrund bzw. mit Hilfe welcher zu ihrer Person gespeicherten Daten eine sie betreffende Entscheidung zustande gekommen ist, damit sie fehlerhafte Daten korrigieren oder Missverständnisse aufklären und ihre Interessen sachgerecht gegenüber einem Sachbearbeiter vertreten können.

Der Auskunftsanspruch über die zur Berechnung der Wahrscheinlichkeitswerte genutzten Datenarten soll dem Beurteilten die Möglichkeit gegeben bzw. erleichtern, falsche Daten zu korrigieren oder den für ihn errechneten Wahrscheinlichkeitswert zu widerlegen. Einzelne Datenfelder eines Datensatzes sind so zusammenzufassen, dass der Betroffene nachvollziehen kann, welche Merkmale in das konkrete Berechnungsergebnis eingeflossen sind. Dem Betroffenen sind das Zustandekommen und die Bedeutung der Wahrscheinlichkeitswerte einzelfallbezogen und nachvollziehbar in allgemein verständlicher Form darzulegen. Die Darlegung der der Wahrscheinlichkeitsberechnung zugrunde liegenden Sachverhalte erfolgt in einer für Laien verständlichen Form.

Unternehmen sollen aber die Scoreformel, an deren Geheimhaltung ihnen ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse zugebilligt wird, nicht offenbaren müssen. Das Ergebnis sollte aber für den Betroffenen soweit nachvollziehbar sein, dass er seine Rechte sachgerecht ausüben, mögliche Fehler in der Berechnungsgrundlage aufdecken und Abweichungen von den automatisiert gewonnenen typischen Bewertungen des zugrunde liegenden Lebenssachverhalts gegenüber der für eine Entscheidung verantwortlichen Stelle darlegen kann.

Über die zur Berechnung der Wahrscheinlichkeitswerte genutzten Daten ist nicht unbedingt in einer bestimmten Ordnung zu berichten, so dass beispielsweise nicht in absteigender Reihenfolge ihrer Bedeutung für das im Einzelfall berechnete Ergebnis Auskunft zu erteilen ist. Damit wäre zwar der Schutz des Betroffenen und die Nachvollziehbarkeit des errechneten Gesamtwerts erhöht. Die Gesetzesformulierung sieht dies nicht vor, ermöglicht dem Betroffenen aber immerhin die Einordnung seines Scorewerts in einen allgemeinen Rahmen.

Auf der einen Seite soll dem Betroffenen ausreichende Informationen darüber an die Hand gegeben werden, welche – ihn betreffenden – Sachverhalte Grundlage der Wahrscheinlichkeitsberechnungen sind, insbesondere um falsche Daten korrigieren zu können und von der statistischen Betrachtung abweichende Umstände gegenüber den – etwa über eine Kreditvergabe – entscheidenden Stellen darlegen zu können. Auf der anderen Seite soll die Scoreformel als Geschäftsgeheimnis der Auskunfteien geschützt werden. Einerseits werden dem Betroffenen Auskunftsrechte zur Sicherung der Transparenz gegeben und andererseits werden die schutzwürdigen Interessen der Auskunfteien berücksichtigt.

Dem Betroffenen müssen jedenfalls diejenigen personenbezogenen Daten mitgeteilt werden, die von Relevanz für den jeweils ermittelten Wahrscheinlichkeitswert sind, also in die Wahrscheinlichkeitsberechnung konkret einfließen. Strittig bleibt in der Praxis, ob trotz einer möglichen Zusammenfassung von Datenfeldern zu Datenarten eine Erkennbarkeit der einzelnen in das Berechnungsergebnis eingeflossenen Daten verlangt oder ob eine bloße Auskunft über Datenarten ohne weitergehende Präzisierung ausreichend ist. Unstrittig ist jedenfalls eine Auskunftsverpflichtung über die in die Wahrscheinlichkeitswerte eingegangenen Einzeldaten aus der Pflicht der Auskunftei, über das Zustandekommen dieser Werte insbesondere nachvollziehbar und einzelfallbezogen Auskunft zu erteilen.

Dem Betroffenen soll die Möglichkeit an die Hand gegeben werden, die in das Scoringergebnis eingeflossenen Lebenssachverhalte, also die Datengrundlage, nachzuvollziehen und gegenüber der über eine Kreditvergabe entscheidenden Stelle bestimmte Abweichungen – etwa in der Kredithistorie – plausibel durch bei ihm vorliegende atypische Lebenssachverhalte erklären zu können. Dies ist ihm aber nur dann möglich, wenn für ihn über die Darstellung bloßer Datenarten hinaus auch erkennbar ist, welches konkrete Datum die Scoreberechnung beeinflusst hat. Die weitergehenden, auf Daten und nicht auf Datenarten bezogenen Ansprüche des Betroffenen erstrecken sich auf die konkreten in die Berechnung eingeflossenen Daten des Betroffenen. Im Zentrum steht nach dem Gesetz das Interesse des Betroffenen, gerade die für einen (negativen) Scoringwert relevanten Daten zu korrigieren oder im Gespräch mit einem Sachbearbeiter bestimmte Abweichungen zu erläutern. Eine Mitteilungspflicht über die für die Wahrscheinlichkeitsberechnung verwendeten Daten des Betroffenen spricht auch die EG-Datenschutzrichtlinie, durch die die Mitgliedstaaten jeder betroffenen Person das Recht garantieren, vom für die Verarbeitung Verantwortlichen eine Mitteilung in verständlicher Form über die Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zu erhalten. Eine Einschränkung auf bloße Datenkategorien findet sich hier nicht. Vielmehr soll jede Person ein Auskunftsrecht hinsichtlich der sie betreffenden, den Gegenstand einer Verarbeitung bildenden Daten haben, damit sie sich insbesondere von der Richtigkeit dieser Daten und der Zulässigkeit ihrer Verarbeitung überzeugen kann. Die Nachvollziehbarkeit des Zustandekommens bedeutet demnach nicht dessen Nachrechenbarkeit und Überprüfbarkeit der Berechnung, sondern insbesondere die schlüssige Erkenntnismöglichkeit, welche Faktoren die ausgewiesene Bewertung beeinflusst haben.

Dem Auskunftsanspruch liegt die gesetzgeberische Intention zugrunde, trotz der Schaffung einer größeren Transparenz bei Scoringverfahren Geschäftsgeheimnisse der Auskunfteien, namentlich die sog. Scoreformel, zu schützen. Die Erstellung dieser auch als Scorecard bezeichneten Rechenformel basiert insbesondere auf der Analyse von Datenbeständen durch Ermittlung allgemeiner Korrelationen und Signifikanzen. Die Algorithmen der Scorecard enthalten die relevanten und signifikanten Merkmale aus der Analyse sowie deren Gewichtung und Verhältnis zueinander. Erst in einem nächsten Schritt wird aus dieser Rechenformel mit einer Anzahl von Variablen durch das Einsetzen von personenbezogenen Daten des Betroffenen in die Variablen ein personenbezogener Scorewert errechnet. Zu den nach dem gesetzgeberischen Willen als Geschäftsgeheimnis geschützten Inhalten der Scoreformel zählen damit die im ersten Schritt in die Scoreformel eingeflossenen allgemeinen Rechengrößen, wie etwa die herangezogenen statistischen Werte, die Gewichtung einzelner Berechnungselemente bei der Ermittlung des Wahrscheinlichkeitswerts und die Bildung etwaiger Vergleichsgruppen als Grundlage der Scorekarten. Das ist angesichts der aufwändigen Entwicklung des Scores, die spezielles Fachwissen voraussetzt, auch nachvollziehbar und folgerichtig. Zudem hängt von dem jeweiligen Verfahren die Aussagekraft der Prognose und damit die Wettbewerbsfähigkeit sowie der Marktwert des Produkts und der Auskunftei selbst ab.

Eine darüber hinausgehende Auskunft würde nicht dazu beitragen, die weitergehende Geltendmachung von Rechten des Betroffenen zu ermöglichen, da sich diese nur auf personenbezogene Daten beziehen. Auf eine Änderung des Scorewerts selbst besteht bei Zugrundelegung zutreffender Ausgangstatsachen ohnehin kein Anspruch.

Der Beurteilte kann mangels Mitteilung der Vergleichsgruppen die Zuordnung zu diesen Gruppen nicht überprüfen. Diese Einschränkung beruht auf der gesetzgeberischen Intention, einen Ausgleich zwischen Transparenzerfordernissen und dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen herzustellen und deshalb den Betroffenen in erster Linie durch Mitteilung der in die Berechnung eingeflossenen personenbezogenen Daten, nicht aber durch die Offenlegung von Details des Berechnungsverfahrens zu schützen. Für einen darauf gerichteten datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch ist daher kein Raum. Aus der EG-Datenschutzrichtlinie folgt kein weitergehender Auskunftsanspruch, denn sie sichert dem Betroffenen lediglich Informationen über die Verarbeitung ihn betreffender Daten an sich sowie über Zweckbestimmungen der Verarbeitungen, über Daten bzw. Datenkategorien, die Gegenstand der Verarbeitung sind, über die Datenherkunft und Empfänger bzw. Empfängerkategorien der Daten. Dem Schutz der Privatsphäre soll daher insbesondere durch Auskunft über die Basisdaten des Betroffenen Rechnung getragen werden. Ein Recht auf Auskunftserteilung über konkrete Elemente eines Scoringverfahrens enthält die Richtlinie nicht, sondern auch hier berührt das Auskunftsrecht das Geschäftsgeheimnis nicht und dieser Umstand darf nur nicht dazu führen, dass der betroffenen Person jegliche Auskunft verweigert wird.

Eine Auskunft über den logischen Aufbau einer automatisierten Verarbeitung ist nur dann zwingend vorgesehen, wenn eine automatisierte Einzelentscheidung vorliegt. Zwischen der automatisierten Verarbeitung von Daten zum Zweck der Bewertung einzelner Aspekte einer Person wie deren Kreditwürdigkeit einerseits und der aufgrund dieser Verarbeitung erfolgenden Entscheidung andererseits ist zu unterscheiden. Das Vorliegen einer automatisierten Verarbeitung stellt alleine noch keine automatisierte Entscheidung, sondern eine der Entscheidung vorausgehende Datenauswertung dar. Von einer automatisierten Einzelentscheidung kann im Falle des Scorings nur dann ausgegangen werden, wenn die für die Entscheidung verantwortliche Stelle eine rechtliche Folge für den Betroffenen nach sich ziehende oder ihn erhebliche beeinträchtigende Entscheidung ausschließlich aufgrund eines Scoreergebnisses ohne weitere inhaltliche Prüfung trifft, nicht aber, wenn die mittels automatisierter Datenverarbeitung gewonnenen Erkenntnisse lediglich Grundlage für eine von einem Menschen noch zu treffende abschließende Entscheidung sind. Das Vorliegen oder auch nur Drohen einer rechtliche Folge für den Beurteilten nach sich ziehenden oder ihn erheblich beeinträchtigenden Entscheidung aufgrund der Scorewerte wäre nachzuweisen. Die Frage der Reichweite des Auskunftsanspruchs über den logischen Aufbau der automatisierten Verarbeitung kann dahinstehen, wenn keine automatisierte Einzelentscheidung gegeben ist.

Themen: Debitorenrating, Privatkundenrating | Kein Kommentar »

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