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Comeback unbeauftragter Ratings

Von Dr. Oliver Everling | 30.Mai 2012

„Das Publizieren von Ratings ohne explizites Mandat ist in der jüngeren Vergangenheit höchst kontrovers diskutiert worden“, berichtet Dr. Stefan Hirschmann vom Bank-Verlag, Köln, zutreffend im „Risiko-Manager“ vom 29. 5. 2012 unter der Überschrift „Comeback der unbeauftragten Ratings“. „Ratingagenturen nutzen dieses Vorgehen gerne,“ so Hirschmann, „um Druck auf Emittenten auszuüben, die eigene Wettbewerbsposition zu stärken und den Markt stärker abzudecken.“

Hintergrund seines Artikels ist eine neue Ratingaktion der Ratingagentur Scope aus Berlin. „Scope Credit Rating hat nun für ein fulminantes Comeback der PI-Ratings gesorgt“, schreibt Hirschmann, „und in einer ersten Runde die Emittenten von 17 deutschen Mittelstandsanleihen einem Finanzstärke-Rating unterzogen. Damit liegen erstmals unbeauftragte Ratings im Markt der Mittelstandsbonds vor.“

Auch für die Ratingagentur Fitch seien nicht-mandatierte Ratings (Initiated Ratings) ein wichtiges Instrument, um neue Märkte zu entern, Standard & Poor’s (S&P) dagegen wolle Erst-Ratings grundsätzlich nur mit Einwilligung des Unternehmens publizieren, berichtet Hirschmann weiter. Mit Ausnahme von Versicherungsunternehmen, deren Ratings ohne explizites Mandat mit einem “pi“ (Public Information) gekennzeichnet waren, lehnte S&P nicht-mandatierte Bonitätsbewertungen für Unternehmen ab.

Hirschmann kommt auf einen Schwachpunkt auftragsloser Ratings zu sprechen: Im Gegensatz zu den interaktiven Ratings gibt es nicht zwangsläufg auch ausführlichen Gespräche mit der Geschäftsleitung. Sie beziehen sich daher, so seine Befürchtung, auf weniger umfassende Informationen als interaktive Ratings. Diese Einschränkung betrifft auch die neuen Ratings der Berliner Agentur Scope Credit Rating. Dies geht deutlich aus der Dokumentation der Ratingagentur hervor wie auch schon daraus, dass die Agentur ihre Ratings als „Financial Strength Ratings“ präsentiert.

Hirschmann setzt sich mit verbreiteter Kritik an der Praxis der Ratingagenturen auseinander: „Der Nutzen dieser Bonitätsbewertungen liegt somit primär auf Seiten der Ratingagenturen und der Investoren. Regulatoren und Unternehmen sind unbeauftragte Ratings dagegen ein Dorn im Auge“, glaubt Hirschmann, denn vor allem die Emittenten würden sich mitunter heftig gegen derartige Einstufungen wehren. Schon vor Jahren habe Moody’s die Erteilung unbeauftragter Ratings deshalb nahezu vollständig eingestellt. „Einer der Hauptgründe hierfür“, erinnert Hirschmann, „waren die ablehnenden Reaktionen von verschiedener Seite auf diese Ratings, darunter Emittenten, Intermediäre, Gesetzgeber und auch einige Investoren.“

Wie absurd die Diskussion um auftragslose oder beauftragte Ratings an den Kernfragen einer guten Ratingkultur vorbeigeht, zeigt sich an den Widersprüchen: Wichtigster Vorwurf gegen die US-amerikanischen Ratingagenturen war es im Zuge der Subprime-Krise, gegen Auftrag allzu emittentenfreundliche Ratings erteilt zu haben. Insbesondere die enge Zusammenarbeit mit Emittenten wurde als Indiz dafür interpretiert, dass die Ratingagenturen an geschönten Ratings interessiert wären und diese gegen Geld im Emittenteninteresse erteilt wurden.

Auch die von Roland Berger Strategy Consultants unter der Führung von Dr. Markus Krall initiierte Europäische Ratingagentur stellt auf die Lösung von Interessenkonflikten dadurch ab, dass sie im Investoreninteresse tätig werden will, also auch ohne Auftrag von Emittenten.

Themen: Anleiherating, Mittelstandsrating | Kein Kommentar »

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