« | Home | »

Commerzialbank, nicht Commerzbank

Von Dr. Oliver Everling | 17.Juli 2020

Die Ähnlichkeit des Namens könnte für Verwechslung sorgen – nicht die in Deutschland ansässige Commerzbank, sondern eine kleine, in Österreich domizilierende Commerzialbank ist betroffen: Die österreichische Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) hat der “Commerzialbank Mattersburg im Burgenland AG” mit Mandatsbescheid vom 14. Juli 2020 mit sofortiger Wirkung zur Gänze die Fortführung des Geschäftsbetriebs untersagt. Die Website der Bank ist schon offline, http://commerzialbank.at/.

Die FMA ist die unabhängige, weisungsfreie und integrierte Aufsichtsbehörde für den Finanzmarkt Österreichs und als Anstalt öffentlichen Rechts eingerichtet. Ihr obliegt u.a. die Aufsicht über Kreditinstitute.

Die Abschaltung der Website entspricht der behördlichen Zahlungseinstellung der gedeckten Einlagen, sodass insbesondere keine weiteren Einzahlungen, Abhebungen oder Überweisungen möglich sind. Für die betroffenen Einleger bedeutet dies, dass der Einlagensicherungsfall eingetreten ist: Die “Einlagensicherung AUSTRIA Ges.m.b.H.”, zu deren Gesellschaftern auch die Commerzialbank gehört, hat innerhalb von sieben Arbeitstagen jedem Einleger dieser Bank einen Betrag in der Höhe seiner gedeckten Einlagen zu erstatten.

Gedeckte Einlagen sind erstattungsfähige Einlagen (wie etwa Guthaben auf Girokonten, Gehaltskonten, Studentenkonten und Pensionskonten oder Einlagen auf Sparbüchern und Sparkonten) bis zu einer Höhe von € 100 000 oder Gegenwert in fremder Währung pro Einleger (sowie zeitlich begrenzte gedeckte Einlagen). „Die Einlagensicherung AUSTRIA Ges.m.b.H arbeitet bereits mit der Commerzialbank Mattersburg im Burgenland AG eng zusammen,“ schreibt die FMA, „um die ordnungsgemäßen Auszahlung in den nächsten Tagen zu organisieren.“

Neben Stefan Grgic und Martin Pucher ist die „Personalkredit- und Kommerzialkreditvermittlungs- und Anteilverwaltungsgenossenschaft Schattendorf-Zemendorf-Stöttera-Krensdorf-Hirm-Loipersbach-Draßburg-Baumgarten registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung“ Hauptaktionär. Die „COMMERZ-REAL Vermietungs- und Verwaltungsgesellschaft m.b.H.“, die „Commerzialbank Immobilien GmbH“, die „Florianihof Betriebs GmbH“, die „AVG Abstellplatz-Vermietung GmbH“ sind Töchter der “Commerzialbank Mattersburg im Burgenland AG”. Darüber hinaus gibt es eine Anzahl von Minderheitsbeteiligungen, z.B. an verschiedenen Bauland-Erscließungs-Gesellschaften.

Die folgende Abbildung zeigt die Beziehungen (Quelle: PALTURAI, für eine größere Darstellung Bild anklicken):

 

17.07.2020 - Commerzialbank Mattersburg im Burgenland Aktiengesellschaft

 

„Die aktuell aufgedeckten Erkenntnisse erwecken den offensichtlichen Verdacht,“ schreibt dazu Mag. (FH) Gerald Sinabell, Head of Corporate Communications bei der TPA Group, „dass die verantwortlichen Prüfer der TPA Wirtschaftsprüfung GmbH unerwartet Opfer einer umfangreichen und komplexen Täuschung durch das Management der ‚Commerzialbank Mattersburg im Burgenland AG‘ wurden.“

Es sei das Vertrauen der Prüfer in die Korrektheit der zur Verfügung gestellten Unterlagen offensichtlich missbraucht worden. Die Ermittlungen dazu liefen bereits und würden voraussichtlich in den kommenden Tagen durch die Behörden veröffentlicht, kündigt der Sprecher der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft an.

Mit dem Argument, für ein Rating nach internationalen Standards „zu klein“ zu sein, entziehen sich viele Banken der Beurteilung durch unabhängige Agenturen. Auch im Falle der “Commerzialbank Mattersburg im Burgenland AG” gab es kein veröffentlichtes Credit Rating einer anerkannten Agentur. Wie auch im Fall Wirecard wäre allerdings fraglich, ob Analysten einer Ratingagentur Anlass für Zweifel gesehen hätten.

Ob DAX-Unternehmen oder kleine Bank im Burgenland: Die Untersuchungsmethoden mögen den Umständen entsprechend unterschiedlich sein, in jedem Fall aber bedarf es unabhängiger, forensischer Ratings, um anhand objektiver Ratingkriterien die Wahrscheinlichkeit krimineller Handlungen einzuschätzen. Forensische Ratings stützen sich beispielsweise auf aus der Forensik bekannte Tätertypologien, Mustererkennung aufgrund soziologischer, kriminalistischer und kriminologischer Erfahrungen, erstellte Täterprofile und das Erkennen möglicher Serienstraftaten.

Der Begriff „forensisches Rating“ hat Wurzeln im Latein. „Rating“ drückte im späten Mittelenglisch einen „geschätzten Wert“ aus. Das mittelalterliche lateinische „rata“ wurde zum Beispiel in „pro rata parte“ verwendet, „nach dem proportionalen Anteil“. Das Wort „ratus“ (berechnet) ist das Partizip Perfekt von „reri“ (rechnen, glauben, meinen, denken). Das Wort „forensisch“ stammt vom lateinischen „forensis“, „zum Forum, Markt oder Marktplatz gehörig“, da Gerichtsverfahren, Untersuchungen, Urteilsverkündungen sowie der Strafvollzug im antiken Rom meist öffentlich auf dem Marktplatz (lateinisch: forum) durchgeführt wurden.

Themen: Bankenrating, Forensisches Rating | Kein Kommentar »

Kommentare

Sie müssen eingelogged sein um einen Kommentar zu posten.