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Drohende Finanztransaktionssteuer

Von Dr. Oliver Everling | 16.September 2013

Zum Thema „Finanztransaktionssteuer – aktueller Stand und weitere Schritte“ spricht auf dem Deutschen Derivate Tag des Deutschen Derivate Verbands Manfred Bergmann, Direktor, Europäische Kommission Direktion Indirekte Steuern und Steuerverwaltung. „Die schlechte Nachricht für Sie: Nach Schätzungen würde der Derivatemarkt um 70 % einbrechen, wenn es zur Einführung der Finanztransaktionssteuer kommt.“

Bergmann macht jedoch mit Zahlen Mut, nach denen in Ländern, in denen es zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer kam, der Handel nicht so stark einbrach wie nach den Hochrechnungen. Demnach werden die Geschäftsmodelle so angepasst, dass auch mit der Steuer der Handel fortgesetzt wird.

„Die zusätzlichen Steuereinnahmen werden potentiell niedriger sein als die zusätzlichen Zinszahlungen“, so werde über die Effekte der Finanztransaktionssteuer spekuliert. Tatsächlich sind die Marktteilnehmer jedoch oft nicht in der Lage, die zusätzlichen Kosten einzukalkulieren und weiterzugeben, sondern bleiben durch die zusätzlichen Steuern auch zusätzlich belastet.

Bergmann geht auf verschiedene Fragen ein, wie beispielsweise, ob bestimmte Ländern, bestimmte Produkte, bestimmte Akteure oder Market-Maker ausgenommen werden sollen. Zunächst gelte aber der AAA-Ansatz: Alle Akteure, alle Produkte, alle Marktsegmente – und das auch noch zeitgleich.

Mit dem Vortrag „Derivate, Realwirtschaft und die Finanztransaktionssteuer“ repliziert Dr. Christian Kaeser, Global Head of Tax, Siemens AG. „Wer profitiert, soll zahlen“, sei die politische Regelung hinter der Bankenrettung, erinnert Kaeser. Die Banken seien die ersten, die nun die zusätzliche Steuern zahlen müssten.

Kaeser tritt der naiven Vorstellung entgegen, dass die Steuerbelastung auch denjenigen treffe, für den sie vordergründig bestimmt sei. Insbesondere bei der FInanztransaktionssteuer sei bemerkenswert, wie viele Dinge angeblich mit der Finanztransaktionssteuer finanziert werden sollen.

Die Sektsteuer, eingeführt im 1. Weltkrieg zur Finanzierung der Reichskriegsflotte, werde noch heute bezahlt, obwohl die Flotte schon längst versenkt wurde. Kaeser unterscheidet Verbrauchssteuern und Verkehrssteuern: Im Verbrauch werde Leistungsfähigkeit deutlich. Kaeser zählt antiquierte Beispiele für Verkehrssteuern wie die Pferdesteuer auf, mit der einst versteckte Pferde „aufgetrieben“ werden und verfügbar gemacht werden sollten.

Kaeser illustriert den Einsatz von Drivaten im Siemens -Konzern. Absicherung von Preisschwankungen auf Rohstoffe mache vor allem bei Kupfer ein jährlich benötigtes Volumen von 100.000 Tonnen aus. Außerdem gehe es um die ständige Absicherung von Fremdwährungsrisiken gegenüber dem Euro. Die Absicherung von Zinsrisiken aus Refinanzierungen summiere sich auf ein Refi-Volumen von 20,7 Mrd. € (30. 9. 2013), davon 17 Mrd. € langfristig.

„Zwar nur 0,1 %,“ resümiert Kaeser, „aber laufzeitunabhängig und auf den Nominalbetrag“. Die erwartete Belastung summiere sich daher auf 100 Mio. € p.a. (davon ca. 40 Mio. € auf Derivate). Zum Vergleich: Die DAI Studie zeige bei 24 Unternehmen mit einem Gesamtumsatz von 1.100 Mrd., also 1 bis 1,5 Mrd. € p.a. Darunter sind Banken und Versicherungen nicht eingerechnet.

Kaeser macht klar, wie viele Arbeitsplätze in den Hochlohnländern abgebaut werden müssten, um diese zusätzliche Belastung aus der Finanztransaktionssteuer im Finanzergebnis wieder auszugleichen. Auch Unternehmen aus der Realwirtschaft können direkt von der Finanztransaktionssteuer erfasst werden. Die Definition des Finanzinstituts sei nicht deckungsgleich mit der KWG Definition. Außerdem komme es nicht auf die Konzern-, sondern die Individualbetrachtung an.

Kaeser warnt vor den Kaskadeneffekten. Bei zwei Finanzinstituten als Transaktionspartner ergebe sich bereits eine Verdoppelung. Da kein Vorsteuerabzug vorgesehen sei, führe die Einschaltung von Intermediären zur Vervielfachung der Belastung. Kurzfristige Geldmarktprodukte sind ebenso betroffen. Kaeser gibt das Beispiel eines Commercial Paper Program von Siemens. Die Zinssätze schwankten hier 2012 zwischen -0,03 % bis 0,7 %. Mit der Finanztransaktionssteuer würde dieser Markt tot sein und damit eine Liquiditätsquelle versiegen.

Kaeser tritt klar der Vorstellung entgegen, dass die Finanztransaktionssteuer nur die Banken treffen würde. In der betrieblichen Altersvorsorge, die ja von der Politik ausdrücklich gefordert werde, kommen durch die Finanztransaktionssteuer beachtliche zusätzliche Belastungen auf die Pensionen zu.

Die Erfassung von Währungskassageschäften sei für eine Exportnation sicher kein Erfolgsgarant. Das rechtliche Eigentum an einem WErtpapier werde nur erlangt, wenn Steuer abgeführt worden sei – das sei das Legalprinzip, das praktisch unmöglich umsetzen sei. Dann müsse künftig jeder Aktionär zur Teilnahme an der Hauptversammlung nachweisen müssen, für die von ihm erworbenen Aktien auch Finanztransaktionssteuer bezahlt zu haben.

„Jugendliche lassen sich auch nicht durch Steuern vom Alkoholkonsum abhalten“, zieht Kaeser einen Vergleich, denn das Ziel, durch eine Finanztransaktionssteuer „gefährliche“ Geschäfte zu verhindern, werde nicht erreicht.

„Ich habe kein schlechtes Gewissen“, antwortet Bergmann auf die Ausführungen von Kaeser. „Es muss sofort wieder die Keule mit den Arbeitsplätzen her.“ Bergmann rüttelt an den Annahmen der Berechnungen von Kaeser. Es solle ja nur der Eigenhandel besteuert werden.

Kaeser illustriert die Delta-Rechnung, wie denn Mehrertrag erwirtschaftet werden soll, wenn die Finanztransaktionssteuer zusätzlich getragen werden soll. Außerdem könne es von der EU-Kommission doch nicht Absicht sein, Konzerne zu Ausweichreaktionen zu veranlassen. Ferner sei es doch nicht sinnvoll, „irgendwelche“ Anpassungsreaktionen auszulösen. So sei die Empfehlung zu hören, doch einfach weniger Absicherungsgeschäfte zu machen. Wenn die Politik aber Absicherungen verhindern wolle, dann solle dies direkt und explizit geschehen und nicht über den Umweg einer Finanztransaktionssteuer.

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