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EZB-Zinserhöhungen und die drohende Deflation: Ein Blick in die Zukunft

Von Dr. Oliver Everling | 26.Oktober 2023

„Zinshoch erreicht, als nächstes kommen Zinssenkungen“, schreibt Dr. Thorsten Polleit, Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth. Ebenso äußert e sich in seinem YouTube-Kanal.

Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat kürzlich eine Entscheidung getroffen, die in wirtschaftlichen Kreisen aufmerksam verfolgt wurde: Die Leitzinsen bleiben unverändert. Mit einem Hauptrefinanzierungszins von 4,50 %, einem Spitzenrefinanzierungszins von 4,75 % und einem Einlagenzins von 4,0 %, bleiben die Zinssätze auf einem scheinbar konstanten Niveau.

In einer Pressekonferenz, die erneut von vielen Worten geprägt war, wurde jedoch eine bemerkenswerte Erkenntnis offenbart: Der EZB-Rat erkennt nun eine deutliche Abschwächung der Euro-Konjunktur. Doch die tatsächlichen Auswirkungen dieser Abschwächung könnten seiner Meinung nach noch immer unterschätzt werden.

Ein bedeutender Faktor, der zu dieser Abschwächung beiträgt, ist das Schrumpfen der Euro-Geldmengen M1 bis M3. Diese Geldmengen sind rückläufig, vor allem aufgrund der Zinserhöhungen der EZB und der nachlassenden Kreditnachfrage, die eine direkte Folge der Leitzinserhöhungen ist. Die zögerliche Kreditvergabe der Banken trägt ebenfalls dazu bei.

Die Kontraktion der Geldmengen und die sich abschwächende Kreditvergabe könnten erhebliche deflationäre Auswirkungen auf die Güterpreise im Euroraum haben. Dies bedeutet, dass die Preise für Konsum- und Produktionsgüter in den kommenden Monaten wahrscheinlich weiter sinken werden, was zu einer tatsächlichen negativen Inflation führen könnte, und zwar bereits in der ersten Hälfte des Jahres 2024.

Trotz der Beteuerungen des EZB-Rats, dass die Leitzinsen noch für längere Zeit hoch bleiben werden, ist es wahrscheinlich, dass die Öffentlichkeit und die Finanzmärkte überrascht sein werden, wenn die EZB in absehbarer Zukunft ihren Kurs ändert. Dies liegt angesichts der deflationären Effekte und der schrumpfenden Geldmenge nahe.

Ein weiterer Druckfaktor für die EZB ist der Anstieg der Zinskosten für viele Euro-Regierungen. Dies könnte den Druck auf den EZB-Rat erhöhen, die Kreditkosten wieder zu senken.

Insgesamt gesehen, so die Prognose von Thorsten Polleit, scheint das Zinshoch erreicht zu sein, und die nächste Zinsbewegung der EZB wird wahrscheinlich nach unten zeigen. Dies könnte bereits im ersten Quartal 2024 der Fall sein, selbst wenn die Inflation der Konsumgüterpreise zu diesem Zeitpunkt noch deutlich über der 2-Prozent-Marke liegt.

Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Entwicklungen auf die wirtschaftliche Stabilität der Eurozone auswirken werden, und wie die EZB auf die Herausforderungen der abschwächenden Konjunktur und der drohenden Deflation reagieren wird.

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