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Finanznachrichten lesen, verstehen, nutzen

Von Dr. Oliver Everling | 8.November 2015

Seit 20 Jahren macht sich das Handelsblatt nicht nur mit der Verbreitung von Finanznachrichten verdient, sondern auch damit, in einem kompakten, inzwischen 816 Seiten starken Buch darüber aufzuklären, wie Finanznachrichten zu lesen sind, verstanden werden und genutzt werden können. Die nun vorliegende 6. Auflage führt den Leser mitten ins Geschehen im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts. Rolf Beike und Johannes Schlütz machen sich erneut an die Arbeit, dem Leser jeden Zusammenhang von Begriffen aufzuzeigen, die jedem bei der täglichen Lektüre der Finanzzeitung oder der Börsennachrichten im Internet begegnen können.

Obwohl des Register des Buches seines Verwendung wie ein Nachschlagewerk bzw. Lexikon erlaubt, ist das Buch von Beike und Schlütz nicht mit einem Wörterbuch zu verwechseln. Die Autoren liefern Definitionen für praktisch alle verwendeten Begriffe, so dass ihr Buch auch demjenigen Leser praktischen Nutzen bringen kann, der nicht über einschlägige Vorbildung verfügt.

Die Grundstruktur des Buches ist einfach erklärt: Den wichtigsten Assetklassen sind jeweils eigene Kapitel gewidmet: Aktien, Geldmarkt und Devisen, Anleihen, Derivate, Investmentfonds bis hin zu Rohstoffen. Unter den Derivaten werden dann z.B. weiterhin Forwards, Swaps, Futures, Optionen, Traded Options, OTC-Optionen und Hebelprodukte unterschieden und eine Einführung in den Terminhandel gegeben.

Das Buch ist aber keine lehrbuchartige Abhandlung der Eigenschaftsstellen von Finanzinstrumenten, sondern hat teilweise unterhaltsamen Charakter, da sich die Autoren nicht scheuen, auch eigene Meinungen und Wertungen einfließen zu lassen. Der Leser taucht daher in die Welt der Finanzmärkte mit lebhaften Beschreibungen von Zusammenhängen und subjektiven Wahrnehmungen der Autoren, die sich aber stets auch auf wissenschaftliche Quellen berufen könnten.

Bei den angesehenen Werken aus dem Verlag Schäffer-Poeschel mag mancher Leser gewohnt sein, auch umfangreiche Fußnotenapparate und Querverweise vorzufinden. Darauf wurde in diesem Buch wohl bewusst zugunsten von Abbildungen, Tabellen, Grafiken, Kästen und Zusammenfassungen verzichtet. Randnotizen erleichtern zudem das schnelle Auffinden von Textstellen, so dass dem Leser der Einstieg in die verschiedenen Segmente der Finanzmärkte an nahezu jeder Stelle gelingen sollte.

Einleitend befassen sich die Autoren mit der Finanzkrise, die von den US-amerikanischen Subprime-Märkten ausging und sich zur Banken- und schließlich auch zur Schuldenkrise der Staaten ausweitete. Noch heute scheinen eher Symptome als Ursachen der Finanzkrise bekämpft zu sein. Daher setzen sich die Autoren zurecht mit den Beobachtungen der Krise auseinander.

So kommen Beike und Schlütz auch auf die umstrittene Rolle der US-amerikanischen Ratingagenturen zu sprechen, können hier die Probleme aber auf wenigen Seiten nur anreißen, aber nicht weiter vertiefen. So seien beispielsweise Fehler beim Umgang mit historischen Ausfallraten zu beklagen. „Der große Vorwurf, den man den Ratinggesellschaften neben den gerade angedeuteten handwerklichen Fehlern machen muss, liegt darin, dass sie Immobilienfinanzierer auch bei der Konstruktion von CDOs beraten und einen sehr tiefen Einblick in die Bewertungsmethoden gewährt haben.“

Dem Leser bleibt es in diesem Fall selbst überlassen, den logischen Widerspruch in der Kritik an den Ratingagenturen zu erkennen: Indem die Ratingagenturen „tiefen Einblick“ in ihre Kriteriologien geben, wie Beitz und Schlütz schreiben, ermöglichen sie Emittenten wie auch Investoren, Fehler in ihren Beurteilungsmaßstäben zu erkennen. Der Informationsaustausch über die angelegten Beurteilungsmaßstäbe wurde vielfach als Beratung missdeutet. Tausende von Emittenten, Banken und Investoren profitier(t)en von dem US-System, so dass vergleichsweise wenige Analysten der drei führenden Ratingagenturen für alle anderen Marktteilnehmer willkommene Buhmänner waren.

In jedem Fall gelingt es Beike und Schlütz, den Leser in allen Fachbereichen für die relevanten Fragestellungen zu sensibilisieren und Fachchinesisch verständlicher zu machen. A propos Chinesisch: Möglicherweise werden in künftigen Auflagen Entwicklungen in Asien größeren Raum einnehmen müssen.

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