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KI-Standort Deutschland im Rating

Von Dr. Oliver Everling | 30.September 2020

Prof. Dr. Florian Stahl fragt im Rahmen der vom FORUM Institut für Management GmbH veranstalteten Online-Konferenz „Big Data & AI in Financial Services Big Data & AI in Financial Services“ in der von ihm moderierten Panel-Diskussion: „KI-Standort Deutschland – Schlusslicht oder Weltspitze? Status Quo und wie können wir noch mehr erreichen?“ Vanessa Cann, Prof. Dr. Wolfgang Maaß, und Andreas Hartl geben darauf Antworten.

Vanessa Cann ist seit dem 1. Mai 2020 Geschäftsführerin im KI Bundesverband e.V. Zu ihren Verantwortungsbereichen gehören das Mitglieder- und Partnermanagement sowie die Verbandsentwicklung. Die Politikwissenschaftlerin leitete zuvor die Plattformen Künstliche Intelligenz und Future Mobility beim Bundesverband Deutsche Startups e.V., wo sie Startups mit etablierten Unternehmen und Investoren zusammenführte. Ihr Interesse für Künstliche Intelligenz entwickelte Vanessa Cann in der Politikberatung, wo sie Fortune500-Unternehmen in ihrer Digitalpolitik beriet. Sie engagiert sich als Mentorin für Startups und bei Women in AI.

Wolfgang Maaß ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insb. Wirtschaftsinformatik im Dienstleistungsbereich, Professor für Informatik (kooptiert) an der Universität des Saarlandes, wissenschaftlicher Direktor am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und außerordentlicher Professor für Biomedical Informatics an der Stony Brook University, NY. Er studierte Informatik an der RWTH Aachen und promovierte in Informatik (DFG-Stipendium). Er habilitierte sich in Betriebswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen, Schweiz. Er war Gast-Professor an der University of Texas und Stony Brook University, NY. Zusammen mit Univ.-Prof. Dr.-Ing. Thomas Bergs (WZL, RWTH Aachen) leitet er das Cognitive Manufacturing Laboratory (CML). Aktuell leitet er das KI-Leuchtturmprojekt SPAICER, dass durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird.

MinRat Andreas Hartl leitet seit August 2017 das Referat KI 1 (Strategie Künstliche Intelligenz, Datenökonomie, Blockchain) im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). Das Referat ist mit wirtschafts- und digitalpolitischen Gesichtspunkten der Künstlichen Intelligenz, der Blockchain-Technologie, der Politik offener Daten (Open Data) sowie weiterer Fragestellungen der Datenökonomie befasst. Es ist unter anderem zuständig für die Strategie Künstliche Intelligenz sowie die Blockchain-Strategie der Bundesregierung. Zudem ist es Koordinator für die Free-flow-of-Data-Verordnung der EU und federführend für die Umsetzung der PSI-Richtlinie in nationales Recht. Andreas Hartl studierte Rechtswissenschaften an der Universität Marburg und bestand 2004 das Zweite Juristische Staatsexamen. Von 2004 bis 2011 war er in der Bundesnetzagentur tätig. Anfang 2012 wechselte er in das BMWi und war bis August 2017 Referent für Grundsatzfragen der Telekommunikation sowie wettbewerbliche und regulatorische Fragen der Digitalisierung. Dort betreute er u.a. die Erstellung zunächst des Grünbuchs und im Jahr 2017 des Weißbuchs Digitale Plattformen.

Der Moderator der Panel-Diskussion, Prof. Dr. Florian Stahl, ist seit 2013 Professor für Quantitatives Marketing und Consumer Analytics an der Mannheim Business School und Co-Director des Mannheim Center for Data Science. Er forscht seit mehreren Jahren über die Anwendung von maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz zur Optimierung und Neuausrichtung des digitalen Marketings. Als akademischer Direktor des Mannheim Masters in Managament Analytics verantwortet er zudem die Ausbildung der nächsten Generation von Managern für die digitale Transformation von Unternehmen und Industrien.

Wolfgang Maaß spricht über die Attraktivität und den Bekanntheitsgrad der Arbeitgeber im Bereich KI. Deutsche Studenten wählen tendenziell den bequemeren Weg, so seine Wahrnehmung der Lebensläufe von Absolventen, die eher einen sicheren Job in einem Großunternehmen annehmen würden, als – wie in anderen Ländern – mutig eigene Firmen gründen würden.

Wolfgang Maaß sieht jedoch auch bei denjenigen, die als KI-Experten den Schritt in die Selbständigkeit wagen, Defizite in der betriebswirtschaftlichen Ausbildung. Viele KI-Experten würden die kaufmännische Führung des Unternehmens eher als Nebensache sehen, so dass sie von den Realitäten des Geschäftslebens überrascht werden.

Bei Sparkassen und Volksbanken und Raiffeisenbanken habe man schon vor zehn Jahren kontaktloses Bezahlen diskutiert. Es wurden jedoch rasch zu viele Hürden aufgebaut, um die damaligen Ideen umzusetzen und die Möglichkeiten zu nutzen. Nun, bemerkt Wolfgang Maaß, wird mit Apple Pay bezahlt. „Wozu braucht dann der Endkunde noch diese Banken. In meiner Hosentasche kommt für mich als Bürger nichts an.“ Begeisterung komme durch neue Entwicklungen, nicht durch bloße Fortschreibung der Services aus der Vergangenheit, warnt Wolfgang Maaß.

„Früher war fließendes Wasser und Strom aus der Steckdose nur für die Könige und reiche Leute“, sagt Wolfgang Maaß: So müsse es auch mit den Finanzdienstleistungen kommen. „High-End Services, die bisher nur für die Reichen verfügbar sind, sind zu kommoditisieren.“ Das wäre mit KI möglich. „Wir brauchen Bewegung in den Köpfen“, fordert Wolfgang Maaß.

Andreas Hartl lobt den vergleichsweise hohen Einsatz von KI bei Finanzdienstleistungsinstituten. In der Chemie und anderen Branchen sei der Einsatz von KI zwar auch im Vormarsch, aber noch nicht so weit wie im Finanzdienstleistung. Die deutsche Wirtschaft stehe sich selbst im Wege, da deutsche Unternehmen Wert darauf legen würden, sich auf eigene, deutsche Erfindungen zu stützen. Im Ausland sei man in dieser Hinsicht flexibler.

Andreas Hartl nennt ein Beispiel, wie die Ausschreibungspraxis KI-Entwicklungen behindere: Bei einer Ausschreibung von Flugstunden für Waldbrandlöschung fielen beispielsweise Drohnen durch, da unbemannt. Andreas Hartl sieht daher Chancen, die öffentliche Beschaffung zugunsten von KI zu verbessern.

Florian Stahl fragt nach den Implikationen der Forderung der chinesischen Regierung, bei TikTok nicht die Algorithmen offenzulegen. Andreas Hartl zeigt die Komplexität der Fragestellungen auf, die sich mit dem Einsatz von KI verbinden. Sicherheit und Verteidigung seien auch betroffen.

Vanessa Cann glaubt im Wettbewerb mit den USA, China und anderen Staaten, dass sich Europa durch andere Werte differenzieren wird. „Unsere Werte werden bestimmend sein“, sagt Vanessa Cann und macht ihrem Diskussionspunkt am Beispiel eines ihrer Mitgliedsunternehmen deutlich. Das Verpixeln von Gesichtserkennung erlaube es hier, den Anforderungen des Datenschutzes gerechtzuwerdne. Wichtig ist für Vanessa Cann, der Innovation Spielraum zu lassen. Aus öffentlichen Kassen gehen 5 Mrd. € für KI an die großen Konzerne, bei Start-ups komme davon wenig an, mahnt Vanessa Cann an.

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