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Konzentrische Kreise der Finanzkrise

Von Dr. Oliver Everling | 2.März 2009

Subprime-Krise und US-Immobilienkrise, globale Finanzkrise und Wirtschaftskrise: Der Steinwurf, der zum Frühsommer 2007 im so genannten Subprime-Segment der US-Finanzmärkte einschlug, zog rasch Wellen. Im Mittelpunkt standen die US-Immobilienmärkte, deren Überbewertungen und Fehleinschätzungen eine Vertrauenskrise auslöste. Eine globale Finanzkrise und die jetzige Wirtschaftskrise sind die Folge.

Stein des Anstoßes waren Ratings von in den USA ansässigen Ratingagenturen, die durch eine Flut von Bestnoten für riskante Wertpapiere US-amerikanischer Zweckgesellschaften Anleger in Sicherheit wogen. Anspruchsvolle mathematisch-statistische Methoden kamen auf Basis kaum praxiserprobter theoretischer Annahmen für die Analyse neuer Finanzinstrumente zur Anwendung, für die es keine historischen Beispiele oder Erfahrungswerte gab. Ein Rating „AAA“ steht für eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, dass der so beurteilte Emittent seinen Zahlungsverpflichtungen uneingeschränkt nachzukommen vermag. Daraus schlossen viele Anleger, dass diese Papiere keine Risiken bergen würden; sie übersahen die Liquiditätsrisiken, die sich noch nie zuvor wie in der jetzigen Finanzkrise gezeigt hatten.

Viele Vorwürfe, die sich zunächst an die Adresse von Ratingagenturen richteten, erwiesen sich bei genauerer Betrachtung als haltlos. Analysten von Ratingagenturen waren willkommene Buhmänner, um von elementaren geld- und finanzpolitischen Fehlern abzulenken. Schon aus dem Altertum wird überliefert, dass Überbringer schlechter Nachrichten gehenkt worden sein sollen. Mit ihren Herabstufungen übernahmen die Ratingagenturen eine delikate Rolle. Ist die Lawine der Vertrauensverluste erst einmal losgetreten, gibt es kein Halten mehr. Hier setzt die Verantwortung der Politik an: In der Finanzkrise zeigte sich, wie Schutzdämme rissen und Finanzmarktteilnehmer von der vollen Wucht der Krise überrollt wurden. Die Rahmenbedingungen waren nicht so gesetzt, wie sie ein marktwirtschaftliches System für sein gutes Funktionieren erfordert.

Die „globale Finanzkrise“ ist inzwischen eine willkommene Entschuldigung von Regierungen, eigenes wirtschafts- und finanzpolitisches Versagen zu kaschieren. Wirtschafts- und finanzpolitische Kompetenz zeigt sich erst durch Expertise im Detail, Beispiel „Rating“: Die zentrale Rolle von Ratings an den Finanzmärkten und die weitreichenden Fehlsteuerungswirkungen ihrer Fehlinterpretationen wurden unterschätzt. Auf nationaler wie auch europäischer Ebene wurde es versäumt, sich der Funktionsweise des Ratingwesens anzunehmen. So konnte sich ein Meinungsmonopol bei zwei bis drei führenden Ratingagenturen etablieren, das zwar schon kurz vor Ausbruch der Krise durch das Reformgesetz über Kreditratingagenturen 2006 in den USA einer aufsichtsrechtlichen Kontrolle unterworfen wurde, aber zu spät, um langjährigen Missständen entgegenzuwirken. Erst nach den Wellenschlägen der Krise kam es auch in Europa zu ersten Regulierungsanstrengungen.

Wie ein System der Zentralverwaltungswirtschaft birgt auch eine Finanzmarktstruktur, die die Betätigung der Schleusen für die Geld- und Kapitalflüsse in die Hand von nur zwei oder drei Ratingagenturen legt, die Gefahr von Fehlsteuerungen. Die Konzentration von Befugnissen auf wenige Akteure steigert das Risiko katastrophaler Fehlallokationen. Wie der Wettbewerb unter den Unternehmen muss die Meinungspluralität unter Analysten dafür sorgen, dass sich die besseren Ideen und die verlässlicheren Urteile durchsetzen. Nicht mehr und nicht weniger, als den Rahmen dafür zu setzen, muss Aufgabe der Politik sein.

Folgt man den konzentrischen Ringen der Finanzkrise, liegen die Probleme der Beurteilung und Bewertung von Kreditportfolien für US-Immobilien in ihrem auslösenden Mittelpunkt. Die deutsche Immobilienwirtschaft erwies sich bis heute als vergleichsweise robust. Von einer Immobilienkrise wie in den USA kann in Deutschland nicht gesprochen werden. Den globalen Trend zur Internationalisierung der Immobilienvermögen wird die gegenwärtige Finanzkrise dennoch nicht brechen. Auf Manager von Immobilienportfolien kommt daher verstärkt die Herausforderung zu, Investments in Immobilien zu dokumentieren, zu analysieren, zu vergleichen und zu optimieren. Ratingansätze können dabei eine wichtige Stütze sein, Chancen und Risiken zu untersuchen und Anlagequalitäten zu klassifizieren.

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