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Moody’s „keine qualifizierte Ratingagentur“

Von Dr. Oliver Everling | 26.August 2021

Die Volksrepublik China einmal „liberaler“ als die Europäische Union: Während in der Europäischen Union (EU) es jedem Unternehmen ohne Genehmigung untersagt ist, frei die Meinung über die Bonität anderer Unternehmen in Form von Bonitätsnoten zu äußern, lässt die Volksrepublik China hier mal etwas mehr Meinungsfreiheit zu. In der Europäischen Union besteht für jedes Unternehmen, das die Veröffentlichung von Kreditratings nach der EU-Verordnung über Ratingagenturen (CRAR) von 2009 beabsichtigt, eine Autorisierungspflicht.

Nur registrierte oder zertifizierte Ratingagenturen (CRA) dürfen in der EU die Meinungen ihrer Analysten öffentlich verbreiten. Wer dennoch frei seine Meinung äußert, muss mit hohen Geldußen rechnen. Tatsächlich hat die zuständige Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) von diesen Sanktionsmöglichkeiten bereits gegenüber einer Reihe von Unternehmen Gebrauch gemacht.

Gemäß der CRAR erfordert die Ausgabe von Ratings eine Genehmigung durch die ESMA, um sicherzustellen, dass diese Ratings unabhängig, objektiv und von angemessener Qualität sind und dass Ratingagenturen (CRAs) in allen EU-Ländern denselben Regeln und derselben Aufsicht unterliegen. Um als CRA in der EU registriert zu werden, muss ein Unternehmen nachweisen, dass es die notwendigen organisatorischen Anforderungen erfüllt und angemessene Garantien bietet, insbesondere in Bezug auf Governance, Interessenkonflikte, interne Kontrollen, Ratingverfahren und -methoden, Geschäftsaktivitäten und Offenlegungen. Das Versäumnis einer Firma, die Registrierung vor der Erteilung von Ratings zu beantragen, stellt einen Verstoß gegen die CRAR dar.

ESMA hatte beispielsweise gegen Danske Bank, Nordea Bank, SEB, Svenska Handelsbanken und Swedbank jeweils eine Geldstrafe von 495.000 Euro verhängt und fünf öffentliche Mitteilungen wegen fahrlässiger Verletzung der Ratingagenturen-Verordnung (CRAR) verbreitet. Die ESMA stellte fest, dass die fünf Banken gegen die CRAR verstoßen haben, indem sie ohne Genehmigung der ESMA Ratings abgegeben hatten.

Zwischen Juni 2011 und August 2016 erstellten die fünf Banken Kreditanalysen für ihre Kunden – und die SEB tat dies bis Mai 2018. Diese Kreditanalysen umfassten die Ausgabe von sogenannten Schattenratings. Die ESMA untersuchte diese Bericht, die sich auf verschiedene Unternehmen und zugrundeliegende Finanzinstrumente bezogen.

Die Delinquenten hätten in ihren Berichten keine Stellungnahmen veröffentlichen dürfen, von denen die ESMA feststellte, dass sie der Definition eines Kreditratings gemäß der CRAR entsprachen. „Allerdings hatte keine Bank die erforderliche ESMA-Genehmigung zur Abgabe von Ratings erworben,“ stellte ESMA fest, „und ein solches Verhalten verstößt gegen die CRAR, denn es bedarf einer vorherigen Genehmigung.“

Die einzelnen Bußgeldbeträge berücksichtigten den erschwerenden Umstand, dass die Banken die Zuwiderhandlung seit mehr als sechs Monaten begangen hatten, berücksichtigten aber auch den mildernden Umstand, dass jede Bank freiwillig Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass ähnliche Zuwiderhandlungen in Zukunft nicht mehr begangen werden können.

Die Regulierung und Registrierung bzw. Zertifizierung von Ratingagenturen zwingt diese Agenturen in ein Abhängigkeitsverhältnis. Entzieht in der EU die zuständige Aufsichtsbehörde ESMA einer Agentur die Autorisierung, bricht für dieses Unternehmen in der Regel das Geschäftsmodell zusammen bzw. zwingt es, sich auf „private Ratings“, die nicht veröffentlicht werden dürfen, zu beschränken oder in ein anderes Geschäftsmodell zu mutieren.

In Staaten, in denen es die Möglichkeit, aber nicht die Pflicht zur Autorisierung gibt, ziehen es daher manche, um ihre Neutralität und Unabhängigkeit besorgte Agenturen vor, sich (zunächst) nicht dem Verfahren zur Anerkennung auszusetzen und gegebenenfalls aus dem Verfahren resultierende Auflagen und Anforderungen zu erfüllen.

Während die Moody’s Corporation (MCO) mit ihrer Tochter Moody’s Investors Service sonst überall auf der Welt zu den führenden und anerkannten Agenturen gehört, leistet sich die Agentur in der Volksrepublik China die Freiheit, unabhängig von einer Anerkennung tätig zu sein und ihre Ansichten und Meinung zu verbreiten.

Daher findet sich in Moody’s Publikationen der Hinweis: „Nur für die VR China: Weder MCO noch eines seiner mehrheitlich im Besitz befindlichen verbundenen Unternehmen ist eine qualifizierte Ratingagentur in der VR China. Beliebige Bewertung von MCO oder eines seiner im Mehrheitsbesitz befindlichen verbundenen Unternehmen: (1) stellt kein Rating dar, wie es gemäß den einschlägigen Gesetzen oder Vorschriften der Volksrepublik China erforderlich ist; (2) kann nicht in Registrierungserklärungen, Angebotsrundschreiben, Prospekten oder anderen Dokumenten enthalten sein, die den Aufsichtsbehörden der VRC vorgelegt werden; und (3) dürfen innerhalb der VR China nicht für regulatorische Zwecke oder für andere Zwecke verwendet werden, die nach den einschlägigen Gesetzen der VR China nicht zulässig sind. Nur für die Zwecke dieses Absatzes bezieht sich ‚VR China‘ auf das Festland der Volksrepublik China, ausgenommen (i) Hongkong SAR, China, (ii) Macau SAR, China, und (iii) Taiwan, China.“

Moody’s ist demnach keine „qualified credit rating agency within the PRC“, so wörtlich. Die Vorstellungen darüber, wann eine Ratingagentur „qualifziert“ ist, können weit auseinandergehen. Was hier wie ein Manko aussieht, ist in Wahrheit eine Stärke: Moody’s kann es sich leisten, erst dann die „Qualifizierung“ durch die Volksrepublik China zu erhalten, wenn nicht Moody’s die Vorstellungen der Volksrepublik China, sondern umgekehrt die Volksrepublik China die Vorstellungen von Moody’s erfüllt. Erst dann dürfte Moody’s auch den Erwartungen von Marktteilnehmern entsprechen, wirklich unabhängige Bonitätsurteile zu geben.

Themen: Ratings | Kein Kommentar »

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