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Noch eine Chance für die FDP?

Von Dr. Oliver Everling | 10.Juli 2017

„Der Nettoertrag aus dem Autorenhonorar dieses Buches kommt der gemeinnützigen Anke und Dr. Gerhard Papke-Stiftung zur Förderung sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher zugute.“ Dr. Gerhard Papke strebt mit seinem Buch nicht an, sich an der Offenlegung seiner persönlichen Eindrücke von der FDP und insbesondere der Führung der Partei zu bereichern. Der Lohn seiner Arbeit ist immaterieller Art, seine Absicht: „Am Ende einer ereignisreichen parlamentarischen Laufbahn politische
Bilanz zu ziehen“. Papke will „nicht nur Einblicke in einige spannende Kapitel nordrhein-westfälischer Landespolitik“ geben, sondern auch die Bezüge zur Bundespolitik eben auch den Entwicklungsrahmen für seine Einschätzungen von Prozessen und Personen“ preisgeben.

Für einen solchen Buchtitel eher ungewöhnlich ist der von Papke gewählte Verlag in München, dem FinanzBuch Verlag aus der Münchner Verlagsgruppe. „Was ich über ihn [Guido Westerwelle], Jürgen Möllemann oder auch Christian Lindner schreibe, erhebt keinen Anspruch auf wissenschaftliche Objektivität. Es basiert auf belegbaren und belegten Fakten und meinem gut geführten Privatarchiv“, so Papke und schreibt über seine Sorgen: „Die repräsentative Parteiendemokratie verliert an Unterstützung.“ Insbesondere während der FDP-Regierungsbeteiligung in Nordrhein-Westfalen zwischen 2005 und 2010 konnte Papke als Fraktionschef der FDP wichtige Elemente marktwirtschaftlicher Reformpolitik mit durchsetzen.

„Mut“ ist für Papke nicht bloß eine „stylische Werbebotschaft“, wie er schreibt: „Die FDP hat wesentliche Richtungsentscheidungen in der Geschichte der Bundesrepublik bewirkt, weil sie bereit war, ihre Existenz für ihre Haltung aufs Spiel zu setzen.“ Christian Lindner verfolge „eine Politik systematischer Risikominimierung“, ist Papke überzeugt und bescheinigt ihm einen Spürsinn dafür, Positionen zu vermeiden, mit denen Lindner eine umstrittene politische Debatte auslösen könnte. „Christian Lindner wird gewissermaßen zum modernen Perfektionierer des politischen Mainstreams.“

„Beschlüsse wie für die generelle Einführung von Mehrfachstaatsbürgerschaften oder die Freigabe von Rauschgift widersprechen meiner persönlichen Überzeugung und rücken die FDP innenpolitisch nach links. Damit wird der Weg für Ampel-Koalitionen mit SPD und Grünen erleichtert“, begründete Papke im September 2016 seine Entscheidung, nicht erneut für den Landtag in Nordrhein-Westfalen zu kandidieren. Ihm fehlte „eine wirklich klare Haltung gegen die ungesteuerte Massenzuwanderung nach Deutschland und die Bereitschaft zur nationalen Sicherung unserer Grenzen“.

„Der Zustrom Hunderttausender junger Männer aus rückständigen, islamisch geprägten Gesellschaften, denen die Gleichberechtigung von Frauen und Männern völlig fremd ist, gefährdet unsere offene Gesellschaft“, glaubt Papke, dessen Positionen in dieser Frage nicht in einem Widerspruch zur aktuellen Position der FDP steht. Möglicherweise bedurfte es aber seines politischen Rückzugs, um seine Parteifreunde in diesen und weiteren Fragen aufzurütteln. Papke nutzt sein Buch, um seine teils missverstandenen Thesen zum Islamismus in Deutschland zu rechtfertigen.

Mit seinem Buch leistet Papke darüber hinaus einen wertvollen Beitrag zur Geschichtsschreibung der FDP, denn er stellt kurzweilig und flüssig für die Partei wesentliche, historische Stationen dar. Wer sich die Spannung alter Tage der Partei in Erinnerung rufen will, kommt hier auf seine Kosten. Detailliert kommt Papke auf seine ersten Begegnungen mit Christian Lindner und ihren gemeinsamen Weg ins Parlament, die Arbeit im Landtag, das „Projekt 18″ und das tragisches Ende, den Machtwechsel in Nordrhein-Westfalen, die Landtagswahl 2005 und den Kurs marktwirtschaftlicher Eneuerung, Guido Westerwelle, den missverstandenen Wahlerfolg 2009 und die „Boygroup“, die Landtagsauflösung 2012, das Wahldesaster der FDP 2013 und weitere Ereignisse zu sprechen.

Selbst für politisch ambitionierte Leser dürften einige Passagen des Buches jedoch zu detailliert sein, um über die Parteigrenzen der FDP hinaus von Interesse zu sein. Wen interessieren genaue Wahlergebnisse von Parteitagen, die Jahre zurückliegen? Spätestens seit ihrer Kritik am erzwungenen Rundfunkbeitrag und seit ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag werden die FDP und ihre politischen Talente im deutschen Staatsfernsehen geschnitten. Der öffentliche Bekanntheitsgrad vieler, fähiger FDP-Politiker ist daher so begrenzt, dass Papke über NRW hinaus kaum Aufmerksamkeit eines breiten Leserpublikums erwarten darf. Das könnte sich mit dem Wiedereinzug der FDP in den Bundestag allerdings ändern.

Dem politischen Gegner tut Papke in seinem Buch nicht den Gefallen, durch Bruch der Vertraulichkeit oder Privatsphäre in aller Öffentlichkeit schmutzige Wäsche zu waschen. Dazu gibt es weder bei Gerhard Papke, noch bei Christian Lindner oder anderen Politikern der FDP Ansatzpunkte. Papke lässt es aber in seinem Buch nicht zu, dem bisher jüngsten Parteivorsitzenden in der Geschichte der FDP schon heute Bronzestatuen und Denkmäler zu bauen. Zieht die FDP nach der Wahl wieder in den Bundestag ein, wird Lindner unter Beweis stellen können, ob die in Lindner und die Partei gesetzten neuen Hoffnungen berechtigt sind.

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