DORA: Regulatorische Pflicht oder echter Resilienztest für den Finanzsektor?
Von Dr. Oliver Everling | 14.Mai 2025
Auf der 20. Jahreskonferenz „Finanzdienstleister der nächsten Generation“ des Frankfurt School Forum diskutierten Armin Reinhardt, Senior Manager Risk Advisory Insurance bei Deloitte, und Jens Bläser, Director bei Deloitte, eine der drängendsten Fragen der Branche: „Macht DORA Finanzinstitute wirklich widerstandsfähiger?“ Ihre gemeinsame Analyse des Digital Operational Resilience Act(DORA) offenbarte ein differenziertes Bild – zwischen regulatorischer Notwendigkeit, strukturellem Paradigmenwechsel und praktischen Herausforderungen bei der Umsetzung.
Beide Experten machten deutlich: DORA verändert die Spielregeln im Finanzsektor grundlegend. Während früher einzelne Vorgaben ausreichten, verlangt DORA ein durchgängiges, wirksam funktionierendes Resilienzmanagement. Es geht nicht mehr nur darum, Dokumente zu erstellen, sondern darum, dass Prozesse tatsächlich gelebt werden – im Alltag, in der Krise, in der gesamten digitalen Infrastruktur. Der Anspruch ist hoch: Resilienz muss messbar, steuerbar und überprüfbar sein – und zwar institutionenweit.
Dabei greift die Regulierung tief in bestehende Strukturen ein. Erstmals kommen viele IT-Dienstleister, die bisher im Hintergrund arbeiteten, durch DORA direkt in den Fokus der Bankenaufsicht. Ob Informationsregister, IKT-Vorfälle oder Drittparteirisiken: Die Anforderungen an Governance, Risiko- und Incident-Management steigen erheblich. Die Referenten zeigten auf, dass der aktuelle Umsetzungsstand in der Praxis stark variiert – insbesondere in den Dimensionen Governance & Strategie, IKT-Risikomanagement, Drittparteiensteuerung, Vorfallmanagement, Business Continuity Management sowie Testing.
Ein besonderer Schwerpunkt lag auf dem Threat-Led Penetration Testing (TLPT). Wer dieses verpflichtende Testverfahren unterlässt, riskiert empfindliche Sanktionen – laut Jens Bläser bis zu 5 Millionen Euro. Auch eine Nichtmeldung von IKT-bezogenen Vorfällen kann teuer werden. Verstöße gegen DORA betreffen nicht nur das FinmadiG, sondern ebenso VAG und KWG. Damit wird deutlich: Die digitale operative Resilienz ist kein Spezialthema mehr, sondern rückt ins Zentrum regulatorischer Aufsicht.
Trotz aller Anforderungen und Risiken bleiben gewisse Einschränkungen. Reinhardt und Bläser betonten, dass auch ein vollständig DORA-konformes Institut nicht automatisch vor digitalen Angriffen geschützt ist. Wenn Angriffe im Hintergrund unentdeckt bleiben, Daten extrahiert und Spuren verwischt werden, können selbst umfangreiche Resilienzmaßnahmen ins Leere laufen. DORA decke zwar alle Phasen eines Angriffs ab – vom Eindringen bis zur Datenausleitung –, doch letztlich komme es auf die konsequente Umsetzung und operative Wirksamkeit an.
Fazit der beiden Deloitte-Experten: DORA bringt ohne Zweifel ein neues Resilienzniveau in die Finanzbranche – jedoch nur dann, wenn die Regeln nicht nur dokumentiert, sondern auch täglich gelebt und geprüft werden. Der Weg zur echten Widerstandsfähigkeit ist damit nicht nur ein regulatorischer, sondern vor allem ein kultureller und technologischer Transformationsprozess.
Themen: Bankenrating | Kommentare deaktiviert für DORA: Regulatorische Pflicht oder echter Resilienztest für den Finanzsektor?
Resilienz statt Rausch: BNP Paribas über die Zukunft der Bank
Von Dr. Oliver Everling | 14.Mai 2025
Die Zukunft der Finanzbranche verlangt nicht nur innovative Technologien, sondern vor allem auch Stabilität, Anpassungsfähigkeit und Vertrauen. Unter diesem Leitmotiv stand die 20. Jahreskonferenz des Frankfurt School Forum, die am 14. Mai 2025 unter dem Titel „Finanzdienstleister der nächsten Generation 25 – Cybersecurity, Threat Intelligence, Gen AI, Resilience“ an der Frankfurt School of Finance & Management stattfand. Die Jubiläumsausgabe der renommierten Veranstaltungsreihe bot eine hochkarätige Plattform für den Austausch zwischen Wissenschaft, Finanzwirtschaft und Technologiebranche. Moderiert wurde die Konferenz von Prof. Dr. Daniel Beimborn, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Universität Bamberg, der mit einem klaren Fokus auf die strategische Rolle von IT, Sicherheit und Innovation durch das Programm führte.
Zum Auftakt stellte Prof. Beimborn den ersten Redner des Tages vor: Dr. Carsten Esbach, Chief Operating Officer für Deutschland und Österreich bei BNP Paribas. In seiner Opening Keynote sprach Dr. Esbach über „Resilienz als kritischer Erfolgsfaktor für ein europäisches Kreditinstitut“ und lieferte einen tiefen Einblick in das Selbstverständnis, die strategischen Prioritäten und die operative Realität eines der führenden Finanzinstitute Europas.
BNP Paribas, so Esbach, verstehe sich als europäische Bank mit globaler Reichweite – tätig in 64 Ländern und mit rund 175.000 Mitarbeitenden weltweit. Die Struktur der Gruppe sei bewusst breit diversifiziert: sowohl geografisch als auch hinsichtlich der Kundensegmente, Branchen und Geschäftsbereiche. Das Geschäftsmodell ruhe auf drei zentralen Säulen – Commercial, Personal Banking & Services; Investment & Protection Services; sowie Corporate & Institutional Banking – und sei mit Bedacht solide aufgestellt. Dr. Esbach griff dabei auf ein einprägsames Bild zurück: Die Bank sei „ohne Alkohol“ aufgestellt – nicht spektakulär berauschend, aber eben auch ohne Kater. Diese nüchterne, verantwortungsbewusste Haltung spiegele sich auch in der Performance der Aktie wider, der man eine Entwicklung wie einem Rentenpapier nachsage: stabil, vorhersehbar, risikoarm.
Ein zentrales Element dieser Stabilität sei die robuste Finanzstruktur der Gruppe. Die CET1-Quote – ein wesentlicher Indikator für die Eigenkapitalausstattung – liegt bei 12,4 Prozent. Doch Resilienz bedeute für BNP Paribas mehr als nur Bilanzkennzahlen. Entscheidend seien ebenso technologische Innovationskraft, operative Widerstandsfähigkeit und ein klares Bekenntnis zur Nachhaltigkeit. Mit über 780 implementierten KI-Anwendungsfällen bis zum ersten Halbjahr 2024 gehört BNP Paribas zu den technologisch führenden Banken in Europa. Rund 800 Spezialistinnen und Spezialisten arbeiten konzernweit im Bereich Künstliche Intelligenz. Mehr als 260 Initiativen, Pilotprojekte und Proof-of-Concepts wurden mit innovativen EinTechs umgesetzt – darunter auch mit dem vielbeachteten Start-up Mistral.ai. Die Cloud-Nutzung nimmt kontinuierlich zu: 49 Prozent der Anwendungen basieren inzwischen auf Cloud-Infrastrukturen, was einem Zuwachs von 50 Prozent seit Beginn des aktuellen Strategieplans entspricht.
Auch regulatorische Anforderungen wie die europäische DORA-Verordnung – Digital Operational Resilience Act – stehen im Fokus. Esbach machte deutlich, dass DORA kein einmaliges Projekt sei, sondern als kontinuierliche Managementaufgabe verstanden werde. Die Sicherstellung einer verlässlichen, widerstandsfähigen und transparenten IT-Infrastruktur sei eine Grundvoraussetzung für die Erreichung der Unternehmensziele und zur Minimierung operationeller Risiken. Dazu gehört auch der strategische Ausbau von Partnerschaften, etwa mit IBM Cloud, um IT-Sicherheit und Skalierbarkeit langfristig zu gewährleisten.
Ein weiteres Highlight der Präsentation war das Kontomodell „Nickel“, das exemplarisch für die Philosophie von BNP Paribas steht, Banking für alle zugänglich, verständlich und sicher zu machen. Nickel verzichtet bewusst auf Dispokredite, um Kundinnen und Kunden volle Kontrolle über ihr Geld zu ermöglichen – ohne Überraschungen, ohne versteckte Risiken. Das Konto sei für alle gedacht: jung oder alt, arm oder reich, für Ramensäue ebenso wie für Couchpotatoes, so Esbach mit einem Augenzwinkern. Das Prinzip dahinter sei einfach: Jeder Mensch verdiene Zugang zu Zahlungsdienstleistungen – um bezahlen zu können und bezahlt zu werden. Nickel sei „100 Prozent nützlich und 0 Prozent riskant“ – ein klares Statement für inklusive Finanzprodukte im digitalen Zeitalter.
Neben Kunden und Technologie richtete Esbach einen besonderen Fokus auf die Mitarbeitenden. BNP Paribas investiere gezielt in eine moderne, digitale Arbeitsumgebung, die weltweit konsistent, benutzerfreundlich und leistungsfähig sei. Die Grundlage für den Erfolg dieser Transformation sei die breite Akzeptanz durch die Mitarbeitenden – ermöglicht durch eine gelungene Verbindung aus funktionalem Design, intuitiver Bedienung und hoher Performance. Die Unternehmenskultur sei geprägt von flachen Hierarchien, einem selbständigen Arbeitsstil und einer hohen Diversität. Ein besonderes Augenmerk liege auf der Gesundheit und Entwicklung der Mitarbeitenden sowie auf der internen Mobilität, die zahlreiche Karrieremöglichkeiten eröffne.
Zum Abschluss seiner Keynote betonte Dr. Esbach, dass BNP Paribas durch ein robustes Geschäftsmodell, kontinuierliche technologische Innovation und ein starkes Engagement für Nachhaltigkeit hervorragend aufgestellt sei, um zukünftige Herausforderungen zu meistern, Chancen zu nutzen und nachhaltiges Wachstum zu sichern. In einer Zeit wachsender Unsicherheiten und rasanten Wandels sei Resilienz keine Option mehr – sondern die Grundlage langfristiger Wettbewerbsfähigkeit.
Themen: Bankenrating | Kommentare deaktiviert für Resilienz statt Rausch: BNP Paribas über die Zukunft der Bank
Zollpause als Chance – aber Unsicherheiten bleiben
Von Dr. Oliver Everling | 13.Mai 2025
„Die Einigung zwischen China und den USA auf eine 90-tägige ‚Zollpause‘ ist grundsätzlich eine gute Nachricht – vor allem für die chinesische und die US-Volkswirtschaft.“ Mit diesen Worten bewertet Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank DONNER & REUSCHEL, das vorübergehende Einlenken im Handelsstreit der beiden größten Volkswirtschaften der Welt. Die Reaktion an den Märkten war prompt: „Entsprechend reagierten chinesische und amerikanische Aktienmärkte besonders positiv.“
Hintergrund ist die enorme Belastung, die die bisherigen Strafzölle mit sich brachten. „Die bisherigen gegenseitigen Zollsätze von weit über 100 Prozent waren für beide kaum durchhaltbar und hätten bei längerem Bestand die Rezessionswahrscheinlichkeit deutlich erhöht“, erklärt Mumm. Eine Entspannung könnte daher auch unmittelbare Auswirkungen auf globale Konjunkturaussichten haben.
Gleichzeitig mahnt der Ökonom zur Vorsicht: „Denn es ist unvorhersehbar, ob nicht nach oder gar während der Frist wieder neue Handelsrestriktionen erlassen werden, zumal erhöhte Sonderzölle auf bestimmte Produktkategorien weitergelten.“ Damit bleibe die Unsicherheit hoch – mit direkten Folgen für Investitionsentscheidungen, Prognosen und Erwartungen an den Kapitalmärkten.
Die Auseinandersetzung zwischen den USA und China sei ohnehin nicht allein auf die aktuelle Zollfrage beschränkt. „Dabei spielt eine wesentliche Rolle, dass sich die USA und China in einem Wettlauf um die globale Führungsstellung in wirtschaftlicher und technologischer Hinsicht befinden, der die kommenden Jahrzehnte prägen wird.“
Trotz aller Risiken sieht Mumm Chancen für Anleger – wenn diese besonnen handeln. „Den Kopf in den Sand zu stecken und erst wieder zu investieren, wenn die Unruhe vorüber ist, wäre daher die falsche Strategie.“ Stattdessen empfiehlt er eine Rückbesinnung auf bewährte Prinzipien: „Vielmehr macht es Sinn, klassische Grundsätze der Kapitalanlage wieder stärker in den Vordergrund zu rücken.“ Dazu zählt er etwa Diversifikation, Risikostreuung und eine fundierte Unternehmensanalyse. Denn: „Vor allem innovative und dynamische sowie gleichzeitig sehr resiliente Geschäftsmodelle tragen auch in schwer kalkulierbaren Phasen zur Stabilität eines Portfolios bei.“
Themen: Aktienrating | Kommentare deaktiviert für Zollpause als Chance – aber Unsicherheiten bleiben
Mid-Caps im Fokus: Warum sich ein Blick auf mittelgroße Unternehmen jetzt besonders lohnen könnte
Von Dr. Oliver Everling | 12.Mai 2025
In einem zunehmend unsicheren Marktumfeld gewinnen bislang oft übersehene mittelständische Unternehmen – sogenannte Mid-Caps – deutlich an Bedeutung. Anjli Shah, Managerin des abrdn SICAV I – Global Mid-Cap Equity Fund bei Aberdeen Investments, erklärt, warum diese Unternehmen gerade in volatilen Zeiten eine attraktive Anlageoption darstellen.
„Mid-Caps wurden lange Zeit von Anlegern übersehen“, stellt Shah fest. „Auch heute gibt es nur eine begrenzte Anzahl globaler Fonds, die sich gezielt auf dieses Marktsegment konzentrieren.“ Dabei biete gerade die aktuelle Marktlage Chancen: „Jetzt könnte ein günstiger Zeitpunkt sein, eine gezielte Allokation in diese Anlageklasse in Erwägung zu ziehen.“
Mid-Caps zeichnen sich laut Shah durch mehrere Vorteile aus: „Sie bieten nicht nur attraktive Diversifizierungsvorteile, sondern sind im Vergleich zu Großunternehmen weltweit derzeit rekordverdächtig günstig bewertet.“ Trotz dieser günstigen Bewertung hätten Mid-Caps in den vergangenen 25 Jahren „höhere Renditen erzielt als ihre größeren Pendants“.
Darüber hinaus seien Mid-Caps auch als Gegengewicht zu überrepräsentierten US-Mega-Stocks interessant: „Mid-Caps können so als attraktiver ‚Sweet Spot‘ für Anleger in der momentan volatilen Lage überzeugen“, so Shah. „Dieses Marktsegment bietet damit Potenzial für höhere Renditen als Large-Caps – bei gleichzeitig geringerem Risiko verglichen mit Small-Caps.“
Ein Blick auf den MSCI World Mid-Cap Index unterstreicht dieses Bild. Wie Shah erläutert: „Die Daten zeigen, dass der MSCI World Mid-Cap Index in den 25 Jahren bis zum 27. April 2025 ein höheres durchschnittliches Wachstum verzeichnete als der MSCI World Large-Cap Index.“ Gleichzeitig sei die Volatilität geringer gewesen als bei Small-Caps – also weniger Schwankung bei höherer Rendite.
Ein weiterer Punkt: Mid-Caps zeigen sich im aktuellen Abschwung vergleichsweise robust. „Im Zuge des aktuellen Marktabschwungs haben Anleger vergleichsweise weniger Kapital aus globalen Mid-Caps abgezogen als aus Large-Caps und Small-Caps“, erklärt Shah. „Dies könnte ein Hinweis auf die besondere Attraktivität dieses ‚Sweet Spots‘ inmitten der aktuellen Marktturbulenzen sein.“
Auch die Bewertungen sprechen laut Shah eine klare Sprache: „Das KGV von Mid-Caps liegt aktuell auf dem niedrigsten Niveau seit 2009 und deutlich unter dem historischen Durchschnitt – ein Hinweis darauf, dass Mid-Caps derzeit im Vergleich zu Large-Caps besonders attraktiv bewertet sind.“
Die relative Stärke zeigt sich auch in der Jahresperformance: „Bis zum 27. April verzeichnete der MSCI World Mid-Cap Index eine kumulierte Rendite von -0,47 % seit Jahresbeginn“, führt Shah aus. „Damit fiel der Rückgang geringer aus als beim MSCI World Index (-1,94 %) und beim MSCI World Small-Cap Index (-4,10 %).“
Shah betont außerdem die Qualität vieler Mid-Cap-Unternehmen: „Unternehmen, die den Sprung von Small-Cap zu Mid-Cap geschafft haben, verfügen in der Regel über etablierte, widerstandsfähige Geschäftsmodelle – und behalten dennoch ihre unternehmerische Agilität.“ Dadurch seien sie oft weniger riskant als Small-Caps, ohne auf Wachstum zu verzichten.
Allerdings sei bei Mid-Caps aktives Management besonders wichtig: „Mid-Caps sind im Vergleich zu Large-Caps häufig weniger gut erforscht und werden von Analysten seltener abgedeckt. Genau darin liegt eine Chance – nämlich die Möglichkeit, bislang unentdeckte Marktchancen und ‚versteckte Perlen‘ zu identifizieren.“
Abschließend rät Shah zu einer aktiven Anlagestrategie: „Passive Anlagestrategien, wie der Einsatz eines passiven ETFs, sind für Mid-Caps nicht zu empfehlen. Stattdessen sollte der Fokus auf qualitativ hochwertigen Unternehmen mit nachhaltigen Geschäftsmodellen und soliden Finanzkennzahlen liegen.“
Ihr Fazit ist eindeutig: „Für Anleger, die in Mid-Caps investieren wollen, ist nun jedoch ein guter Zeitpunkt. Denn die Bewertungen von Mid-Caps liegen im historischen Vergleich zu Large Caps auf einem Rekordtief – was einen Einstieg potenziell umso attraktiver macht.“
Themen: Aktienrating, Ratings | Kommentare deaktiviert für Mid-Caps im Fokus: Warum sich ein Blick auf mittelgroße Unternehmen jetzt besonders lohnen könnte
Neustart unter Merz: Wie Investitionspakete und Reformen Deutschlands Ratings beeinflussen könnten
Von Dr. Oliver Everling | 7.Mai 2025
Die Wahl von Friedrich Merz zum zehnten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland markiert nicht nur einen politischen Wendepunkt, sondern könnte auch eine bedeutende Signalwirkung auf die Kreditwürdigkeit Deutschlands und damit auf dessen Credit Ratings haben. Deutschland, das nach der Corona-Krise das Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum in Europa war, setzt nun mit ambitionierten Investitionspaketen in Verteidigung und Infrastruktur auf eine wirtschaftliche Erneuerung. Christoph Ohme, Leitender Portfoliomanager bei ODDO BHF Asset Management, sieht darin eine Chance: „Mit den beiden Investitionspaketen für Verteidigung und Infrastruktur besteht nun endlich die Chance, strukturelle Wachstumshindernisse anzugehen und das große Potenzial unserer innovativen Unternehmen freizusetzen.“ Solche Investitionen sind nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht bedeutsam, sondern wirken sich auch positiv auf die Bewertung der Kreditwürdigkeit eines Landes aus, da sie langfristige Wachstumsperspektiven und höhere Steuereinnahmen versprechen.
Für Ratingagenturen sind neben fiskalischer Stabilität auch strukturelle Reformen entscheidend. Ohme fordert in diesem Zusammenhang, dass „unnötige bürokratische Hürden abgebaut werden“ – ein Aspekt, der im Zusammenhang mit der Effizienz staatlicher Institutionen und damit auch mit der Bewertung von Kreditrisiken steht. Eine effizientere Verwaltung kann das Vertrauen der Kapitalmärkte stärken und somit zu stabileren oder gar verbesserten Credit Ratings führen.
Das 500-Milliarden-Euro-Infrastrukturpaket könnte laut Prognosen das BIP-Wachstum ab 2026 um bis zu 1,4 % steigern. „Auch die Unternehmensgewinne können dann wachsen“, betont Ohme, was auf eine mittel- bis langfristig verbesserte wirtschaftliche Fundamentallage hindeutet – ebenfalls ein entscheidender Faktor für Ratingentscheidungen. Die Aussicht auf zweistellige Gewinnzuwächse bei börsennotierten Unternehmen erhöht zudem die Attraktivität des Standortes Deutschland für Investoren. Positive Kapitalzuflüsse – Ohme spricht von einer „weiteren Kapitalrotation aus den USA in die europäischen Märkte“ – deuten auf ein gestärktes Vertrauen in die wirtschaftliche Stabilität hin, was sich wiederum günstig auf Ratings auswirken kann.
Auch wenn geopolitische Risiken wie US-Zollerhöhungen drohen, betont Ohme: „Aufgrund der wechselhaften Nachrichtenlage rechnen wir in den nächsten Tagen und Wochen mit einer erhöhten Volatilität.“ Solche Unsicherheiten wirken sich zunächst negativ auf Marktstimmung und Risikoeinschätzung aus, jedoch zeigt seine Einschätzung, dass die Bewertung des deutschen Markts aktuell günstiger ist als die des US-Markts – ein potenzieller Vorteil bei der Risikobewertung durch Ratingagenturen. Die potenziell wachstumshemmenden Effekte durch Zölle – „Die Kosten der Zölle könnten das Wachstum im Jahr 2026 um 0,9 % reduzieren“ – zeigen zugleich, wie äußere Faktoren in Credit Ratings eingepreist werden könnten, insbesondere bei exportorientierten Volkswirtschaften.
Sektoren mit stabilen oder sogar steigenden Einnahmeerwartungen – wie der Rüstungs- und Infrastrukturbereich – könnten trotz globaler Unsicherheiten positiv zur gesamtwirtschaftlichen Lage beitragen. Ohme erklärt: „Die Regierungen finanzieren die Projekte vor, so dass die Unternehmen des Sektors von Anfang an positive Cashflows verzeichnen können.“ Diese stabile Einnahmestruktur stützt die wirtschaftliche Planbarkeit und könnte Ratingagenturen dazu bewegen, den Industriesektor robuster zu bewerten, was auch Rückwirkungen auf das Länderrating hat.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass die wirtschafts- und strukturpolitischen Entscheidungen der neuen Bundesregierung nicht nur das Potenzial haben, Deutschland zurück auf einen Wachstumspfad zu bringen, sondern auch bedeutende Auswirkungen auf die Einschätzungen der Kreditwürdigkeit durch Ratingagenturen haben könnten. Positive Wachstumsimpulse, fiskalisch solide Investitionsstrategien und strukturelle Reformen sind zentrale Faktoren, die mittel- bis langfristig zu einer Stabilisierung oder Verbesserung der Credit Ratings Deutschlands führen können.
Themen: Ratings | Kommentare deaktiviert für Neustart unter Merz: Wie Investitionspakete und Reformen Deutschlands Ratings beeinflussen könnten
Deutschlands Hausaufgaben unerledigt
Von Dr. Oliver Everling | 6.Mai 2025
Wenn die neue Bundesregierung ihre Arbeit aufnimmt, steht sie vor einer ernüchternden wirtschaftlichen Realität: „Auch im laufenden Jahr wird die Wirtschaftsleistung aller Voraussicht nach nicht wachsen“, konstatiert Axel Angermann, Chef-Volkswirt der FERI Gruppe. Damit würde das Jahr 2025 das sechste Jahr in Folge ohne wirtschaftliches Wachstum markieren. Die deutsche Wirtschaft stagniert auf dem Niveau von Ende 2019, also vor der Corona-Pandemie. Besonders problematisch ist dabei die Entwicklung der Industrie. „Die Industrieproduktion befindet sich seit Ende 2017 in einem ausgeprägten Abwärtstrend“, erklärt Angermann. Aktuell liege sie „mehr als 15 Prozent unter dem damals erreichten Wert“. Der Fahrzeugbau sei besonders betroffen und habe „Einbußen von mehr als einem Viertel“ verzeichnet. Besserung sei nicht in Sicht – im Gegenteil: „Die deutsche Industrieproduktion wird deshalb im laufenden Jahr erneut um mehr als ein Prozent schrumpfen.“
Als Belastungsfaktor sieht Angermann unter anderem die drohenden protektionistischen Maßnahmen aus den USA. „Die von US-Präsident Donald Trump angedrohten Zölle belasten die exportorientierte Industrie auf verschiedene Art und Weise.“ Einerseits würden die Exporte in die USA betroffen sein, andererseits verschärfe sich der Wettbewerb mit Anbietern aus Asien sowohl im Inland als auch auf Drittmärkten. Zudem käme aus den USA ein zusätzlicher negativer Impuls, „falls die dortige Wirtschaftslage sich deutlich eintrübt“, was sich bereits andeute.
Vor diesem Hintergrund fallen Angermanns Erwartungen an die neue Bundesregierung hoch aus – der Koalitionsvertrag aber enttäuscht: „Der große Wurf, von dem ein deutliches Aufbruchsignal ausgehen könnte, ist es nicht geworden.“ Statt klarer Prioritäten und konkreter Maßnahmen fehle es an Mut und Entschlossenheit. Positiv bewertet Angermann zwar die geplante Senkung der Stromsteuer und das Bekenntnis zum Bürokratieabbau sowie zur Digitalisierung. Doch warnt er: „Angesichts der Fruchtlosigkeit bisheriger Bemühungen reicht das allein für das erwähnte Aufbruchsignal allerdings nicht aus.“ Besonders kritisch sieht er die Zurückhaltung bei steuerlichen Entlastungen: „Wirklich enttäuschend ist die Mutlosigkeit in der Frage steuerlicher Entlastungen sowohl für die Einkommensbezieher als auch für die Unternehmen.“
Für Angermann steht fest: Die Bundesregierung sollte die Aufmerksamkeit stärker auf die eigenen Handlungsmöglichkeiten lenken. „Es kommt nicht in erster Linie darauf an, welche Ideen und Maßnahmen Trump als nächstes in den Ring wirft“, stellt er klar. Viel entscheidender sei, „was wir hier in Deutschland (und Europa) selbst beeinflussen können und letztlich auch nur selbst ins Werk setzen können.“ Trotz aller Herausforderungen bleibt er vorsichtig optimistisch: „Die gute Nachricht ist: Es gibt viele Stellschrauben, an denen angesetzt werden kann.“ Damit seien „Hoffnungen auf das Ende der Misere und einen neuen Aufschwung also allemal begründbar.“
Themen: Länderrating | Kommentare deaktiviert für Deutschlands Hausaufgaben unerledigt
Tokenisierung im Aufbruch: Zwischen Regulierung und Marktpotenzial
Von Dr. Oliver Everling | 30.April 2025
Die Diskussion rund um digitale Assets und Tokenisierung auf der Handelsblatt-Tagung „Bankenaufsicht 2025“ verdeutlichte, wie sehr sich der europäische Finanzmarkt in einem strukturellen Umbruch befindet.
Unter dem Titel „Kommt 2025 der große Durchbruch?“ diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus Banken, Fintechs und Wissenschaft über Geschäftschancen, technologische Entwicklungen und regulatorische Fragen.
Tim Armbruster, Treasurer der KfW Bankengruppe, erläuterte zunächst die anhaltend hohe Nachfrage nach KfW-Anleihen – weniger wegen Innovation oder Tokenisierung, sondern wegen des exzellenten Ratings der Bundesrepublik Deutschland und der hohen Liquidität. Diese beiden Faktoren seien aus Sicht institutioneller Investoren entscheidend.
Dorette Daume, CEO von Cashlink, betonte, dass der digitale Euro – so er denn kommt – kein neues Risiko für die Finanzmärkte darstelle. „Ein digitaler Euro ist ein Euro“, so Daume, weshalb die regulatorische Diskussion nicht durch Missverständnisse über seine Funktion belastet werden sollte.
Prof. Dr. Hermann Schulte-Mattler von der Fachhochschule Dortmund warf in die Runde, dass ein elektronischer Euro aber auch neue Kontrollmöglichkeiten eröffnen könne – etwa im Hinblick auf Transaktionen oder die Geldpolitik.
Simon Seiter, CFO und CPO des Stablecoin-Joint-Ventures AllUnity, erinnerte daran, dass auch bestehende Geldformen wie Bargeld und Bankguthaben unterschiedliche Eigenschaften aufweisen. Die Vorstellung, digitales Zentralbankgeld müsse sich identisch wie Bargeld verhalten, sei daher nicht zwingend. Er wies zudem auf die regulatorische Doppelbelastung für Anbieter wie AllUnity hin, die als E-Geld-Emittenten auf europäischer Ebene bereits heute unter strengen Anforderungen agieren.
Der Austausch verdeutlichte, dass die technische Entwicklung weit vorangeschritten ist – etwa mit Blockchain-Infrastrukturen, tokenisierten Werten oder Stablecoin-Modellen – doch die Regulierung noch keinen einheitlichen Rahmen schafft. Gerade der Vergleich mit Deregulierungstendenzen in den USA zeigte, wie groß die Herausforderungen für den Standort Europa sind, wenn man auf globaler Ebene mithalten will. Die Diskussion endete mit dem Konsens, dass 2025 durchaus ein entscheidendes Jahr werden könnte – allerdings nur, wenn regulatorische Klarheit und unternehmerische Innovation stärker ineinandergreifen als bisher.
Themen: Ratings | Kommentare deaktiviert für Tokenisierung im Aufbruch: Zwischen Regulierung und Marktpotenzial
Anleger rechnen mit anhaltender Goldpreis-Rallye
Von Dr. Oliver Everling | 30.April 2025
Die weltweite Goldnachfrage stieg im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahr um ein Prozent auf 1.206 Tonnen. Dies zeigt die aktuelle Statistik der Branchenorganisation World Gold Council (WGC). Der wichtigste Wachstumstreiber war der Investmentbereich, gestützt durch starke Zuflüsse in Gold-ETFs sowie einen anhaltenden Nachfragetrend nach Münzen und Barren. Umsatzzahlen von philoro EDELMETALLE zeigen, dass der Kauf von Edelmetallen derzeit populärer ist als der Verkauf. Die Anleger rechnen wohl mit einer weiteren Rallye beim Goldpreis. Beim Verkauf von Goldbarren notiert philoro in Deutschland eine Steigerung von über 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Verglichen mit dem vierten Quartal 2024 hat das Unternehmen im ersten Quartal 2025 über 10 Prozent mehr im Bereich Goldbarren verkauft. Bei den Goldmünzen zeigt sich Nachfrage und Verkauf unverändert.
Ein kräftiges Comeback der Zuflüsse in Gold-ETFs führte dazu, so berichten die Spezialisten, dass die gesamte Investmentnachfrage im ersten Quartal dieses Jahres auf 552 Tonnen stieg. Das ist mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr (+170 %). Es ist der höchste Stand seit dem ersten Quartal 2022. Die Nachfrage nach Münzen und Barren blieb mit 325 Tonnen hoch (+3 %). Einen großen Beitrag zum Anstieg leistete China, dass das zweitstärkste Quartal bei privaten Goldinvestitionen verzeichnete (124 Tonnen Münzen und Barren). Laut World Gold Council suchten Anleger weltweit Zuflucht in Gold, um sich gegen die Bedrohung durch Handelskonflikte, anhaltende geopolitische Spannungen und Turbulenzen an den Aktienmärkten abzusichern.
„Die Zentralbanken erhöhten ihre offiziellen Goldreserven weiter, wenn auch in etwas gemächlicherem Tempo. Ihr Bedarf lag bei 244 Tonnen. Das ist zwar 21 Prozent weniger als im Vorjahresquartal, doch liegt die Menge weiter deutlich innerhalb der Bandbreite der letzten drei Jahre“, so philoro. „Die Nachfrage aus dem Technologiesektor blieb mit 80 Tonnen im Jahresvergleich stabil. Der fortschreitende Einsatz von Künstlicher Intelligenz trieb das Wachstum in der Elektronikbranche weiter an. Allerdings sorgen Unsicherheiten rund um Zölle für ein herausforderndes Umfeld im weiteren Jahresverlauf. Die Nachfrage nach Goldschmuck sank deutlich aufgrund der Rekordpreise von Gold. Der Bedarf erreichte mit 434 Tonnen den niedrigsten Stand seit dem pandemiebedingten Einbruch 2020.“
Der Edelmetallhändler philoro verzeichnete seitens der Kunden im ersten Quartal dieses Jahres wieder ein höheres Interesse am Kauf von Edelmetall-Produkten, während der Verkauf zurückging. In Zahlen ausgedrückt steigerte philoro den Umsatz beim Verkauf der Anlageprodukte aus Edelmetallen im ersten Quartal 2025 gegenüber dem Vorjahr um fast 40 Prozent. «Das Verhalten der Kundschaft zeigt, dass derzeit ein weiter steigender Goldpreis erwartet wird», erklärt Tobias Kascha, Deutschland-Geschäftsführer von philoro EDELMETALLE.
„Auch das Verhältnis bei der Stückelung weist darauf hin, dass man auf eine langfristige Goldpreis-Rallye setzt“, so Kascha. So fällt bei Gold 74 Prozent des Umsatzes im ersten Quartal auf Goldbarren und nur 26 Prozent auf Goldmünzen. Bei Silber ist der Anteil des Barren-Umsatzes mit 80 Prozent sogar noch etwas höher. „Es ist nahezu ein Gesetz: Kaufen Kunden vermehrt grössere Barren, ist es ein klares Signal für eine starke Nachfrage.“, erklärt Tobias Kascha von philoro. „Grundsätzlich sollten Anleger bei Gold einen langfristigen Fokus haben. Der Zeitpunkt für Investitionen in Gold ist immer gut, denn auf lange Sicht steigt der Goldpreis immer, auch wenn es zwischendurch Phasen von Abwärtsbewegungen geben kann“, ergänzt der Edelmetall-Experte.
Bei den Goldmünzen war im ersten Quartal dieses Jahres wieder der goldene Krügerrand am meisten gefragt. Bei den Goldbarren war unter den Grosskunden der 1-Kilo-Barren besonders beliebt; bei den Privatkunden der 100-Gramm-Barren. Beim Silber war generell der 1-Kilo-Barren hoch im Kurs.
Themen: Ratings | Kommentare deaktiviert für Anleger rechnen mit anhaltender Goldpreis-Rallye
Vom Pflichtprogramm zum Vorteil: KYC im digitalen Umbruch
Von Dr. Oliver Everling | 30.April 2025
Dr. Camillo Werdich, CEO und Mitgründer von Sinpex, stellte auf der Handelsblatt-Tagung „Bankenaufsicht 2025“ eindrucksvoll dar, wie sich Know Your Customer (KYC) und Know Your Business (KYB) aktuell vom regulatorischen Pflichtprogramm zum strategischen Wettbewerbsvorteil wandeln.
Im Zentrum seines Vortrags stand die Erkenntnis, dass schlechte Onboarding-Erfahrungen für einen erheblichen Teil der Kundenverluste verantwortlich sind – ganze 52 Prozent der Abwanderungen in den ersten 90 Tagen lassen sich laut Werdich auf mangelhafte Onboarding-Prozesse zurückführen. Weitere 14 Prozent entstehen durch übertriebene Vertriebserwartungen (Overselling), acht Prozent durch interne organisatorische Probleme beim Kunden usw. Die Botschaft war klar: Wer in einem zunehmend regulierten Umfeld bestehen will, muss Prozesse nicht nur konform, sondern auch nutzerzentriert und effizient gestalten.
Besonders kritisch sei der Umstand, dass neue regulatorische Anforderungen, die im Zuge von Basel IV und weiteren Vorhaben ab 2025 verschärft werden, auf veraltete, analoge Prozesslandschaften treffen. Diese Konstellation bringe viele KYC-Prozesse ins Wanken. Die Branche sei daher gezwungen, digitale Transformationsprozesse zu beschleunigen – nicht nur aus Compliance-Gründen, sondern auch zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit.
Werdich zeigte auf, dass moderne SaaS-Infrastrukturen in Kombination mit KI-gestützter Datenverarbeitung bereits heute als neuer Standard im Markt wahrgenommen würden. Lösungen wie Infrastructure as a Service, automatisierte Konnektivität und intelligente Datenverifizierung ermöglichen medienbruchfreie Abläufe – insbesondere im Geschäftskunden-Onboarding sowie bei Re-KYC-Prozessen, die in vielen Instituten noch manuell und fragmentiert erfolgen.
Dr. Werdich, der vor seiner Gründung von Sinpex als KYC-Manager bei Deloitte tätig war, verdeutlichte, dass es nicht ausreiche, einfach nur auf neue Vorschriften zu reagieren. Vielmehr müssten Banken strategisch denken und Technologie als Enabler begreifen. Die Herausforderung bestehe darin, Effizienz und Compliance nicht als Widerspruch, sondern als integrierte Zielsetzung zu begreifen. Entscheidend dafür seien präzise Datenverarbeitung, kontinuierliches Training der KI-Systeme und eine vollständige Integration der Prozesse ohne Medienbrüche. Der Wandel sei längst in vollem Gange – und wer ihn aktiv gestalte, könne aus regulatorischem Druck echten Marktvorteil generieren.
Themen: Bankenrating | Kommentare deaktiviert für Vom Pflichtprogramm zum Vorteil: KYC im digitalen Umbruch
„Bankenpaket – A never ending story?!“: Christian Saß über die Herausforderungen der europäischen Bankenregulierung
Von Dr. Oliver Everling | 29.April 2025
Christian Saß, Associate Director für Bankenaufsicht und Bilanzierung im Bundesverband deutscher Banken, brachte auf der Handelsblatt-Tagung „Bankenaufsicht 2025“ die anhaltenden Herausforderungen der europäischen Bankenregulierung auf den Punkt. In seinem Vortrag zum Thema „Bankenpaket – A never ending story?!“ zeigte Saß auf, wie komplex und langwierig der Prozess der Regulierung und Aufsicht für den Bankensektor weiterhin bleibt.
Besonders im Hinblick auf die laufenden Arbeiten der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) zu Themen wie Kreditrisiko, operationellem Risiko (OpRisk) und dem Counterparty-Versicherungswert (CVA) verdeutlichte er, dass die Reformprozesse immer noch im Fluss sind. Obwohl der Fortschritt in einigen Bereichen sichtbar wird, sind viele der zentralen Fragen noch nicht abschließend geklärt. „Die EBA ist sehr fleißig, hat aber noch viele Mandate vor sich.“
Ein weiterer wesentlicher Bestandteil von Saß‘ Ausführungen war die Umsetzung des Marktrisikorahmenwerks (FRTB). Die Einführung des neuen Rahmens stellt eine der bedeutendsten Änderungen in der Regulierung der Finanzmärkte dar und hat das Potenzial, tiefgreifende Auswirkungen auf das Risikomanagement von Banken zu haben.
Dabei ging Saß insbesondere auf die noch offenen Punkte und ungelösten Herausforderungen ein, die in der praktischen Umsetzung dieser Regelungen auf den europäischen Bankenmarkt zukommen könnten. Der FRTB, der die Berechnung von Marktpreisrisiken in Banken neu ausrichtet, erfordert nicht nur technische Anpassungen, sondern auch eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Aufsichtsbehörden und Banken, um die Ziele der Regelungen in der Praxis zu erreichen.
Abschließend warf Saß einen Blick auf die weiteren Schritte und die Ausblicke, die sich aus den aktuellen Diskussionen und Arbeiten der EBA und anderen Regulierungsinstanzen ergeben. Der langfristige Einfluss von Basel IV und der neuen europäischen Kapitalmarktverordnung CRR III auf den Bankensektor wird nach wie vor intensiv diskutiert.
Die Umsetzung dieser Reformen, besonders in einer Zeit wirtschaftlicher Unsicherheit, erfordert eine sorgfältige Balance zwischen notwendiger Aufsicht und der Förderung von Innovation und Wettbewerbsfähigkeit. Angesichts der ständigen Weiterentwicklung der Regulierung und der Vielzahl offener Fragen, die noch beantwortet werden müssen, bleibt die Arbeit an der europäischen Bankenaufsicht für die kommenden Jahre ein fortwährender Prozess.
Themen: Bankenrating | Kommentare deaktiviert für „Bankenpaket – A never ending story?!“: Christian Saß über die Herausforderungen der europäischen Bankenregulierung