Deutschland auf hinteren Rängen
Von Dr. Oliver Everling | 6.September 2021
Nach 16 Jahren Regierungszeit einer Kanzlerin Merkel ist Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit fast wieder am Ausgangspunkt angekommen, analysiert Axel D. Angermann als Chef-Volkswirt der FERI Gruppe: Als Angela Merkel 2005 Kanzlerin wurde, rangierte Deutschland im Ranking des IMD aus Lausanne unter 63 Ländern auf Platz 21. Es folgte bis zum Jahr 2014 eine Verbesserung bis auf Platz 6, seitdem geht es aber wieder abwärts: Aktuell steht Deutschland in der Zusammenfassung sämtlicher Indikatoren auf Rang 15.
„Auf der Haben-Seite steht weiterhin die hohe ökonomische Leistungsfähigkeit des Landes. Hinsichtlich der Indikatoren Wachstum, Handel, Beschäftigung und Preisstabilität kommt Deutschland insgesamt auf Rang 3. Dass es in der Gesamtschau deutlich schlechter aussieht, liegt an zunehmenden strukturellen Schwächen,“ verdeutlicht Angermann, „Schwächen, die bereits im Management der Krisen in der jüngeren Vergangenheit sichtbar wurden. In der Steuerpolitik rangiert Deutschland auf Rang 57: Das dürfte vor allem der Untätigkeit der deutschen Regierung in der Steuergesetzgebung geschuldet sein, während viele andere Länder (Unternehmens-) Steuern gesenkt haben. Im institutionellen Rahmen für die Wirtschaft fiel das Land von Platz 7 im Jahr 2015 auf Rang 21 im Jahr 2021 zurück, was vor allem der überbordenden Bürokratie (Platz 36) geschuldet ist. Auch die Möglichkeiten, Firmen zu gründen, und der Umgang mit den damit verbundenen bürokratischen Hürden ist in den vergangenen Jahren nicht besser geworden.“
Ausgesprochen schlecht schneide Deutschland in allen Kategorien ab, so Axel D. Angermann, die mit Digitalisierung zu tun haben. In der Kommunikationstechnologie fiel das Land in der Amtszeit Merkels von Rang 7 auf Rang 55 zurück. Ähnlich schlecht sieht es mit den digitalen und technologischen Fähigkeiten der Menschen aus (Platz 54). Dies ist nicht nur ein Problem des Regierungshandelns: Auch die Agilität der Unternehmen, generell die Bewertung des Unternehmertums und die Nutzung von Big Data und fortschrittlicher Analysewerkzeuge in den Unternehmen sind in Deutschland bestenfalls internationaler Durchschnitt. Während die Bewertung der kleinen und mittleren Unternehmen nach wie vor Weltspitze ist (aktuell Rang 3), haben die Großunternehmen an Boden verloren und rangieren nur noch auf Rang 19 (2014 war es noch Rang 7).
Neben dem Thema Klimaschutz müssen in den kommenden Jahren auch andere strukturelle Herausforderungen in Angriff genommen werden: Ein wettbewerbsfähiges Steuersystem, der Abbau überbordender Regulierung, mehr Unternehmertum und weniger Risikoscheu, bessere Bildungschancen für alle, überhaupt die Gewährleistung gleicher Teilhabechancen, eine angemessene Vertretung von Frauen in Führungspositionen und auch sozialer Zusammenhalt sind letztlich nämlich Voraussetzungen dafür, dass das ökonomische Potenzial des Landes dauerhaft ausgeschöpft werden kann. Das gilt erst recht in einer alternden Gesellschaft – auch in dieser Hinsicht belegt Deutschland eher hintere Ränge, ohne daran zumindest mittelfristig etwas ändern zu können.
„Egal, wer die nächste Regierung als Kanzler oder Kanzlerin anführt und welche Farbenkombination sich am Ende am Kabinettstisch wiederfindet: Auf die nächste Bundesregierung wartet deutlich mehr Arbeit,“ resümiert der Chef-Volkswirt, „als sich Frau Merkel im letzten Viertel ihrer Amtszeit selbst zumuten wollte.“
Themen: Länderrating | Kommentare deaktiviert für Deutschland auf hinteren Rängen
Voluntis auf dem Weg zur Integration in die AptarGroup
Von Dr. Oliver Everling | 3.September 2021
AptarGroup, Inc. stärkt sich als ein weltweit führendes Unternehmen in den Bereichen Arzneimittelverabreichung, Abgabe von Konsumgütern und Wirkstoffforschungslösungen: Nach der Genehmigung durch das französische Wirtschaftsministerium hat das Unternehmen den Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an Voluntis abgeschlossen. Der Anteilserwerb entspricht rund 64,6% des Grundkapitals von Voluntis (auf unverwässerter Basis) zu einem Preis von 8,70 € je Aktie.
In Übereinstimmung mit den geltenden Vorschriften wird Aptar ein obligatorisches Barangebot zum Erwerb der restlichen Aktien von Voluntis zum gleichen Preis von 8,70 € pro Aktie unterbreiten. Sollten die regulatorischen Voraussetzungen nach Vollzug des Übernahmeangebots erfüllt sein, beabsichtigt Aptar, einen Squeeze-out auf die verbleibenden ausstehenden Aktien von Voluntis durchzuführen.
Der Verwaltungsrat von Voluntis hat auf Empfehlung seines Ad-hoc-Ausschusses Advolis Orfis am 5. Juli 2021 zum unabhängigen Sachverständigen ernannt und wird insbesondere auf der Grundlage des unabhängigen Gutachtens zu den finanziellen Bedingungen des Übernahmeangebots und einem möglichen nachfolgenden Squeeze-out eine begründete Stellungnahme zu dem Übernahmeangebot und seinen Folgen für Voluntis, seine Aktionäre und Mitarbeiter vorlegen.
Themen: Aktienrating | Kommentare deaktiviert für Voluntis auf dem Weg zur Integration in die AptarGroup
Verbesserte Identitätskontrolle bei Mietern
Von Dr. Oliver Everling | 2.September 2021
COVID-19 hat Veränderungen in den Migrationsmustern der Mieter und in den Wohnpräferenzen ausgelöst, die zu erheblichen Veränderungen der Nachfrage nach Mehrfamilienhäusern geführt haben.
Equifax adressiert nun die sich schnell entwickelnden Bedürfnisse der Mehrfamilienhäuser in den USA mit einer neuen, cloudbasierten Digital Identity Suite, die Mieter und Immobilienbesitzer vor Identitätsbetrug schützen, Reibungsverluste bei Anwendungen reduzieren und Betrugsrisiken mindern soll. Wenn sie zusammen mit Einkommens- und Beschäftigungsüberprüfungen aus der Datenbank The Work NumberⓇverwendet werden, versprechen die Lösungen zertifizierten Immobilienverwaltern zu helfen, fundiertere Entscheidungen zu treffen und Mietbewerber schneller in Häuser zu bringen.
„Die Verbesserung des Mietererlebnisses, der Schutz vor Identitätsbetrug, die Verringerung von Reibungsverlusten bei der Antragstellung und die Rationalisierung des Überprüfungsprozesses können Immobilienmanagern helfen, neue Mieter zu gewinnen und höhere Mietauslastungsraten aufrechtzuerhalten“, sagte Tom Ciulla, Senior Vice President, Enterprise Alliances for Mortgage & Housing bei Equifax. „Unser gesamtes Portfolio an Mehrfamilienlösungen bietet Immobilienverwaltern eine umfassende und anpassbare Möglichkeit, Vertrauen bei Bewerbern aufzubauen – beginnend beim ersten Kontaktpunkt, der Identitätsprüfung.“
Da derzeit über 44 Millionen Haushalte in den USA mieten, benötigen Immobilienverwalter Lösungen, um die Identität potenzieller Mieter schnell und effizient zu überprüfen. Branchenexperten gehen davon aus, dass die Mietnachfrage in den nächsten fünf Jahren steigen wird, was es für Immobilienverwalter noch wichtiger macht, ihren Mieter zu kennen, um sich und den Verbraucher vor Identitätsdiebstahl zu schützen. Im Jahr 2020 haben 47 Prozent der Amerikaner nach Angaben der Aite-Novarica-Gruppe irgendeine Form von finanziellem Identitätsdiebstahl erlebt. Betrügerische Mieter, die sich unter fremdem Namen und Sozialversicherungsnummer um Wohnungseinheiten bewerben, können für Hausverwaltungen, Vermietungs- und Leasingvermittler schnell zum Problem werden und hohe finanzielle Verluste verursachen.
Die Digital Identity Suite von Equifax hilft Immobilienverwaltern, die Identität der Antragsteller beim ersten Kontakt zu überprüfen, um eine Grundlage für spätere Interaktionen mit diesem Mieter zu entwickeln. Wenn sie die Identität des Verbrauchers beim ersten Mal richtig feststellen, kann dies das Gesamterlebnis verbessern und bietet sowohl den Mietern als auch den Hausverwaltern doppelten Schutz. Dieses neue Angebot bietet einen mehrschichtigen Ansatz zur Bekämpfung von Identitätsbetrug.
Themen: Immobilienrating | Kommentare deaktiviert für Verbesserte Identitätskontrolle bei Mietern
ETF-Anleger haben das Nachsehen
Von Dr. Oliver Everling | 2.September 2021
Viele Gesundheits-Unternehmen sind kürzlich an die Börse gegangen. „Der Prothesen-Hersteller Otto Bock dürfte bald folgen“, vermutet Kai Brüning, Senior Portfolio Manager Healthcare, apoAsset. Doch die ersten Aktien eines Börsendebüts (englisch IPO) sind meist nur wenigen vorbehalten. Portfoliomanager Kai Brüning erläutert, warum aktive Fonds dabei im Vorteil sind und auf welche Faktoren es ankommt.
413 Gesundheits-Unternehmen sind in den vergangenen zwölf Monaten weltweit an die Börse gegangen. Beispiele sind Synlab, die größte medizinische Laborkette Europas, und Nyxoah, das mit Medizintechnik gegen Schlafapnoe erfolgreich ist. Die Aktienkurse der vielen Börsenneulinge sind seitdem im Schnitt um 65% gestiegen, unabhängig davon, ob der IPO gestern oder vor einem Jahr war.
Die Welle hat teilweise auch unreife Kandidaten mit fraglichen Ratings an die Börse gespült. „Als Fondsmanager beteiligen wir uns nur an ausgewählten IPOs. Eine schöne Story reicht dafür nicht. Vielmehr achten wir im Detail auf eine stabile Finanzierung, die Innovationsstärke, den medizinischen Mehrwert, das Geschäftsmodell und die Wettbewerbsposition. Dabei sprechen wir vorab auch persönlich mit dem Management der Börsendebütanten selbst“, so Kai Brüning.
Für Unternehmen kann ein Börsengang unterschiedliche Ziele haben: Eine andere Eigentümerstruktur, falls ein Gesellschafter seine Anteile platzieren möchte, oder eine breitere Eigentümerbasis, um mehr Geld in die Zukunftsfähigkeit investieren zu können. Der erwartete Börsengang des deutschen Prothesenherstellers Otto Bock für Anfang 2022 könnte eine Kombination von beidem sein.
Der Erfolg einer Firma – und damit einer Volkswirtschaft – hängt maßgeblich davon ab, wie viel sie investieren kann und natürlich wie sie investiert. „Ein Börsengang,“ doziert Kai Brüning, „sei es mit Aktien oder Anleihen, ist für die Finanzierung eine sehr direkte Möglichkeit. Am Primärmarkt fließt das neu eingeworbene Geld direkt an die Aktiengesellschaft. Fonds, die sich daran beteiligen, fördern also direkt Innovationen und Wachstum – und sind Teilhaber an den Erfolgen.“
Börsengänge und Kapitalerhöhungen zeigen einen wichtigen Unterschied zwischen passiven Indexfonds (ETFs) und aktiv gemanagten Fonds, die gezielt investieren können. ETFs bilden in der Regel Indizes nach: Je mehr Geld ihnen zufließt, desto mehr investieren sie am Sekundärmarkt in die immer gleichen Unternehmen eines Index – und das absolut unreflektiert. Von den Milliarden Euros, die in den vergangenen Jahren in ETFs geflossen sind, haben die Firmen, deren Aktien gekauft wurden, keinen Cent gesehen. Falls sie zu einem Index gehörten, profitierten sie nur darüber, dass ihr Wert durch die Liquiditätsflut stieg.
Anders verhält es sich bei den meisten aktiv gemanagten Fonds. Von diesen kommt das Geld für Investitionen. Der direkte Austausch zwischen den Unternehmen und diesen Fonds vor einem Börsengang bzw. einer Kapitalerhöhung spielt dabei eine zentrale Rolle. Falls es bei Otto Bock zum Börsengang kommt, dürfte dessen Führung daher vor allem mit aktiven Gesundheitsfonds den Kapitalbedarf erörtern – wie zum Beispiel mit Apo Asset Management oder Medical Strategy.
Themen: Aktienrating, ETF-Rating, Fondsrating | Kommentare deaktiviert für ETF-Anleger haben das Nachsehen
Rating von Investitionen in Offshore-Fonds
Von Dr. Oliver Everling | 31.August 2021
Die Hedgefondsindustrie ist weiterhin auf Wachstumskurs, berichtet de FERI Gruppe aus Bad Homburg: „Weltweit waren zum Ende der ersten Jahreshälfte 2021 knapp vier Billionen US-Dollar in Hedgefonds investiert – so viel wie noch nie zuvor. Die Assetklasse profitiert dabei einerseits von einer sehr guten Performance in den letzten zwei Jahren, aber auch die unvermindert hohen Mittelzuflüsse institutioneller Investoren tragen zum Rekordvolumen bei.“
Allein in den ersten sechs Monaten des Jahres 2021 erhöhten Investoren rund um den Globus ihren Kapitaleinsatz in Hedgefonds um 400 Mrd. US-Dollar, so der Bericht. Während die Assetklasse weltweit deutlichen Zuspruch erfährt, ergibt sich für Deutschland ein differenzierteres Bild. Hierzulande beschränken sich Investoren vornehmlich auf regulierte Hedgefonds (UCITS), nur wenige legen ihr Geld auch in Offshore-Hedgefonds an.
Berücksichtigt man beide Hedgefonds-Varianten, ist das Investitionsvolumen in Deutschland damit insgesamt geringer als in anderen Ländern. „Leider schrecken viele Investoren hierzulande vor den restriktiven Auflagen für Offshore-Fonds zurück und verpassen damit attraktive Renditechancen. Dabei können die Anforderungen des Gesetzgebers mit einer qualifizierten und strukturierten Prüfung der Offshore-Fonds sicher und schnell erfüllt werden“, sagt Marcus Storr, Head of Alternative Investments FERI Trust GmbH. Dies gelte ausdrücklich auch für Investoren, die der deutschen Versicherungsaufsicht (VAG) unterliegen.
Als größte Hürden für ein Investment in Offshore-Fonds gelten die Ankündigungsfristen für Rückgaben der Zielfondsanteile sowie die umfassenden Aufsichts- und Dokumentationspflichten. „Doch gerade,“ argumentieren die Experten der FERI weiter, „weil sie nicht die strengen Liquiditätsanforderungen der regulierten Hedgefonds erfüllen müssen, erzielen Offshore-Alternativen häufig besonders hohe Renditen. Damit Investoren die Chancen in diesem Bereich künftig besser wahrnehmen können, hat FERI ein strukturiertes Due Diligence-Verfahren entwickelt, das die gesetzeskonforme Anlage in Offshore-Hedgefonds deutlich erleichtert und transparent darstellt.“
Die Verträge zwischen Hedgefondsanbieter und Investor werden dabei auf alle rechtlich relevanten Punkte abgeklopft und durch eine Rechtsberatung begleitet, verspricht FERI. „Untersucht werden unter anderem die Konditionen und Gebühren, die Portfoliotransparenz, das verantwortliche Management, die Anlagepolitik sowie der Umfang von Leverage und Leerverkäufen. Fester Bestandteil der Due Diligence ist außerdem eine detaillierte Geldwäscheprüfung, bei der die Gesellschafterstruktur und die Zusammensetzung der Fondsinvestoren durchleuchtet werden. „Die Due Diligence-Prüfung schafft eine hohe Transparenz für Investments in Offshore-Fonds. Damit wollen wir Investoren ermutigen, ihre Zurückhaltung aufzugeben und sich künftig stärker in diesem attraktiven Marktsegment zu engagieren“, so Storr.
Themen: Fondsrating | Kommentare deaktiviert für Rating von Investitionen in Offshore-Fonds
Bei der BaFin denken erst Maschinen, dann Beamte
Von Dr. Oliver Everling | 30.August 2021
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat am 1. August 2021 ihr neues Auswertungsprogramm HERA gestartet. Es dient der automatisierten Voranalyse von Berichten zum ORSA, also zur unternehmenseigenen Risiko- und Solvabilitätsbeurteilung (Own Risk and Solvency Assessment).
Versicherungsunternehmen müssen sich stets der Risiken bewusst sein, denen sie ausgesetzt sind. Der Bericht zur unternehmenseigenen Risiko- und Solvabilitätsbeurteilung (ORSA) bündelt die dafür aus Sicht der Aufsichtsbehörde benötigten Erkenntnisse.
Im Jahr 2020 berichtete die BaFin über Stichproben. Die ORSA-Berichte wurden stichprobenartig durchgesehen. Dabei sei festgestellt worden, dass sie häufig nicht in angemessener Weise die Anforderungen an unternehmensindividuelle Stresstests erfüllten.
Bei der Anwendung kommt auch künstliche Intelligenz zum Einsatz. Mit HERA werden alle ORSA-Berichte vorausgewertet, die seit Anfang Juli eingegangen sind und fortan eingehen sollen.
Themen: Versicherungsrating | Kommentare deaktiviert für Bei der BaFin denken erst Maschinen, dann Beamte
Moody’s „keine qualifizierte Ratingagentur“
Von Dr. Oliver Everling | 26.August 2021
Die Volksrepublik China einmal „liberaler“ als die Europäische Union: Während in der Europäischen Union (EU) es jedem Unternehmen ohne Genehmigung untersagt ist, frei die Meinung über die Bonität anderer Unternehmen in Form von Bonitätsnoten zu äußern, lässt die Volksrepublik China hier mal etwas mehr Meinungsfreiheit zu. In der Europäischen Union besteht für jedes Unternehmen, das die Veröffentlichung von Kreditratings nach der EU-Verordnung über Ratingagenturen (CRAR) von 2009 beabsichtigt, eine Autorisierungspflicht.
Nur registrierte oder zertifizierte Ratingagenturen (CRA) dürfen in der EU die Meinungen ihrer Analysten öffentlich verbreiten. Wer dennoch frei seine Meinung äußert, muss mit hohen Geldußen rechnen. Tatsächlich hat die zuständige Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) von diesen Sanktionsmöglichkeiten bereits gegenüber einer Reihe von Unternehmen Gebrauch gemacht.
Gemäß der CRAR erfordert die Ausgabe von Ratings eine Genehmigung durch die ESMA, um sicherzustellen, dass diese Ratings unabhängig, objektiv und von angemessener Qualität sind und dass Ratingagenturen (CRAs) in allen EU-Ländern denselben Regeln und derselben Aufsicht unterliegen. Um als CRA in der EU registriert zu werden, muss ein Unternehmen nachweisen, dass es die notwendigen organisatorischen Anforderungen erfüllt und angemessene Garantien bietet, insbesondere in Bezug auf Governance, Interessenkonflikte, interne Kontrollen, Ratingverfahren und -methoden, Geschäftsaktivitäten und Offenlegungen. Das Versäumnis einer Firma, die Registrierung vor der Erteilung von Ratings zu beantragen, stellt einen Verstoß gegen die CRAR dar.
ESMA hatte beispielsweise gegen Danske Bank, Nordea Bank, SEB, Svenska Handelsbanken und Swedbank jeweils eine Geldstrafe von 495.000 Euro verhängt und fünf öffentliche Mitteilungen wegen fahrlässiger Verletzung der Ratingagenturen-Verordnung (CRAR) verbreitet. Die ESMA stellte fest, dass die fünf Banken gegen die CRAR verstoßen haben, indem sie ohne Genehmigung der ESMA Ratings abgegeben hatten.
Zwischen Juni 2011 und August 2016 erstellten die fünf Banken Kreditanalysen für ihre Kunden – und die SEB tat dies bis Mai 2018. Diese Kreditanalysen umfassten die Ausgabe von sogenannten Schattenratings. Die ESMA untersuchte diese Bericht, die sich auf verschiedene Unternehmen und zugrundeliegende Finanzinstrumente bezogen.
Die Delinquenten hätten in ihren Berichten keine Stellungnahmen veröffentlichen dürfen, von denen die ESMA feststellte, dass sie der Definition eines Kreditratings gemäß der CRAR entsprachen. „Allerdings hatte keine Bank die erforderliche ESMA-Genehmigung zur Abgabe von Ratings erworben,“ stellte ESMA fest, „und ein solches Verhalten verstößt gegen die CRAR, denn es bedarf einer vorherigen Genehmigung.“
Die einzelnen Bußgeldbeträge berücksichtigten den erschwerenden Umstand, dass die Banken die Zuwiderhandlung seit mehr als sechs Monaten begangen hatten, berücksichtigten aber auch den mildernden Umstand, dass jede Bank freiwillig Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass ähnliche Zuwiderhandlungen in Zukunft nicht mehr begangen werden können.
Die Regulierung und Registrierung bzw. Zertifizierung von Ratingagenturen zwingt diese Agenturen in ein Abhängigkeitsverhältnis. Entzieht in der EU die zuständige Aufsichtsbehörde ESMA einer Agentur die Autorisierung, bricht für dieses Unternehmen in der Regel das Geschäftsmodell zusammen bzw. zwingt es, sich auf „private Ratings“, die nicht veröffentlicht werden dürfen, zu beschränken oder in ein anderes Geschäftsmodell zu mutieren.
In Staaten, in denen es die Möglichkeit, aber nicht die Pflicht zur Autorisierung gibt, ziehen es daher manche, um ihre Neutralität und Unabhängigkeit besorgte Agenturen vor, sich (zunächst) nicht dem Verfahren zur Anerkennung auszusetzen und gegebenenfalls aus dem Verfahren resultierende Auflagen und Anforderungen zu erfüllen.
Während die Moody’s Corporation (MCO) mit ihrer Tochter Moody’s Investors Service sonst überall auf der Welt zu den führenden und anerkannten Agenturen gehört, leistet sich die Agentur in der Volksrepublik China die Freiheit, unabhängig von einer Anerkennung tätig zu sein und ihre Ansichten und Meinung zu verbreiten.
Daher findet sich in Moody’s Publikationen der Hinweis: „Nur für die VR China: Weder MCO noch eines seiner mehrheitlich im Besitz befindlichen verbundenen Unternehmen ist eine qualifizierte Ratingagentur in der VR China. Beliebige Bewertung von MCO oder eines seiner im Mehrheitsbesitz befindlichen verbundenen Unternehmen: (1) stellt kein Rating dar, wie es gemäß den einschlägigen Gesetzen oder Vorschriften der Volksrepublik China erforderlich ist; (2) kann nicht in Registrierungserklärungen, Angebotsrundschreiben, Prospekten oder anderen Dokumenten enthalten sein, die den Aufsichtsbehörden der VRC vorgelegt werden; und (3) dürfen innerhalb der VR China nicht für regulatorische Zwecke oder für andere Zwecke verwendet werden, die nach den einschlägigen Gesetzen der VR China nicht zulässig sind. Nur für die Zwecke dieses Absatzes bezieht sich ‚VR China‘ auf das Festland der Volksrepublik China, ausgenommen (i) Hongkong SAR, China, (ii) Macau SAR, China, und (iii) Taiwan, China.“
Moody’s ist demnach keine „qualified credit rating agency within the PRC“, so wörtlich. Die Vorstellungen darüber, wann eine Ratingagentur „qualifziert“ ist, können weit auseinandergehen. Was hier wie ein Manko aussieht, ist in Wahrheit eine Stärke: Moody’s kann es sich leisten, erst dann die „Qualifizierung“ durch die Volksrepublik China zu erhalten, wenn nicht Moody’s die Vorstellungen der Volksrepublik China, sondern umgekehrt die Volksrepublik China die Vorstellungen von Moody’s erfüllt. Erst dann dürfte Moody’s auch den Erwartungen von Marktteilnehmern entsprechen, wirklich unabhängige Bonitätsurteile zu geben.
Themen: Ratings | Kommentare deaktiviert für Moody’s „keine qualifizierte Ratingagentur“
Die einzige „BaFin anerkannte Ratingagentur“
Von Dr. Oliver Everling | 26.August 2021
Eine nicht so einzigartige Ratingagentur: Wer statt der internationalen Marktführer eine lokale Ratingagentur in deutscher Sprache sucht, wird schnell fündig. In Hamburg gibt es sogar ein Angebot. Das Suchergebnis von Google sieht so aus:
An erster Stelle steht eine von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) „anerkannte“ Ratingagentur. Für die künstliche Intelligenz der Google-Suchmaschine muss das Ergebnis plausibel und äußerst relevant erscheinen, damit es an erster Stelle steht. Schließlich handelt es sich um ein Unternehmen mit offizieller Anerkennung in Deutschland, das für den Suchenden relevant sein muss.
Das Suchergebnis liefert wichtige Stichworte, nach denen weiter gesucht werden kann, nämlich die angebliche Anerkennung durch die Behörde – „BaFin anerkannte …“. Wenn man nun nach anerkannten Ratingagenturen suchen, egal wo sie ihren Sitz haben, findet sich unter den Top-Suchergebnissen nur die lokale Agentur in Hamburg – wieder an erster Stelle:
Wer ernsthaft die Dienste einer Ratingagentur in Anspruch nehmen will, für den sollte die offizielle Anerkennung wichtig sein. Für die Ratingagentur ist es natürlich von Vorteil, wenn kein anderer Anbieter von Ratingdienstleistungen mit offizieller Anerkennung durch die BaFin werben kann.
Die Top-Suchergebnisse auf der ersten Seite enthalten keine Websites anderer Ratingagenturen, sondern nur Websites von Medien, Zeitschriften und Blogs, sowie Unternehmen, die über ihre Ratings und Ratingagenturen berichten. Jedenfalls findet die Google-Suche keine andere derzeit von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) anerkannte Ratingagentur.
Was kann daran falsch sein? Der Haken an dieser Meldung ist, dass die BaFin diese Ratingagentur nicht beaufsichtigt. In der Europäischen Union beaufsichtigt die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) seit 2012 die Ratingagenturen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in der Bundesrepublik Deutschland ist hierfür nicht zuständig.
Die irreführende Werbung führt zu einem ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil für diese lokale Agentur in Hamburg.
Früher war sogar jede Erwähnung der Aufsicht untersagt. Weist ein Unternehmen schlicht darauf hin, dass es unter Aufsicht der BaFin steht, wird die BaFin dies nicht mehr – wie früher – beanstanden. „Die BaFin akzeptiert es aber weiterhin nicht,“ stellt die Behörde klar, „wenn Unternehmen mit blickfangartigen Herausstellungen, etwa einer optischen Aufmachung als Gütesiegel oder einer reißerischen Wortwahl werben.“ Auch haben Unternehmen in Ihrer Werbung deutlich darauf hinzuweisen, wenn sie nur mit einem Teil ihres Geschäfts unter die Aufsicht der BaFin fallen.
Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch nicht um eine Agentur, die der Aufsicht der BaFin unterläge und daher nur gegen das Werbeverbot verstößt. Vielmehr handelt es sich um einen noch schwerwiegenderen Fall von Werbung mit der BaFin-Aufsicht, die es in Wirklichkeit nicht gibt.
Die Werbebotschaften der „Scope Hamburg GmbH“ sind keine Wörter, die Google selbst hinzugefügt hätte. Vielmehr handelt es sich um Informationen, die die Ratingagentur selbst im Header der Website bereitstellt. Dies lässt sich leicht anhand der HTML-Codes nachweisen (zum Vergrößern anklicken):
Die entsprechenden Informationen im Header der Seite wurden erst vor wenigen Monaten aktualisiert. Anfang 2021 wurde die Agentur in „Scope Hamburg GmbH“ umbenannt. Seitdem ist sie ein Schwesterunternehmen der „Scope Ratings GmbH“ in Berlin. Beide gehören zu einem Berliner Unternehmen, das sich im Internet als „Scope Group“ präsentiert.
Es handelt sich also nicht um veraltete Informationen, sondern um eine aktualisierte Anzeige mit irreführenden Informationen. Nach der Übernahme wurde nicht vergessen, die Daten auf den neuesten Stand zu bringen. Die aktualisierten Daten sind täuschend. Mit diesen Angaben blendet die Hamburger Agentur Anleger und Emittenten.
Die falschen Angaben der Ratingagentur spielen daher eine entscheidende Rolle für das Ranking der Suchergebnisse. Google erkennt deshalb nur diese eine Ratingagentur als von der BaFin anerkannte Agentur. Google findet keine andere Ratingagentur, die – wie die hier werbende Agentur – eine Anerkennung durch die BaFin auch noch hätte. Es ist kein Wettbewerber zu finden, da die BaFin-Anerkennung heute gar nicht existiert.
Suchmaschinenoptimierung (SEO) ist der Prozess zur Verbesserung der Qualität und Quantität des Website-Traffics auf eine Website oder eine Webseite von Suchmaschinen. SEO ist der Schlüssel zu erfolgreichen digitalen Marketingstrategien. SEO kann dazu beitragen, dass jede Website auf den Suchergebnisseiten von Suchmaschinen einen höheren Rang erreicht, was eine höhere Sichtbarkeit und organischen Suchverkehr ermöglicht.
Die falsche Wirkung der trügerischen Suchmaschinenoptimierung dieser Hamburger Agentur aus der „Scope Group“ wird dadurch verstärkt, dass die BaFin bis zur Übernahme dieser Aufgabe durch die ESMA im Jahr 2012 als zuständige Aufsichtsbehörde fungierte. Interessenten und Kunden der Ratingagentur finden daher weiterhin Seiten im Internet auf, die über die Anerkennung durch die BaFin berichten. Diese Seiten zeigen jedoch nicht unbedingt, dass es diese Aufsicht durch die BaFin heute nicht mehr gibt, sondern durch die ESMA abgelöst wurde. Daher bleibt der falsche Eindruck, dass die „Scope Hamburg GmbH“ einen Sonderstatus hätte.
Themen: Ratings | Kommentare deaktiviert für Die einzige „BaFin anerkannte Ratingagentur“
Abzuwendender Testfall der Ausfallsicherung
Von Dr. Oliver Everling | 25.August 2021
Geschäfte der Lang & Schwarz Aktiengesellschaft sind Gegenstand einer steuerlichen Prüfung, berichtet die Gesellschaft in einer Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Artikel 17 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014.
Gegenstand der Steuerprüfung ist eine Untersuchung der Geschäfte der Lang & Schwarz Aktiengesellschaft der Geschäftsjahre 2007 bis 2011 im Zusammenhang mit steuerstrafrechtlichen Ermittlungen. In den Ermittlungen ist die Lang & Schwarz Aktiengesellschaft Adressatin eines Auskunfts- und Herausgabeersuchens. Dabei geht es gegen verantwortliche Personen der Lang & Schwarz Aktiengesellschaft wegen des Verdachts unrechtmäßiger Anrechnung bzw. Erstattung nicht gezahlter Kapitalertragsteuern und Solidaritätszuschläge bei Aktiengeschäften um den Dividendenstichtag.
Die Lang & Schwarz Aktiengesellschaft spielt beim Handel mit sogenannten „wikifolios“ eine entscheidende Rolle. Jedes wikifolio kann, wenn es gewisse Kriterien erfüllt, als fiktives Referenzportfolio dienen, auf das sich ein wikifolio-Index bezieht.
Auf den wikifolio-Index begibt die Lang & Schwarz Aktiengesellschaft Endlos-Indexzertifikate. Diese Endlos-Indexzertifikate werden an der Börse Stuttgart gehandelt und können bei nahezu allen Banken und Online Brokern über die Börse Stuttgart oder direkt bei Lang & Schwarz gekauft und verkauft werden.
Wikifolio-Zertifikate sind besichert. „Das heisst,“ schreibt wikifolio Financial Technologies AG, „Ausfälle aus einem mit Investitionen in Zertifikate generell einhergehenden Emittentenrisiko werden weitgehend abgesichert.“ Die Marktkapitalisierung der Lang & Schwarz Aktiengesellschaft liegt derzeit deutlich unter einer halben Milliarde Euro, was die Anfälligkeit dieser Aktie gegen Shortseller-Attacken beeinflusst. Diese könnten wiederum die Bonität des Unternehmens beeinflussen.
Daher müssen Anleger bei wikifolio-Zertifikaten den unwahrscheinlichen, aber möglichen Fall berücksichtigen, dass es zu einem Testfall des Ausfallabsicherung der Zertifikate kommen könnte.
Themen: Wikifoliorating, Zertifikaterating | Kommentare deaktiviert für Abzuwendender Testfall der Ausfallsicherung
Mit Aktien der Weng Fine Art AG in die Pension
Von Dr. Oliver Everling | 23.August 2021
Die Weng Fine Art AG spricht nicht von der angeblichen Schweizer Langsamkeit: Die vorläufigen Zahlen der Schweizer E-Commerce-Tochter ArtXX AG werden einen Tag später als annonciert, am 24. August 2021 veröffentlicht.
In derselben Pressemeldung liefert die Weng Fine Art AG gute Nachrichten, denn sie konnte eine Vereinbarung mit einem deutschen Pensionsfonds treffen, der einen Teil ihres Treasury Stocks als Langfrist-Investment übernehmen wird: „Die Transaktion wird direkt nach der Hauptversammlung, die am 24. August 2021 stattfindet, durchgeführt.“
Vorstand Rüdiger K. Weng: „Wir haben beim Verkauf unseres Treasury Stocks ein weiteres Ziel erreicht, indem wir erstmals auch eine Pensionskasse von einem Investment in die Weng Fine Art AG überzeugen konnten. Damit haben wir viel früher als erwartet – vor Fälligkeit und vollständig aus Eigenmitteln – unsere erste Investition in die 360X Art AG finanzieren können.“
Die letzte Tranche von 50.000 Aktien des Treasury Stocks wird die Weng Fine Art AG einem US-Wertpapierhandelshaus zur Verfügung stellen, das damit beginnen wird, eine Aktionärsbasis im Hauptmarkt der Weng Fine Art AG, den USA, aufzubauen. Gegebenenfalls wird der Großaktionär der Weng Fine Art AG zusätzliche Stücke im Rahmen einer Platzierung in den USA zur Verfügung stellen, kündigt die Gesellschaft an.
Themen: Aktienrating, Kunstrating | Kommentare deaktiviert für Mit Aktien der Weng Fine Art AG in die Pension