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Perspektiven auf das Banking von morgen – Drei Stimmen zur Zukunft der Branche

Von Dr. Oliver Everling | 1.Juli 2025

Im Rahmen der Handelsblatt Jahrestagung „Zukunft Retail Banking 2025“ traten nicht nur CEOs großer Banken auf, sondern auch Vordenkerinnen und Strategen, die im Hintergrund die kulturelle und technologische Transformation der Branche gestalten. In drei separaten Interview-Formaten – Fireside Chat, Thesen-Talk und Best Practice – gaben Holger Sachse (Boston Consulting Group), Bianca Zwart (bunq) und Meike Keber (TARGOBANK) jeweils tiefgreifende Einblicke in ihre Perspektiven auf den Wandel des Bankings. Ihre Beiträge verdeutlichten, dass Banking heute weit über Produkte und Prozesse hinausgeht – es geht um Haltung, Kultur und Vertrauen.

Im Fireside Chat sprach Holger Sachse, Managing Director & Partner bei The Boston Consulting Group, über das neue Kundenverhalten und die sich verändernden Marktmechanismen. Für ihn ist klar: Das Wechselverhalten der Bankkundschaft hat sich nachhaltig verändert. Kunden seien nicht mehr so träge wie früher – sie sind neugieriger, kritischer und deutlich offener gegenüber Innovationen. Nicht zwangsläufig werde heute die Hauptbankverbindung gewechselt, wohl aber einzelne Produkte – insbesondere wenn sie relevant, digital und einfach zugänglich sind. Das erklärt laut Sachse auch, warum einige Neobanken wieder vom Markt verschwunden sind: Es fehle ihnen schlicht an einem echten Mehrwert. Innovation sei eben nur dann erfolgreich, wenn sie sichtbar, spürbar und gut kommuniziert sei. Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal erfolgreicher Fintechs sei heute ihre Marketingstärke.

Sachse analysierte zudem die aktuelle Marktdynamik aus internationaler Perspektive: Deutschland sei aufgrund seines hohen Einlagenvolumens ein besonders attraktiver Markt für ausländische Banken. Die Offensive der spanischen BBVA mit 3 % Tagesgeldzins wertet er nicht als kurzfristige Lockaktion für „Zinshopper“, sondern als gezielten Versuch, Einlagen strukturell aus Deutschland abzuziehen. Dass BBVA beispielsweise nicht ins Baufinanzierungsgeschäft einsteige, sei strategisch sinnvoll – denn dies würde den Vorteil der leichten Mobilisierung von Einlagen aushebeln. Sachse sieht einen klaren Trend zur Verlagerung der Kostenstrukturen: In Brasilien oder China erledigen viele Menschen Bankgeschäfte längst nicht mehr in der Banking-App, sondern über Chat-Plattformen wie WhatsApp oder WeChat. Diese Entkopplung vom klassischen Interface werde auch Europa erreichen. Seine These: Die Bank der Zukunft wird in ihrer Architektur viel fluider und ihre Kostenbestandteile radikal verschoben sein.

Eine andere, aber nicht weniger visionäre Perspektive bot Bianca Zwart, Chief Strategy Officer der niederländischen Neobank bunq, in einem separaten Thesen-Interview. Ihre Mission ist es, bunq zu einer globalen Bank zu machen, die Menschen wirklich gern nutzen. Das zentrale Prinzip: „User first“. Für Zwart bedeutet das nicht nur gute Usability, sondern ein tiefes Verständnis dafür, wie, wo und warum sich das Leben ihrer Nutzer verändert – sei es durch einen Umzug, einen Jobwechsel oder eine neue Lebensphase. Genau dort will bunq präsent sein. Als Bank für Expats, Vielreisende und digitale Nomaden verfolgt bunq einen konsequent internationalen Ansatz. Live, love, work across countries – dieser Leitsatz spiegelt sich in jedem Aspekt des Produktdesigns.

Zwart betonte, dass Nutzerfeedback bei bunq nicht nur erwünscht, sondern integraler Bestandteil der Produktentwicklung sei. Marktakzeptanz werde nicht durch Marktforschung simuliert, sondern durch reale Nutzung getestet. Gleichzeitig zeigte sie ein hohes Maß an Pragmatismus: In Deutschland etwa bleibe Bargeld trotz aller Digitalisierung „King“ – entsprechend passe sich bunq dem Verhalten seiner Nutzer an. Zwart beschrieb auch die Herausforderungen eines globalen Angebots: Die Regulierungslandschaften in Europa seien noch immer extrem heterogen. Was für Kunden unsichtbar bleibe, sei für Banken ein immenser Koordinationsaufwand. Dennoch sei es machbar – wenn die Perspektive stimmt: nicht vom Produkt, sondern vom Nutzer aus denken. Ihre Rolle als Chief Strategy Officer umfasst bei bunq auch die Verantwortung für PR, Kommunikation und User Operations – ein Zeichen dafür, wie eng Strategie, Marke und Kundeninteraktion bei bunq verzahnt sind.

Einen sehr praxisnahen und zugleich kulturell fundierten Blick auf die Transformation des Bankings gewährte Meike Keber, B2C Transformation Lead der TARGOBANK, in ihrem Best Practice Interview. Sie sprach nicht über aktuelle Akquisitionen wie die Übernahme der OLB – sondern über das, was eine erfolgreiche Transformation im Kerngeschäft ausmacht: Struktur, Haltung und kulturelle Führung. Die TARGOBANK, traditionell stark im Konsumentenkredit verankert, befindet sich aktuell auf dem Weg von einem Monoliner zu einer Universalbank. Keber sprach von „vielen parallelen Wachstumspfaden“: Die Erweiterung des Angebots um Baufinanzierung, die Integration von Gruppenleistungen wie Versicherungen, der Markteintritt in Österreich über Check24, aber auch neue Vertriebspartner wie Joe Broker.

Diese Transformation sei nur durch eine klare Governance möglich: mit Roadmaps, Dashboards, einem Purpose Office und einem dedizierten B2C Management Team. Transformation dürfe kein Zufallsprodukt sein, sondern müsse bewusst priorisiert und gesteuert werden. Dabei betonte Keber vor allem die kulturelle Seite des Wandels. Ihr Bild: Die TARGOBANK sei heute eher ein Monokultur-Wald – das Ziel sei ein diverser Mischwald. Das bedeute nicht nur mehr Produktvielfalt, sondern auch eine veränderte Denkweise. Transformation brauche Begleitung – systemisch, psychologisch, menschlich. Ihre akademische Herkunft aus der Wirtschafts- und Positiven Psychologie spiegelt sich in ihrem Führungsstil wider: Veränderung beginne im Kopf, nicht im System. Sie zog die Analogie zum deutschen Wald – fragmentiert, aber zunehmend datengetrieben bewirtschaftet. So müsse auch eine Bank heute denken: komplex, langfristig, wachstumsfähig.

Drei Stimmen, drei Perspektiven – und doch ein gemeinsames Ziel: Banking neu denken. Nicht aus Sicht von Produkten, sondern aus Sicht der Menschen, die sie nutzen. Nicht als reine Digitalisierung, sondern als Transformation im kulturellen, technologischen und strategischen Sinne. Die Gespräche mit Holger Sachse, Bianca Zwart und Meike Keber zeigten, wie vielfältig, anspruchsvoll und chancenreich dieser Wandel ist.

Themen: Bankenrating | Kommentare deaktiviert für Perspektiven auf das Banking von morgen – Drei Stimmen zur Zukunft der Branche

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