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Rating versus Wirtschaftsauskünfte im B2B

Von Dr. Oliver Everling | 12.September 2012

„Oberflächlich betrachtet dienen beide Risikomanagementtools, Rating und Wirtschaftsauskünfte, der Einschätzung von möglichen Risiken zwischen Vertragspartnern auf nationaler und internationaler Ebene“, schreiben Jens Höhl und Dieter Pape von der URA Rating Agentur AG, München, „Die Auskunft der bekannten Auskunfteien trifft mit ihrer Bonitätsbewertung oft eine relativ gute Aussage zur Bonität. Diese Bonitätseinschätzung wird durch Sammlung, Zusammenführung und Auswertung aus den Eigenauskünften der Unternehmen, Zahlungserfahrungen, und öffentlichen Registern erreicht und zum Bonitäts-Index aggregiert.“ Bei Vergleichen über Jahrzehnte zeigt dieser ausgewiesene Bonitätsindex statistisch eine Trefferquote bezüglich der Aussage einer zu erwartenden Ausfallwahrscheinlichkeit von ca. 60 %, berichten Höhl und Pape.

„Für das Credit Assessment von relativ großen Risiko-Volumina und bei Engpassrisiken werden nicht nur in der Kreditwirtschaft sondern zunehmend auch bei großen Unternehmen Bilanzratingverfahren eingesetzt. Wird bei der Ermittlung des Bonitätsindex der Auskunfteien auf die Zahlungserfahrungen des Marktes und auf bestimmte risikorelevanten Kriterien der Unternehmen zurückgegriffen, so nutzt das Bilanzrating mathematisch-statistische Verfahren. Hunderttausende Rechenoperationen mit Jahresabschlüssen erfolgreicher und weniger erfolgreicher Unternehmen, wie auch von Insolvenz betroffenene, ermöglichen eine Mustererkennung, mit der die Finanzstabilität des Unternehmens zuverlässig gemessen werden kann“, machen die Experten von der URA klar.

Die modernen Analysemethoden blenden das sogenannte Windowdressing weitgehend aus, so der Anspruch der Analysten der Ratingagentur aus München. „Intelligente Kennzahlenkombinationen sind sogar in der Lage, Bilanzbetrug aufzudecken. Studien von betriebswirtschaftlichen Fakultäten wie der Universität Münster belegen,“ so Pape, „dass spektakuläre Insolvenzen wie Philipp Holzmann, Karmann u.a. mit Bilanzratingsystemen frühzeitig hätten erkannt werden können.“

Das Bilanzratingverfahren der URA Rating Agentur hat bei der Vorhersage der einjährigen Ausfallwahrscheinlichkeit eine am so genannten Gini-Koeffizienten gemessene Treffsicherheit von mindestens 73%, fügt Höhl hinzu. „Die praktische Erfahrung bei Finanzdienstleistungsunternehmen zeigt sogar, dass eine Treffsicherheit von etwa 80% für die einjährige Voraussage realistisch ist.“

Ein ganzheitliches Rating beschränkt sich jedoch nicht nur auf die mathematisch statistischen Verfahren der Bilanzratings. Hier werden in einem standardisierten, von erfahrenen Ratinganalysten geführten Prozess, die Chancen und Risiken des Unternehmens in Bezug auf die aktuelle Finanzstabilität wie auch für die Entwicklung des Unternehmens in den nächsten drei bis fünf Jahren analysiert. Zahlreiche qualitative Erfolgsfaktoren dienen dazu, künftige Entwicklungen für ein Rating berechenbar zu machen. Hierzu dienen auch Informationen zur Branche, den Märkten und politische Einflüsse. Die Analyse der Unternehmensführung, Qualität der Mitarbeiterschaft, Effizienz der Produktionsprozesse wie auch die Qualität der Produkte am Markt fließen in ein solches Unternehmensrating ein.

„Es empfiehlt sich,“ so das Plädoyer von Höhl und Pape, „die traditionelle Methode der Auskunfteien mit den weiterentwickelten Methoden des Ratings zu kombinieren. Die Auskunftei mit ihren Erfahrungswerten lässt von der Vergangenheit auf die wahrscheinliche Entwicklung der Zukunft schließen. Die Rechenkapazitäten von Computern werden methodisch zur Trennung von Ausfallwahrscheinlichkeiten genutzt.“

Höhl und Pape sehen es als wissenschaftlich erwiesen an, dass die Vorhersagequalität dieser Systeme bei korrekter Datenerfassung der Auskunft deutlich überlegen ist. „Die Auskünfte von Auskunfteien und die Vorhersagen von mathematisch statistischen Bilanzratingverfahren sind komplementär. Sie sollten deshalb gemeinsam eingesetzt werden.“

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