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Ratings als Schlüssel zu Private-Equity-Chancen

Von Dr. Oliver Everling | 6.August 2025

Die überarbeitete Verordnung zu europäischen Long-Term Investment Funds (ELTIF), die im Januar 2024 in Kraft getreten ist, hat einen tiefgreifenden Wandel auf den Kapitalmärkten angestoßen – insbesondere für Privatanleger. Erstmals erhalten diese nun in breiterem Maße Zugang zu Anlageformen, die zuvor nahezu ausschließlich institutionellen Investoren vorbehalten waren: Private Equity, Private Debt oder Infrastruktur. Diese Anlageformen versprechen nicht nur neue Renditechancen, sondern auch einen besseren Zugang zur wirtschaftlichen Realität jenseits börsennotierter Unternehmen. Doch wie können Privatanleger fundierte Entscheidungen treffen, wenn es um diese komplexen, nicht transparenten Märkte geht? Hier kommt dem Rating eine zentrale Rolle zu.

Ein Rating ist kein bloßes Zahlenurteil – es ist ein Instrument der Aufklärung, Einordnung und Risikotransparenz. Es schafft Orientierung in einem Markt, der durch geringe Informationsdichte, hohe Komplexität und eingeschränkte Liquidität geprägt ist. Gerade weil Private Markets nicht an der Börse gehandelt werden, fehlt die tägliche Kursfeststellung als Spiegel des Marktvertrauens. Ratings füllen diese Leerstelle, indem sie qualitative und quantitative Kriterien zu einem strukturierten Urteil verdichten. Die Ratingagentur Scope zeigt exemplarisch, wie dieser Beitrag in der Praxis aussieht: Laut Scope kamen im Jahr 2024 allein 55 neue ELTIFs auf den Markt – ein Zeichen für die Dynamik, aber auch für die Herausforderung, aus einer wachsenden Zahl von Angeboten die passenden zu identifizieren. Ratings helfen, Risiken zu klassifizieren und die Seriosität sowie die Erfolgswahrscheinlichkeit von Anlagevehikeln und Strategien einzuschätzen.

Doch die Herausforderung geht tiefer: Private-Equity-Anlagen erfordern ein grundsätzliches Verständnis des Marktes. Wie Marc Tavakolian, Head of Investor Relations bei ODDO BHF Private Assets, betont, sei die Bedeutung von Private-Equity-Investments für Anleger heute noch stark unterschätzt. „Das potenzielle Anlageuniversum auf den privaten Märkten ist größer als das an der Börse gehandelte“, so Tavakolian. Der Unterschied ist enorm: Während in Deutschland nur rund 438 börsennotierte Unternehmen existieren, die bestimmte Größenkriterien erfüllen, liegt die Zahl entsprechender privater Unternehmen bei über 16.000. Dieses Reservoir an unternehmerischem Potenzial kann durch klassische Aktienkäufe nicht erschlossen werden – hier beginnt die Relevanz von Private Equity und damit auch der Bedarf an fundierten, ratingsgestützten Entscheidungen.

Ein Rating beleuchtet nicht nur den Fonds als Vehikel, sondern auch die zugrunde liegende Strategie. Denn Private Equity ist nicht gleich Private Equity. Tavakolian verweist auf die vier typischen Phasen eines Fonds: Kapitalbeschaffung, Investmentperiode, Ausschüttungsphase und Liquidation. Jede Phase birgt andere Risiken – etwa Liquiditätsengpässe in der Anfangsphase oder Bewertungsunsicherheiten in der Investmentperiode. Hier kann ein Rating systematisch Transparenz schaffen: Welche Strategie wird verfolgt? In welchem Unternehmensstadium wird investiert? Sind es Venture-Capital-Investments in Startups ohne getestetes Geschäftsmodell? Oder Buyouts in reife Unternehmen mit stabilem Cashflow? Handelt es sich um Turnaround-Fonds, die mit hohen Risiken, aber auch entsprechendem Renditepotenzial verbunden sind?

Zentral ist dabei laut Tavakolian: „Daher geht es den Unternehmen bei der Entscheidung für Private Equity nicht allein um die Deckung des Kapitalbedarfs, der unter Umständen auch durch Kredite gedeckt werden könnte. Private-Equity-Investitionen bringen neben Geld auch Know-how, ohne dass Zinsen anfallen. Das macht sie nicht nur für die Anleger, sondern auch für die Unternehmen attraktiv.“ Genau hier schließt sich der Kreis zur Rolle des Ratings. Denn je stärker Know-how, Netzwerkqualität, Managementkompetenz und strategische Fokussierung eines Fonds in die Bewertung einfließen, desto besser können Anleger beurteilen, ob das Vehikel zu ihren Zielen und Risikoprofilen passt.

In einer Zeit, in der sich die Grenzen zwischen institutionellem und privatem Kapital auflösen und regulatorische Neuerungen wie die ELTIF-Novelle diesen Prozess beschleunigen, wird die Rolle von Ratingagenturen unverzichtbar. Sie fungieren als Brücke zwischen Transparenzanspruch und Intransparenzrealität, zwischen Anlegerinteresse und Anbieterverantwortung – und letztlich zwischen Hoffnung auf Rendite und Kontrolle des Risikos. Wer die Potenziale privater Märkte nutzen will, sollte daher Ratings nicht als Zusatzinformation betrachten, sondern als Voraussetzung für informierte Entscheidungen.

Themen: ELTIF-Rating, PE-Rating | Kommentare deaktiviert für Ratings als Schlüssel zu Private-Equity-Chancen

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