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Scope Ratings zwischen IPO-Ambitionen und Marktanteilsverlusten
Von Dr. Oliver Everling | 19.Dezember 2025
Scope Ratings präsentiert sich in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend als selbstbewusste europäische Alternative zu den US-dominierten Ratingriesen S&P, Moody’s und Fitch. Medienberichte über eine geplante Expansion in die USA und einen langfristig angestrebten Börsengang zeichnen das Bild eines Unternehmens im Aufbruch. Ein Blick auf die aktuellen Marktdaten von ESMA zeigt jedoch ein deutlich weniger dynamisches Bild – und legt einen wachsenden Spannungsbogen zwischen strategischem Anspruch und ökonomischer Realität offen.
Nach den jüngsten Berechnungen der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) ist der Marktanteil von Scope Ratings im Bericht 2025 deutlich gesunken. Der Anteil an den EU-weiten Umsätzen aus Rating- und Nebenleistungen fiel auf 1,23 Prozent, nach 1,83 Prozent im Vorjahr. Damit verzeichnet Scope einen der stärksten relativen Rückgänge unter den mittelgroßen europäischen Ratingagenturen und bleibt klar unter der Schwelle, die regulatorisch als relevant für mehr Wettbewerb gilt. Während S&P seinen Marktanteil weiter ausbauen konnte und Moody’s sowie Fitch ihre dominante Stellung weitgehend verteidigen, verliert Scope ausgerechnet in einer Phase an Boden, in der das Unternehmen seine internationale Expansion vorbereiten will.
Demgegenüber steht die jüngste Berichterstattung der Börsen-Zeitung, die sich auf Aussagen von Scope-Gründer und Vorstandschef Florian Schoeller gegenüber Reuters stützt. Darin kündigt Schoeller an, Scope wolle „in zwei bis drei Jahren“ außerhalb Europas expandieren, insbesondere in den wichtigen US-Markt. Um dort akzeptiert zu werden, müsse Scope „in New York präsent sein“ und eine Anerkennung durch die US-Börsenaufsicht SEC erhalten. Ziel sei es, den Rückstand auf die „weitaus größeren Rivalen“ aufzuholen und den von Schoeller als sehr „US-zentriert“ bezeichneten Sichtweisen der großen Drei eine europäische Perspektive entgegenzusetzen.
Ein zentraler Baustein dieser Strategie ist ein Börsengang. „Das ist der Gesamtplan“, wird Schoeller zitiert. Zugleich bremst er die Erwartungen: „Man braucht ein gewisses Umsatzniveau, man muss profitabel sein, man braucht eine Wachstumsdynamik.“ Sein Bauchgefühl sage ihm, „dass es für einen Börsengang jetzt zu früh sei“. Diese Aussagen sind bemerkenswert, weil sie ein Kernproblem offenlegen: Rund 25 Jahre nach der Gründung hat Scope die Gewinnschwelle offenbar noch nicht nachhaltig erreicht. Stattdessen werden Verluste weiterhin durch Kapitalerhöhungen und den Einstieg neuer Gesellschafter ausgeglichen.
Jüngstes Beispiel ist der Einstieg der DekaBank mit einem Anteil von unter fünf Prozent, erworben im Rahmen einer Kapitalerhöhung. Neu hinzugekommen ist auch die Vienna Insurance Group. Bereits zuvor zählten neben Gründer Schoeller und Ankerinvestor Stefan Quandt zahlreiche institutionelle Investoren wie Crédit Agricole, AXA, Talanx/HDI oder die RAG-Stiftung zum Gesellschafterkreis. Die wachsende Investorenbasis sichert Scope finanzielle Stabilität und politische Rückendeckung, ersetzt aber keine nachhaltige Profitabilität.
Der Kontrast könnte kaum schärfer sein: Auf der einen Seite ambitionierte Pläne für US-Expansion und IPO, auf der anderen Seite ein schrumpfender Marktanteil im Heimatmarkt Europa und ein Geschäftsmodell, das weiterhin auf frisches Kapital angewiesen ist. Für potenzielle Investoren eines späteren Börsengangs ist das eine zentrale Frage. Ein IPO lebt nicht von strategischen Narrativen allein, sondern von belastbarem Wachstum, steigender Marktdurchdringung und stabilen Erträgen.
Damit steht Scope Ratings exemplarisch für die strukturellen Herausforderungen europäischer Ratingagenturen. Der politische Wunsch nach einer starken europäischen Alternative ist vorhanden, ebenso wie regulatorische Unterstützung. Die ESMA-Zahlen zeigen jedoch, dass Marktanteile nicht durch Visionen, sondern durch Skalierung und wirtschaftliche Durchschlagskraft gewonnen werden. Solange sich dieser Befund nicht ändert, bleibt der geplante Börsengang weniger ein bevorstehender Meilenstein als ein langfristiges Ziel mit offenem Ausgang.
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