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Sudans Bürgerkrieg als globales Machtspiel

Von Dr. Oliver Everling | 6.November 2025

Der Bürgerkrieg im Sudan, der seit April 2023 zwischen den Streitkräften unter General Abdel Fattah al-Burhan und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) unter Mohamed Hamdan Dagalo alias Hemedti tobt, hat das Land erneut ins Chaos gestürzt und gefährdet weit mehr als nur die Stabilität des Horns von Afrika. Wie Jeremy Gaines und Christian Hiller von Gaertringen in „Capital News Africa – your newsletter on African financial markets“ schreiben, sei Sudan „zum Schauplatz eines mörderischen Stellvertreterkriegs geworden, den verschiedene aufstrebende Nationen führen, um ihren Einfluss nach Ost- und Zentralafrika auszudehnen“. Mehr als 150.000 Menschen sind bereits gestorben, rund 14 Millionen wurden vertrieben – eine der größten humanitären Katastrophen weltweit.

Doch der Konflikt hat auch globale Dimensionen. Die Autoren betonen: „Dieser Krieg droht die internationale Wirtschaftsordnung insgesamt zu erschüttern.“ Sudans Lage an der Rotmeerküste macht das Land zu einem strategischen Knotenpunkt, durch den bis zu 15 Prozent des Welthandels verlaufen. Sollte die Gewalt Port Sudan erreichen, den letzten großen Hafen unter Regierungskontrolle, wären „die Auswirkungen auf die globalen Lieferketten enorm“. Bereits jetzt führten höhere Versicherungsprämien und Umrouten über das Kap der Guten Hoffnung zu steigenden Transportkosten und Lieferverzögerungen.

Neben den wirtschaftlichen Risiken bedroht der Krieg auch die Stabilität einer ganzen Region. „Sudan ist sowohl Opfer als auch Vektor regionaler Fragilität“, heißt es. Flüchtlingsströme belasten die Nachbarländer Tschad, Südsudan und Ägypten, während die Zerstörung von Pipelines und landwirtschaftlicher Infrastruktur Öl- und Lebensmittelmärkte beeinträchtigt. Die Autoren warnen, dass die „zunehmende Instabilität entlang des Nils Energie-, Nahrungs- und Migrationskrisen auslösen“ könnte, die bis nach Europa ausstrahlen.

Ein zentraler Aspekt des Konflikts ist der Kampf um die Kontrolle über die sudanesischen Goldvorkommen. „Das RSF nutzt die Goldminen in Darfur und Kordofan zur Finanzierung seines Krieges“, wobei große Mengen des Metalls illegal nach Dubai exportiert werden. Diese Schattenwirtschaft untergrabe die Transparenz des globalen Goldmarkts und fördere Geldwäsche sowie illegale Finanzströme.

Auch die humanitäre Lage verschärft sich dramatisch. Sudan, einst ein bedeutender Exporteur von Getreide und Vieh, steht laut UN „am Rande einer Hungersnot“ und könnte bald das Land mit der größten Vertreibungskrise der Welt werden.

Hinter der humanitären Tragödie stehen jedoch geopolitische Interessen. Ägypten unterstützt al-Burhan, um „den letzten institutionellen Schutzwall gegen Chaos und islamistischen Extremismus“ zu erhalten, während die Vereinigten Arabischen Emirate Hemedtis RSF fördern, um „ihren Einfluss im Rotmeerraum zu erweitern“ und von Sudans Gold zu profitieren. Saudi-Arabien bemüht sich um eine Vermittlerrolle, um Stabilität entlang seiner Küsten zu sichern. Russland strebt weiterhin „eine Marinebasis am Roten Meer“ an, um seine Macht bis in den Indischen Ozean auszudehnen, und pflegt Beziehungen zu beiden Kriegsparteien. Auch Iran, Türkei und Katar mischen zunehmend mit, während China versucht, seine Energieinvestitionen zu schützen und sich zugleich aus direkten Konflikten herauszuhalten.

Damit ist Sudan zum „Schauplatz eines neuen Großen Spiels“ geworden, in dem nicht mehr die USA und die Sowjetunion, sondern eine Vielzahl regionaler Mächte um Einfluss kämpfen. Die Autoren fassen zusammen: „Zum ersten Mal erleben wir einen arabisch getriebenen ‚Scramble for Africa‘.“ Der Bürgerkrieg im Sudan ist somit weit mehr als ein lokaler Machtkampf – er ist ein Brennpunkt einer neuen globalen Auseinandersetzung, in der Handelsrouten, Rohstoffe und Ideologien aufeinanderprallen und die Weltwirtschaft ins Wanken geraten könnte.

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