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Von der Attention Economy zur Action Economy: Wie ein neues Wirtschaftsverständnis ESG und Nachhaltigkeitsratings transformiert
Von Dr. Oliver Everling | 19.Oktober 2025
Der Begriff Attention Economy entstand in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus der Einsicht, dass in einer Welt des Informationsüberflusses menschliche Aufmerksamkeit zur knappsten und damit wertvollsten Ressource geworden ist. Bereits der Ökonom und Psychologe Herbert A. Simon erkannte in den 1970er-Jahren, dass „eine Fülle an Information zu einem Mangel an Aufmerksamkeit führt“. Mit dem Aufstieg digitaler Medien, sozialer Netzwerke und algorithmischer Plattformen wurde diese Beobachtung zu einem zentralen Prinzip der modernen Wirtschaft. Unternehmen konkurrierten nicht mehr nur um Marktanteile, sondern um Zeit, Klicks und Sichtbarkeit.
In den 2000er- und 2010er-Jahren erreichte die Attention Economy ihren Höhepunkt. Erfolg wurde an Reichweite, Interaktionsraten und viraler Präsenz gemessen – Indikatoren, die zwar kurzfristige Aufmerksamkeit generierten, aber wenig über langfristigen Wert, Wirkung oder Verantwortung aussagten. Die Ökonomie der Aufmerksamkeit förderte Oberflächlichkeit: Quantität dominierte über Qualität, Geschwindigkeit über Substanz, Wirkung über Nachhaltigkeit.
Diese Entwicklung führte in den letzten Jahren zunehmend zu einem Vertrauensverlust. Konsumenten, Investoren und Regierungen begannen zu erkennen, dass Aufmerksamkeit allein kein Indikator für echten gesellschaftlichen oder ökologischen Fortschritt ist. In dieser Phase des Umdenkens setzt Aoshi Chen mit seinem Konzept der Action Economy an. Gemeinsam mit Dr. Everling formulierte er 2025 das Action Economy Manifest, in dem es heißt: „Die Attention Economy fragte: Wer schaut zu? Die Action Economy fragt: Wer macht mit?“ Wert entsteht nicht mehr aus Sichtbarkeit, sondern aus Handeln, Beteiligung und Wirkung.
Dieses neue Paradigma hat weitreichende Folgen für die Beurteilung von Unternehmen, insbesondere im Bereich von ESG- und Nachhaltigkeitsratings. Während klassische Ratings auf quantitativen Finanzkennzahlen beruhen, und ESG-Systeme häufig auf Offenlegung und Berichterstattung fokussieren, fordert die Action Economy ein Umdenken hin zu aktiver Wirkungsmessung. Es genügt nicht länger, Strategien oder Versprechen zu kommunizieren – entscheidend ist, was tatsächlich umgesetzt wird, wie messbar Veränderungen herbeigeführt werden und welche Resonanz entsteht.
In diesem Sinne steht die Action Economy für eine qualitative Vertiefung der ESG-Logik. Sie verbindet ökologische Verantwortung, soziale Teilhabe und ethische Governance mit der Fähigkeit zur konkreten Umsetzung. Unternehmen werden nicht mehr nur danach bewertet, was sie sagen oder wohin sie investieren, sondern wie sie handeln – ob sie Mitarbeiter, Kunden und Partner aktiv in Transformationsprozesse einbinden und ob ihre Initiativen reale, überprüfbare Wirkung entfalten.
Die zukünftige Entwicklung von ESG- und Nachhaltigkeitsratings wird daher von einem rein berichtsbasierten Ansatz zu einem aktionsbasierten Bewertungsmodell übergehen. Neue Kennzahlen könnten die Beteiligung an Kooperationsprojekten, die Skalierung sozialer Innovationen oder die nachweisbare Reduktion von Emissionen und Ressourcenverbrauch abbilden. In der Logik der Action Economy wird Glaubwürdigkeit zur Funktion von Handlungskompetenz: Wer nachhaltig handelt, verdient Vertrauen – und damit Kreditwürdigkeit im umfassenden Sinne.
So markiert der Übergang von der Attention Economy zur Action Economy nicht nur einen kulturellen und technologischen Wandel, sondern auch eine Neuausrichtung ökonomischer Bewertungssysteme. Wo früher Aufmerksamkeit als Währung galt, wird künftig Wirkung zum Maßstab. Die Unternehmen, die in dieser neuen Epoche bestehen, werden jene sein, die nicht bloß gesehen, sondern wirksam werden – durch Taten, die sowohl wirtschaftlichen als auch gesellschaftlichen und ökologischen Mehrwert schaffen.
Themen: Nachhaltigkeitsrating, Unternehmensrating | Kommentare deaktiviert für Von der Attention Economy zur Action Economy: Wie ein neues Wirtschaftsverständnis ESG und Nachhaltigkeitsratings transformiert
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