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WpI MaRisk – eine verpasste Chance für die Risikokultur
Von Dr. Oliver Everling | 6.August 2025
Mit dem neuen Rundschreiben zu den Mindestanforderungen an das Risikomanagement von Wertpapierinstituten („WpI MaRisk“) setzt die BaFin zweifellos wichtige Impulse zur Stärkung der Risikosteuerung und Transparenz im Finanzsektor. Liquiditätssteuerung, Stresstests, Risikoberichte und Notfallpläne werden umfassend adressiert. Doch gerade in einem so detaillierten Regelwerk fällt eines besonders auf: Das Thema „Ratings“ und der Umgang mit externen Bonitätseinschätzungen werden mit keinem Wort explizit geregelt. Das ist nicht nur eine Lücke, sondern ein strukturelles Versäumnis.
In einer Zeit, in der Ratingurteile für Märkte, Emittenten und Produkte gleichermaßen risikobestimmend sind – insbesondere im Kontext der Bewertung von Anlageportfolios, der Allokation von Risikokapital oder bei Liquiditätsplanungen – ist es kaum nachvollziehbar, dass Ratings keine Rolle im BaFin-Rundschreiben spielen. Selbst dort, wo regelmäßig Bewertungen, Risikobewertungen oder Ergebnisermittlungen gefordert werden, bleibt unklar, ob und wie externe Bonitätsurteile einbezogen werden sollen – etwa als Input zur Modellkalibrierung, zur Einschätzung von Risikokonzentrationen oder zur Beurteilung von Abwicklungsrisiken.
Diese Auslassung ist aus mehreren Gründen problematisch. Erstens ignoriert sie, dass Ratings – bei aller berechtigten Kritik – ein marktetabliertes Frühwarnsystem darstellen, das regulatorisch längst anerkannt ist, etwa im Bankenaufsichtsrecht oder im Versicherungsaufsichtsgesetz. Zweitens versäumt es die BaFin damit, Wertpapierinstitute zu einem reflektierten und dokumentierten Umgang mit externen Ratings zu verpflichten. Gerade kleinere Institute verlassen sich häufig stark auf externe Urteile, ohne deren Aussagekraft kritisch zu hinterfragen oder in ihre internen Limitsysteme sauber zu integrieren.
Es wäre zu begrüßen gewesen, wenn das Rundschreiben zumindest ein Mindestmaß an Leitlinien zum Einsatz von Ratings definiert hätte – etwa zur Einbettung in die Risikoinventur, zur Berücksichtigung in der Risikoberichterstattung oder zur Einordnung in Stresstestszenarien. Auch eine Auseinandersetzung mit dem Risiko einer zu starken Ratings-Abhängigkeit und der Forderung nach eigenständiger Validierung wäre angebracht gewesen.
Stattdessen hinterlässt die WpI MaRisk den Eindruck, Ratings seien für die Risikosteuerung nachrangig oder entbehrlich. Diese Haltung ist realitätsfern – gerade in einem Umfeld steigender Bonitätsrisiken, höherer Volatilität und zunehmender Marktverwerfungen. Wer Ratings ignoriert, verzichtet auf ein wichtiges Instrument zur Risikoorientierung. Wer sie unreflektiert nutzt, handelt grob fahrlässig. Die BaFin hätte hier stärker differenzieren und Orientierung geben müssen.
Die Regulierung von Risikomanagement darf sich nicht in operativen Anforderungen erschöpfen. Sie muss auch den methodischen Werkzeugkasten definieren – und dazu gehören Ratings zwingend. Die nächste Überarbeitung der WpI MaRisk sollte diesen blinden Fleck beheben.
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