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Zinszyklus in Europa weckt die Schweizerische Zentralbank

Von Dr. Oliver Everling | 10.Juni 2022

Die Europäische Zentralbank schaltet zwei Gänge höher und attackiert damit die unerwünscht hohe Inflation nun mit einer, für europäische Verhältnisse, scharfen geldpolitischen Straffung, so heißt es in einem Marktkommentar von Reto Cueni, Chief Economist bei Vontobel.

„Nachdem die Zentralbank genau 11 Jahre lang ihre Leitzinsen nicht mehr angehoben hat,“ so Reto Cueni weiter, „kündigte sie nun in ihrer nächsten Sitzung Mitte Juli eine erste Zinserhöhung von 25 Basispunkten an. Zugleich stellte sie sogar eine doppelte Erhöhung (50 Basispunkte) in ihrer Septembersitzung in Aussicht, wenn sich die mittelfristigen Inflationsprognosen der Bank nicht verringern. Da wir keine substanzielle Entspannung der mittelfristigen Prognosen für die Energie- und Nahrungsmittelpreise bis Anfang September erwarten, prognostizieren wir folglich einen doppelten EZB-Zinsschritt im September.“

Danach dürfte die EZB allerdings vorsichtiger werden, glaubt man bei Vontobel, da sich das Wachstum in der Eurozone gegen und vor allem in 2023 wohl abschwächen und die Inflation sich zurückziehen dürfte – es sei denn, weitere Schocks würden die Energie- und Nahrungsmittelpreise oder die Probleme globaler Lieferketten erneut verschärfen. „So erwarten wir, dass die EZB danach in der Oktober- und Dezembersitzung wieder auf normale Zinsschritte umsteigen und die Leitzinsen insgesamt im laufenden Jahr um nicht mehr als 125 Basispunkte erhöhen wird. Demgegenüber haben die Märkte bis vor dem EZB-Meeting sogar eine Zinserhöhung von fast 140 Basispunkten eingepreist.“

Andererseits würden eine stärkere Eintrübung der Wachstumsaussichten oder eine Verwerfung an den Anleihenmärkten, wo die Renditedifferenzen zwischen deutschen und italienischen Staatsanleihen erneut gestiegen sind, bereits im September zu einem kleineren Zinsschritt oder sogar einer Pause führen.

„Mit ihrer schärferen Gangart verringerte die EZB heute ihren Rückstand in Sachen geldpolitischer Straffung zu anderen großen Zentralbanken wie der amerikanischen Fed oder der Bank von England,“ so der Chefvolkswirt, „die bereits voll im Zinserhöhungszyklus stecken. Zuletzt dürfte der Beginn des Zinszyklus in Europa nun auch die Schweizerische Zentralbank aufwecken. Wir erwarten daher einen ersten Zinsschritt der SNB bereits im September und jeweils einen weiteren im Dezember und im März des neuen Jahres, was dann auch in der Schweiz ein Ende der Negativzinsen bedeuten würde.“

Themen: Länderrating | Kein Kommentar »

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