« René Babinsky: Banking zwischen App und Begegnung – die neue Balance im Kundenerlebnis | Home | Perspektiven auf das Banking von morgen – Drei Stimmen zur Zukunft der Branche »
Zwischen Zöllen, Schulden und Zinssorgen: Amerikas Wirtschaftspolitik vor dem Stresstest
Von Dr. Oliver Everling | 1.Juli 2025
Die vorübergehende Entspannung im Nahen Osten rückt wirtschaftspolitische Themen in den Fokus zurück, die zuletzt zu Unrecht in den Hintergrund getreten waren. Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt der FERI Gruppe, warnt insbesondere vor den Folgen einer zunehmend protektionistischen Handelspolitik der USA sowie einer fiskalischen und geldpolitischen Entwicklung, die Unsicherheit an den Finanzmärkten schürt. „Das generelle Zoll-Niveau auf US-amerikanische Importe wird letztlich mindestens dreimal so hoch sein wie vor dem Amtsantritt Trumps“, konstatiert Angermann. Daraus resultierten Risiken für die Preisstabilität: „Die absehbare unmittelbare Folge sind steigende Importpreise und damit wieder anziehende Inflationsraten.“ Zwar sei dies in den aktuellen Inflationsdaten noch kaum sichtbar, doch Angermann warnt: „Im Hintergrund droht Ungemach.“ Als Warnsignal verweist er auf den Anstieg der Preiskomponente des Einkaufsmanagerindex auf den höchsten Stand seit drei Jahren.
Auch fiskalpolitisch droht eine weitere Verschärfung. Sollte Trump erneut Präsident werden, will er pünktlich zum 4. Juli den „One Big Beautiful Bill Act“ unterzeichnen. Angermann sieht in dem Gesetzespaket eine Gefahr für die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen: „Die jährlichen Defizite des US-Haushalts werden aller Voraussicht nach auf jeden Fall groß bleiben – und den Schuldenstand weiter steigen lassen.“ Während die Aktienmärkte sich zunächst über die enthaltenen Steuersenkungen freuen dürften, erwartet er am Rentenmarkt eine gegenteilige Reaktion: „Ihre Kollegen am Rentenmarkt [dürften] auf die weiter erodierende Tragfähigkeit der staatlichen Verschuldung mit höheren Zinsforderungen für US-Staatsanleihen reagieren.“ Die Folgen höherer Zinsen seien bereits spürbar: „Man sieht es an der Entwicklung der Häusermärkte und der Bautätigkeit“, so Angermann. Auch die Konsumdaten signalisierten, „dass die Kauflaune der US-Amerikaner nicht mehr uneingeschränkt positiv ist.“
Vor diesem Hintergrund sieht Angermann die US-Notenbank Federal Reserve in einem Dilemma. „Mit Blick auf die absehbare Inflationsentwicklung verbieten sich Zinssenkungen, angesichts der voraussichtlichen Konjunkturentwicklung wären sie hingegen durchaus wünschenswert.“ Die Notenbanker hielten sich nach außen hin zwar beide Optionen offen, doch intern gebe es erbitterte Diskussionen darüber, „inwieweit man zollbedingte Inflationseffekte als ‚vorübergehend‘ ansehen soll – was den Weg zu Zinssenkungen frei machen könnte.“ Gleichzeitig werde die politische Unabhängigkeit der Fed zunehmend untergraben: „In aller Öffentlichkeit beschimpft der Präsident derweil den von ihm selbst eingesetzten Notenbankchef in einer Weise, die für die künftige Unabhängigkeit geldpolitischer Entscheidungen das Schlimmste befürchten lässt.“ Für Angermann ist klar: „Die Politisierung der Fed in den Diensten der MAGA-Bewegung hätte das Potenzial, die Kapitalmärkte ganz grundlegend zu erschüttern.“ Bereits die Andeutung, „knapp ein Jahr vor dem Ende der Amtszeit von Powell eine Art Schattenpräsidenten zu installieren, hat die Nervosität an den Märkten bereits steigen lassen.“
Angesichts dieser Entwicklungen rechnet Angermann nicht mit einer Ruhephase an den Märkten: „Eine echte Sommerpause ist an den US-Märkten eher nicht zu erwarten.“ Und weil die Vereinigten Staaten mit ihren Aktien, Staatsanleihen und ihrer Währung weiterhin global prägend seien, gilt dies laut Angermann „auch für Europa und andere Regionen weltweit.“
Themen: Aktienrating, Anleiherating, Länderrating | Kommentare deaktiviert für Zwischen Zöllen, Schulden und Zinssorgen: Amerikas Wirtschaftspolitik vor dem Stresstest
Kommentare geschlossen.