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Zwischen Resilienz und Risiko: ODDO BHF warnt vor zu viel Optimismus an den Märkten
Von Dr. Oliver Everling | 18.Juni 2025
Die Finanzmärkte haben nach dem Liberation Day eine bemerkenswerte Widerstandskraft gezeigt. Doch wie nachhaltig ist diese Entwicklung wirklich? Bei ODDO BHF warnt man davor, sich von der aktuellen Marktlage blenden zu lassen. „Die Gesamtlage spricht für einen zurückhaltenderen, ausgewogeneren Ansatz. Märkte kennen zwar nach oben keine Grenzen, doch fliegen können sie nicht“, schreibt Laurent Denize, Co-CIO von ODDO BHF, in seinem monatlichen Investment-Brief. Tatsächlich lasse sich die jüngste Marktresilienz insbesondere in Europa gut erklären – politische Entscheidungsträger weltweit setzen auf Fortschritte in den Handelsgesprächen, und selbst die Unsicherheit rund um Zollfragen wird mittlerweile als gegeben akzeptiert.
Doch während der „Handelskrieg“ in den Hintergrund rückt, tritt ein neues geopolitisch-finanzielles Thema in den Vordergrund: der „Kapitalkrieg“. Denize verweist dabei auf den „One Big Beautiful Bill Act“, der weitreichende Steuer- und Ausgabereformen vorsieht. Sollte dieses Gesetz verabschiedet werden, könnte das zwar positive Impulse für den Aktienmarkt geben. Doch es sind gerade die Details, die für Unsicherheit sorgen. Besonders kritisch sieht Denize Abschnitt 899 des Gesetzentwurfs, der steuerliche Strafmaßnahmen gegen Nicht-US-Personen vorsieht. „Beunruhigend ist zum Beispiel Abschnitt 899 des derzeit dem Senat vorliegenden Steuergesetzes. Dieser sieht steuerliche Vergeltungsmaßnahmen gegen Nicht-US-Personen, Unternehmen und Regierungen aus Ländern vor, die ‚unfaire ausländische Steuern‘ auf US-Personen erheben.“ Eine Erhöhung der Quellensteuer auf bis zu 20 Prozent soll auf Gewinne, Dividenden, Zinsen und Kapitalgewinne erhoben werden – eine Maßnahme, die vor allem ausländische Anleger und Institutionen treffen dürfte. Zudem ist eine Steuer auf Auslandsüberweisungen geplant. „Diese beiden Vorhaben lassen Zweifel daran aufkommen, wie es künftig um die volle Freiheit des Kapitalverkehrs in der US-Wirtschaft bestellt sein wird“, so Denize. Die Unsicherheit sei groß, und für ausländische Investoren werde eine Reinvestition in den US-Dollar zunehmend zur strategischen Abwägung. „Erstens herrscht Unsicherheit über die künftige Politik. Zweitens erweist sich Trumps Ankündigung, die Staatsausgaben zu senken, immer mehr als leeres Versprechen. Und drittens sind alle Maßnahmen Trumps von der Maxime geleitet, ‚Ausländer zahlen‘ zu lassen.“
Mit Blick auf die Märkte warnt Denize vor einer möglichen Abschwächung der US-Aktien. Sechs Gründe führt er dafür an: die Diskrepanz zwischen weichen und harten Konjunkturdaten, mögliche Inflationsanstiege ab Juli, steigende Anleiherenditen durch fiskalische Bedenken, ambitionierte Gewinnwachstumsprognosen, ein hohes Kurs-Gewinn-Verhältnis sowie ein Rekordhoch bei der Aktienquote der US-Haushalte. Zusätzlich werde der Status amerikanischer Vermögenswerte als sicherer Hafen zunehmend infrage gestellt. Diese Entwicklung könnte einen Trend hin zu europäischen und Schwellenländer-Märkten beschleunigen.
Vor diesem Hintergrund bleibt ODDO BHF bei seiner leicht übergewichteten Position in europäischen Aktien. Besonders positiv wertet man Deutschlands fiskalische Expansion – mit Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung sowie geplanten Unternehmenssteuersenkungen in Milliardenhöhe. „Wir sind recht zuversichtlich, dass die Handelsgespräche zu einem positiven Ergebnis führen werden“, erklärt Denize. Innerhalb Europas bevorzugt er Large- und Mid-Caps mit starker Deutschland-Ausrichtung. Auch wenn es im Verteidigungssektor zu kurzfristigen Gewinnmitnahmen kommen könnte, hält ODDO BHF strukturell an einer Long-Position in diesem Bereich fest. Taktisch richtet sich der Blick auf die Schwellenländer. Dort könnten nachlassende Handelsspannungen mit China, ein schwächerer US-Dollar und neue Konjunkturmaßnahmen für Auftrieb sorgen. „Die Region ist günstig bewertet und in Portfolios unterrepräsentiert. Innerhalb der Schwellenländer bleiben wir für chinesische Technologiewerte weiterhin optimistisch“, so Denize.
Bei Anleihen bevorzugt ODDO BHF derzeit eine neutrale Duration und hat sowohl in den USA als auch in Europa länger laufende Titel aufgenommen – gestützt durch den anhaltenden Disinflationstrend und schwächere Inflationszahlen. Bei Unternehmensanleihen bleibt das Bild gemischt: Zwar schätzt man die Kreditrisiken positiver ein, die niedrigen Spreads bieten jedoch nur begrenzten Schutz gegen mögliche Wachstumsdellen. Kurzlaufende Investment-Grade- und Hochzinsanleihen sieht man hingegen als attraktiv an – nicht zuletzt wegen ihres überschaubaren Verlustpotenzials. Denize betont die Präferenz für europäische gegenüber US-amerikanischen Papieren: „Wir bleiben bei unserer leicht negativen Sicht auf den US-Dollar, da langfristige Indikatoren wie die Kaufkraftparität und das Leistungsbilanzdefizit eine Aufwertung des Euros erwarten lassen. Zudem könnte eine Wachstumsverlangsamung in den USA den Dollar schwächen.“
Themen: Aktienrating, Anleiherating | Kommentare deaktiviert für Zwischen Resilienz und Risiko: ODDO BHF warnt vor zu viel Optimismus an den Märkten
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