« | Home | »

Schlechtes Rating für Insolvenzaufsicht

Von Dr. Oliver Everling | 17.Mai 2011

Betriebs‐ und volkswirtschaftliche Schäden durch Insolvenzen in Deutschland sind extrem hoch, weist Prof. Dr. Hans Haarmeyer mit der Insolvenzstatistik nach. Er sprach zum Thema “Novellierung des Insolvenzrechts – starke Gläubiger im Insolvenzverfahren?” auf dem NPL-Forum 2011, veranstaltet vom Frankfurt School Verlag in der Frankfurt School of Finance & Management (http://www.frankfurt-school-verlag.de). Haarmeyer ist Vorstand des GSV Deutschland e.V. (http://www.gsv.eu/) und Leitender Direktor des DIAI. Der Gesamtschaden sei zwar nicht erfasst, beträgt aber mind. 150 Mrd. €.

Die Insolvenzverschleppung ist die Regel, die Beachtung der
gesetzlichen Antragspflichten die große Ausnahme, sagt Haarmeyer: 98% aller Anträge bei Unternehmensinsolvenzverfahren werden ca. 1 Jahr nach Eintritt der materiellen Insolvenz gestellt. Mehr als 70% der Insolvenzschäden treten im Zeitraum der Insolvenzverschleppung ein – 25% Gläubigeranträge, 75% Eigenanträge;
Leistungsempfänger des insolventen Schuldners haben wegen des
hohen Anfechtungsrisikos kein Interesse an der Eröffnung. Die konsequente Verfolgung von Anfechtungs- und Haftungsansprüchen
führt zu Massemehrungen von bis zu 50% – findet aber nur in ca. 20%
aller Verfahren statt, berichtet Haarmeyer.

Insolvenzverfahren ohne Beteiligung der Gläubiger sind die Regel: Die wesentlichen Entscheidungen fallen in den ersten 3 Wochen des
Insolvenzverfahren. Es gibt keine strukturierte Beteiligung der Gläubiger. 20% aller Forderungen werden gar nicht erst angemeldet, sondern schlicht ausgebucht. “Verstöße gegen gesetzliche Regelungen, Schlechtabwicklung und Schlechtverwertung etc. werden beklagt, aber nicht verfolgt”, berichtet Haarmeyer aus der Praxis. Indem Informationen nur innerhalb der Gläubigerversammlungen weitergegeben werden, verläuft das Verfahren faktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Gerichtliche Veröffentlichungen erreichen die Gläubiger nicht bzw. sind informatorisch wertlos, so die nüchterne Bilanz von Haarmeyer: “Die Gläubiger sehen in der Beteiligung an einem Insolvenzverfahren keinerlei Sinn/Erfolgschance und nehmen demzufolge nicht teil.”

Bei ca. 120 von 182 Gerichten arbeiten Teilzeitinsolvenzrichter(innen); der Einsatz von Proberichtern und schneller Richterwechsel sei die Regel, so Haarmeyer. “Eine risikoorientierte Aufsicht findet faktisch nicht statt; Eröffnungsquoten variieren von 18% bis 85 % bei Kapitalgesellschaften. Im Durchschnitt gibt es Ø 0 -30 Planverfahren pro Richter/pro Jahr.” Die Verfahrensergebnisse: Die Verfahrensdauer variiert zwischen 2,8 und 5,8 Jahre; Quote für ungesicherte Gläubiger Ø 3 – 4%, Auszahlung erfolgt durchschnittlich nach vier Jahren. Zwei Drittel aller Insolvenzfälle enden mit der Quote 0% und zwei Drittel der
Insolvenzmassen werden für Verwaltungs- und Verwertungskosten incl. der Vergütung der Verwalter aufgewendet. Die Qualität der Insolvenzaufsicht ist „dürftig“, so sein Fazit.

Themen: Mittelstandsrating, Unternehmensrating | Kein Kommentar »

Kommentare

Sie müssen eingelogged sein um einen Kommentar zu posten.