« | Home | »

Am Beispiel von Zhejiang lernen

Von Dr. Oliver Everling | 31.Juli 2019

Der deutsche Steuerzahler wendet Milliardenbeträge auf, um Entwicklungshilfe in China zu leisten. Auch in diesem Jahr werden wieder mehrere hundert Millionen Euro aus Deutschland nach China fließen, um der aufsteigenden Industriemacht zu helfen. Hinzu kommen Mittel für Investitionen von vielen mittelständischen Unternehmen und international agierenden Konzernen aus Deutschland.

Der deutsche Fokus auf Export und Entwicklungshilfe für China versperrt den Blick dafür, was inzwischen in Deutschland von der Volksrepublik China gelernt werden kann. Von der deutschen Grenze reicht die Strecke nach China etwa genauso weit wie innerhalb Chinas von seinen entferntesten Grenzpunkten. Entsprechend groß ist auch die Vielfalt innerhalb der Volksrepublik China, insbesondere was die wirtschaftliche, gesellschaftliche und technologische Entwicklung im bevölkerungsreichsten Staat der Erde angeht.

Guangjin Chen und Jianhua Yang legen im Verlag Springer mit dem Titel „Chinese Dream and Practice in Zhejiang—Society“ ein Sammelwerk vor, das in Deutschland wahrscheinlich am wenigsten von denjenigen gelesen wird, die es am dringendsten lesen sollten, namentlich Politikern, denen der sich zwischen Deutschland und China vollziehende Rollentausch entgangen ist und die Deutschland immer noch in der Rolle des spendierfreudigen Wohlfahrtsstaates sehen, von dem andere zu lernen hätten.

Eine Welt, ein Traum, das war schon das Motto der Olympischen Spiele in Peking 2008. Der gemeinsame Traum ist auch der Ausgangspunkt dieses Buches, das sich auf eine der sich am dynamischsten entwickelnden Provinzen Chinas bezieht. In der rund 56 Millionen Einwohner zählenden Provinz Zhejiang ist in ihrer Provinzhauptstadt Hangzhou eines der am höchsten bewerteten Unternehmen der Welt ansässig, das von Jack Ma gegründete Unternehmen Alibaba.

In neun Kapiteln geht es um Veränderungen in den sozialen Strukturen, um die Integration ländlicher und städtischer Gebiete, den Zugang der Bevölkerung zu öffentlichen Diensten und Programmen, um Verwaltung und Migrationspolitik sowie insbesondere auch um Fragen der Sicherheit und sozialen Entwicklung.

„Die Verbesserung der kulturellen Qualität der Bevölkerung hängt eng mit der raschen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in Zhejiang zusammen. Seit der wirtschaftlichen Marktöffnung hat Zhejiang ein superschnelles Wirtschaftswachstum erzielt und trotz der Voraussetzung, dass Zhejiang keine besondere Reform- und Öffnungspolitik, keine einzigartige geografische Lage und eine vorteilhafte wirtschaftliche Grundlage hat, deutliche Verbesserungen bei den wirtschaftlichen Grundlagen und der Gesamtleistung erzielt“, schreibt Feng Tian und erläutert im Buchbeitrag, welche Institutionen direkt und indirekt für die soziale Entwicklung maßgebend sind.

Chunguang Wang erläutert die von Xi Jinping aufgezogene Integration von Stadt und Land anhand von drei Implikationen: „Erstens, die Landwirte zu ermutigen, in die Städte einzureisen und die Landwirte nicht mehr „landwirtschaftlich“ zu belassen; zweitens, Kleinstädte pflegen, eine neue Landschaft bauen; drittens, Förderung der Industrialisierung der Landwirtschaft und Entwicklung der ländlichen Wirtschaft.“

Jinjun Wang zeigt auf, wie die Verwaltung öffentlicher Programme in die Pflicht genommen und gleicher Zugang zu öffentlichen Diensten für alle garantiert wird. „Zhejiang hat ein elektronisches System zur Bewertung der Zufriedenheit, Statistiken zu regelmäßigen Befragungen zur Zufriedenheit und Online-Befragungen zur Zufriedenheit eingeführt, um die Meinung der Menschen zu öffentlichen Diensten umfassend zu erfragen. Eine Echtzeitverbindung zwischen der Qualität der öffentlichen Dienste und dem Internet ermöglicht Leistungsbewertung und verknüpft die Bewertung der Dienstleistungsqualität durch die Bevölkerung mit der Bewertung der Leistung im öffentlichen Dienst.“

Jianhua Yang beschreibt die Philosophie, die Regierung von der öffentlichen Meinung leiten zu lassen. So habe die Stadt Hangzhou aktiv nützliche Experimente durchgeführt, um die geordnete politische Beteiligung der Bürger zu erhöhen und demokratische und wissenschaftliche Entscheidungen zu treffen. Inzwischen sei das ein typisch gewordener Fall der Institutionalisierung und Standardisierung von Entscheidungsinnovationen lokaler Regierungen im Zeitalter der Netzwerke.

Das Buch zeigt einen neuen, nicht zuletzt auch durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglichten Weg auf, Regierungen offen und demokratisch entscheiden zu lassen. Jianhua Yang spricht von Diversifizierung und Institutionalisierung der Regierungsentscheidungen und von standardisierter und prozessbasierter Entscheidungsfindung der Regierung.

Zhejiang war die erste Provinz, die das Rating von sozialen Organisationen initiierte, ein ratingbasiertes Zugangssystem für soziale Organisationen einrichtete, die Ratingergebnisse in das soziale Kreditsystem einfließen lies und den hoch gerateten sozialen Organisationen eine bevorzugte Behandlung bei der Übertragung von Regierungsfunktionen, Ausschreibung von Projekten, Beauftragung von Agenten, sozialen Diensten sowie bei Begutachtung und Bewertung gab, schreibt Youxing Lang in dem Buch über den chinesischen Traum und die Praxis in der Gesellschaft der Provinz Zhejiang.

Themen: Nachrichten | Kein Kommentar »

Kommentare

Sie müssen eingelogged sein um einen Kommentar zu posten.