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Aufschwung ohne Überschwang

Von Dr. Oliver Everling | 9.Mai 2015

„Aufschwung ohne Überschwang“, skizziert Dr. Holger Schmieding von der Berenberg Bank. „Nur die Lokführer nehme ich davon ausdrücklich aus.“  Schmieding sieht keine Übertreibungen: Bei den Verbraucherpreisen nicht, bei den Löhnen nicht und auch nicht bei den Immobilienpreisen. Letztere Wahrnehmung, räumt Schmieding ein, mag mit der Tatsache zusammenhängen, dass Schmieding in London tätig ist, wo ganz andere Immobilienpreisentwicklungen zu beobachten waren und sind als in Frankfurt am Main.

Schmieding meint zu sehen, dass breite Bevölkerungkreise in Deutschland in ihrem Verhalten immer noch durch die dramatischen Erfahrungen aus der Finanzkrise geprägt seien. Entsprechend vorsichtig gehe man vor, worin er als Volkswirt keinen Nachteil sehen kann. Auch das Wahlergebnis in Großbritannien kommentiert er positiv: „Wenn man den Briten eine ernsthafte Frage stellt, bekommt man auch eine ernsthafte Antwort. Anders als bei den Wahlen zum Europaparlament.“

Der Fokus auf die Geldwertstabilität, ohne hinreichend auf die Stabilität des Geldwesens zu achten, sei nicht ganz falsch aber doch zu eng gefasst gewesen. Eine Zentralbank muss auch auf Geldmenge und Kreditvolumen schauen. Dass die Notenbanken in den USA und Europa vor 2008 ein übermäßiges Kreditwachstum zugelassen hatten, habe letztlich den Boden für die große Finanzkrise danach bereitet.

Am 18. März 2009 beschloss die US-Notenbank, US-Staatsanleihen anzukaufen. Schon einen Monat später zeigten die Konjunkturindikatoren auch in Deutschland nach oben, glaubt Schmieding zu sehen. „Es ging damals darum, schlagartig die Panik zu stoppen, um einen schlagartigen Vertrauenseffekt.“ Der Vertrauenseffekt sei sofort sichtbar. Der Transmissionsmechanismus der Geldpolitik funktioniere in Normalzeiten wie es in den Lehrbüchern stehe, nicht aber in einer solchen Krisensituation. Da zähle die Wiederherstellung des Vertrauens mehr.

Am 26. Juli 2012 habe sich die Stimmung der Welt gegenüber der Eurozone wegen der berühmten Worte von Mario Draghi gedreht. „Ein reiner Vertrauenseffekt. Wir glauben nicht mehr, dass die Währungen auseinanderbrechen könnten. Wir haben die Zuversicht, dass die Zukunft wahrscheinlich besser wird.“ Putin habe die Konjunktur voübergehend aus dem Tritt gebracht.

Heute wirke die Geldpolitik wesentlich mehr über die Wechselkurse. Mit den Ankäufen von Staatsanleihen seien die Renditen gar nicht mehr gefallen, sondern in Vorfreude oder Vorwegnahme seien die Renditen schon vorher gesunken. „Ich dachte eigentlich, der Tiefpunkt hätte schon  Ende Januar erreicht werden müssen, nicht erst im April.“ Mit der anspringenden Konjunktur erwarte man nun wieder mit leicht steigenden Zinsen aufgrund steigender Kreditnachfrage.

Der Zentralbank werde es wesentlich leichter fallen, auch die Bundesanleihen auf dem Markt zu finden, um ihre Aufkäufge fortzusetzen. Die neue Rolle der Geldpolitik sei die Rückbesinnung auf Erkenntnisse, die man schon lange habe. Das Monopol der Notenbank sorge für eine „unglaublich starke Stellung“. SIe könne sich daher überwiegend über die Geldwertstabilität Gedanken machen. „Wir müssen uns aber auch über den Übertragungskanal Gedanken machen, auch an die Stabilität des Geldwesens denken.“

Schmieding rechtfertigt das massive Eingreifen der Zentralbanken. „Die Brandschutzordnung reicht meistens, aber manchmal muss die Feuerwehr ausrücken“, sagt Schmieding. Die Institution mit dem meisten Löschwasser sei die Zentralbank. „Ich kann derzeit keine Blasen entdecken.” Zumindest nicht in dem Sinne, dass Vermögenspreise auf breiter Front durch übermässig kreditfinanzierte Käufe in absurde Höhen getrieben würde. „Das Kreditwachstum ist insgesamt ja eher mässig“, analysiert Schmieding.

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