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Bürger wehren sich?

Von Dr. Oliver Everling | 13.September 2015

„Wehrt euch, Bürger!“ Wenn ein Buch einen solchen Titel trägt, geht es um mehr als nur juristische Ventilation. Der Autor des Buch im FinanzBuch Verlag (ISBN 978-3-89879-925-6) Prof. Dr. Markus C. Kerber, ist schon fast seit Jahrzehnten als profilierter „Fed Watcher“ bekannt, wie man einen solchen Beobachter der Zentralbankpolitik in den USA wohl nennen würde. Der Untertitel seines Buches lässt schon erahnen, in welche Richtung die Verteidigung gehen muss, denn dieser heißt: „Wie die Europäische Zentralbank unser Geld zerstört“. Kerber widmet mit seiner „Edition EuroPolis“ zudem seit Jahren Schriften der europäischen Wirtschaftspolitik und dem europäischen Wirtschaftsrecht. Er ist Professor für öffentliche Finanzwirtschaft und Wirtschaftspolitik an der Technischen Universität Berlin, seit 2006 auch Gastprofessor für Verteidungsungsökonomie am I.E.P. Paris.

Dem sprachbegabten Kerber ist das Thema offenbar ein aufrichtiges Anliegen. So widersteht er der Versuchung, mit ihm vertrauten Fachbegriffen schnell die Mehrzahl möglicher Leser seines Buches „abzuhängen“, sondern setzt den Feinschliff seiner Sprache statt dessen dafür ein, dem Leser kurz und prägnant die entscheidenden Denkanstöße zu geben, um die für das gesamte Finanzsystem von der EZB ausgehenden Gefahren zu verstehen.

Kerber befasst sich in seinem Buch mit der Frage, wie weit die Macht der EZB geht, mit den Kosten des Nullzinses (bzw. mit der Enteignung der Sparer), mit dem „Quantitative Easing“ als „Vorspiel zum finanziellen Harmagedon“, der Abschaffung der Marktwirttschaft durch die EZB, wie es mit der EZB weitergeht und der Frage, ob sich die Politik ohnmächtig in Richtung Kollaps weiterbewegen oder aber offensiv für die Abwicklung der EZB einsetzen solle.

Die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank von der Politik galt als einer ihrer Erfolgsfaktoren. Entsprechend wurden auch der EZB nach diesem Vorbild Kompetenzen verliehen, die ihr unabhängiges Agieren sichern sollen. Folgt man den Darstellungen von Kerber, drängt sich der Eindruck auf, dass die EZB heute ihre Unabhängigkeit nur dazu nutzt, demokratische Prozesse auszuhebeln und dafür zu sorgen, zugunsten von insolventen Schuldnerstaaten ohne demokratische Legitimation die Gläubigerstaaten auszuplündern.

Kerber gelingt es nicht nur, den Leser auf Fragen der Verfassungskonformität zu lenken, sondern auch konzise den Irrglauben zu widerlegen, mit niedrigen Zinsen könne man auf Dauer die Konjunktur ankurbeln. „Unterstellt man ein rationales Verhalten beim Individualanleger,“ so z.B. eines seiner Argumente, „so schränkt er sich infolge der Nullzinspolitik beim Konsum ein und legt mehr Geld auf die hohe Kante, um für schlechtere Zeiten vorzuorgen. Was dies für die von der Pariser Regierung beschworene Binnennachfrage bedeutet, liegt auf der Hand.“

Ob Kerber’s Appell, „Wehrt euch, Bürger!“ erhört wird, bleibt fraglich. In der Bundesrepublik Deutschland sinkt der Anteil der Bürger, die überhaupt noch an der politischen Meinungsbildung teilnehmen, nicht nur aus Desinteresse und Frustration, sondern auch, weil Millionen von Ausländer in Deutschland ohne aktives oder passives Wahlrecht leben. Der Zustrom zigtausender Flüchtlinge wird weiter den Anteil der Bevölkerung erhöhen, der von Bürokraten nur regiert wird, aber nicht mitregieren darf.

Auch sonst gehen von der demografischen Entwicklung keine Signale aus, die eine schnelle Umkehr erwarten ließen. Beispielsweise sind schon heute Menschen in der Minderheit, die überhaupt noch Lohn- und Einkommensteuer bezahlen und all das finanzieren müssen, was die Mehrheit beschließt. Der Anteil der Menschen im Staatsdienst, der Transferempfänger und Rentner unter den Bürgern wird immer größer – und diese machen sich über volkswirtschaftliche Zusammenhänge oft keine Gedanken mehr, sondern wählen einfach die Politiker, die ihnen höhere Renten und bessere Sozialleistungen versprechen.

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