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Regulierungsdampflok ungebremst

Von Dr. Oliver Everling | 14.September 2015

Dr. Hartmut Küppel vom Deutschen Derivate Verband zeigt die Konsequenzen einer mangelnden Wertpapierkultur in Deutschland auf: Die Ungleichverteilung des Vermögens nimmt zu, wennbreite Bevölkerungskreise sich gar nicht am Wertpapiersparen beteiligen. „Eigentlich müsste das gerade auch ein Thema für die Linke in Deutschland sein“, sagt Knüppel und beklagt, dass es im Deutschen Bundestag keine Vertreter mehr gibt, die sich aktiv für die Vermögensbildung einsetzen.

„Keine Anlageklasse ist so flexible wie Zertifikate“, argumentiert Knüppel, denn mit Zertifikaten könne jeder das seiner Risikoneigung entsprechende Wertpapier finden. Knüppel geißelt allerdings die Null-Risiko-Einstellung, die in Deutschland gepfflegt werde. Knüppel glaubt, mit der Einführung eines eigenen Schulfachs „Wirtschaft“ in vielen Missständen Abhilfe leisten zu können. Es genüge nicht, als Erwachsene Gedichte in vier Sprachen analysieren zu können.

„Haben wir in Deutschland eine Kultur des Scheiterns?“ Knüppel fragt, wie diejenigen in Deutschland behandelt werden, die mit Mut ein Unternehmen gegründet haben, aber dieses nicht zum Erfolg führen konnten. In Deutschland gehe es den meisten nur noch um Vermögenserhalt und nicht mehr um Verögesnaufbau. Knüpppel zeigt den politischen Handlungsbedarf auf, denn die eilig getroffenen Maßnahmen zum Anlegerschutz führen letztlich dazu, dass Anleger von sinnvollen Investitionen abgehalten werden. Die Politik orientiere sich heute am „homo demens“.

Knüppel vermisst den Respekt vor den Anlegern, insbesondere vor den Selbstentscheidern. „Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass mehr Information nicht unbedingt zu vernünftigeren Entscheidungen führen“, warnt Knüppel. Neue Medizin führe zu neuen Krankheitssymptomen. „Es muss einfacher und attraktiver werden, sich an Unternehmen zu beteiligen.“

Finanztransaktionssteuer und Abgeltungssteuer sind nur zwei Beispiele, mit denen auch in der Steuerpolitik die Wertpapierkultur in Deutschland beschädigt wird. Wertpapiere seien insbesondere auch für die Altersvorsorge wichtig. Die Förderung der Wertpapierkultur gehören auf die Tagesordnung der Politik. Ein eigenes Schulfach Wirtschaft und ein Umdenken bei der Regulierung hält Knüppel für unverzichtbar.

Sein Verband habe leider alle Hände voll zu tun, um unsinnige Gesetze abzuwehren. Die Regulierungsarbitrage werde darüber hinaus unterschätzt. Knüppel weist auf das Nord-Süd-Gefälle hin, das deutsche Banken zudem benachteiligt. Knüppel spricht die Europaabgeordneten an, die schon heute beklagen würden zu wenig zu tun zu haben. Die Aufsichtsbehörden würden heute Entscheidungen treffe, die kaum von den parlamentariern mitgetragen würden.

Die Selbstreguliierung der Branche könne die staatliche Regulierungsdampflok nicht aufhalten. Dass die Selbstregulierung aber auf dem richtigen Wege sei, zeige sich u.a. darin, dass sich die Regulierer an der Selbstregulierung orienttiere. Jede staatliche Regulierung koste Geld, das letztlich der Bankkunde bezahle.

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