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CoCo-Bonds können Finanzkrisen verschlimmern?

Von Dr. Oliver Everling | 20.November 2014

Um ihr Eigenkapital zu erhöhen, geben Banken vermehrt sogenannte CoCo-Bonds aus, seit kurzem auch in Deutschland. Diese Anleihen müssen die Gläubiger im Krisenfall zwangsweise in Eigenkapital der Bank umwandeln lassen. Bislang galten die Bonds deshalb als Mittel der Krisenprävention. Ökonomen der Technischen Universität München (TUM) und der Universität Bonn zeigen nun in einer Studie: Sind die Anleihen falsch konstruiert, verschärfen sie eine Krise statt das System zu stabilisieren – weil sie den Eigentümern der Bank Anreize geben, die Situation ihres Hauses selbst zu verschlechtern, damit die Gläubiger leer ausgehen.

Eine Lehre, die Politik und Finanzaufsicht aus der Finanzmarktkrise gezogen haben, lautet: Banken müssen mehr Eigenkapital vorhalten. Doch den Geldhäusern fällt es nicht leicht, ihr Kernkapital, also dauerhaft zur Verfügung stehendes Eigenkapital, zu erhöhen. Seit 2009 setzen europäische Banken deshalb vermehrt ein Instrument ein, mit dem sie in Notzeiten aus Fremdkapital Eigenkapital machen können: Contingent Convertible Bonds, kurz CoCo-Bonds. Dabei handelt es sich um Anleihen, die eine Bank zu einem festen Zinssatz ausgibt – so wie bei Unternehmensanleihen üblich. Das Besondere: Unterschreitet die Bank einen festgelegten Wert ihrer Kernkapitalquote, zumeist 7 Prozent, wird die Anleihe in Eigenkapital der Bank umgewandelt. Das heißt, die Gläubiger müssen ihre Anteile zwangsweise in Aktien der Bank umwandeln lassen oder auf ihre Ansprüche sogar ganz verzichten – noch ist dieser Fall allerdings nicht eingetreten.

Banken nutzen dieses Instrument, da es ihnen in der Regel leichter fällt, Anleihen erfolgreich auf den Markt zu bringen als Aktien, und dies zudem steuerliche Vorteile hat. Für Investoren sind CoCo-Bonds interessant, weil sie höhere Zinsen bieten als andere Unternehmensanleihen. Politiker und Aufseher begrüßen, dass bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten einer Bank auch deren Gläubiger zur Kapitalbildung herangezogen werden (ein sogenannter Bail-in) und nicht gleich die Steuerzahler. Verschiedene europäische Staaten und die Europäische Zentralbank haben CoCo-Bonds deshalb als Eigenmittel der Banken anerkannt.

Doch würden CoCo-Bonds in einer Krise tatsächlich zur Stabilisierung des Bankensystems beitragen? Die Ökonomen Prof. Christoph Kaserer von der TU München und Prof. Tobias Berg von der Universität Bonn haben in einer modelltheoretischen Untersuchung die Wirkung der „bedingt wandelbaren“ Anleihen analysiert. Dabei haben sie abweichend von Standard-Strukturmodellen die spezifischen Bedingungen, unter denen die Bonds gehandelt werden, einbezogen. Darüber hinaus haben sie empirisch die Vertragsgestaltung und Preisentwicklung bereits ausgegebener CoCo-Bonds untersucht.

Sie stellten fest, dass bei rund der Hälfte der CoCo-Bonds ein sogenannter „Write down“-Mechanismus festgeschrieben ist: Würde die festgelegte kritische Kernkapitalquote unterschritten, würde die Anleihe nicht in Aktien umgewandelt, sondern die Gläubiger verlören ihre Ansprüche. In den meisten anderen Fällen würden die Bonds zu einem für die Gläubiger ungünstigen Verhältnis umgewandelt: Die Anleger würden zwar Aktien erhalten, deren Gesamtwert aber niedriger läge als der Gesamtwert ihrer Anleihen. „So müsste zuerst eine ganz bestimmte Gläubigergruppe bluten“, sagt Prof. Christoph Kaserer vom Lehrstuhl für Finanzmanagement und Kapitalmärkte der TUM. „Wir nennen diese CoCo-Bonds ,Convert to steal’“.

Tobias Berg, Christoph Kaserer, Does Contingent Capital Induce Excessive Risk-Taking?, Journal of Financial Intermediation, 2014 (accepted), doi: 10.1016/j.jfi.2014.11.002, Working Paper: http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1709341.

Themen: Anleiherating, Bankenrating | Kein Kommentar »

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