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Die Sahm-Regel als Frühwarnsystem für Rezessionen und ihre Bedeutung im Credit Rating
Von Dr. Oliver Everling | 25.August 2025
Die sogenannte Sahm-Regel hat in den vergangenen Jahren sowohl in der wirtschaftspolitischen Debatte als auch in der Praxis der Finanzmärkte an Bedeutung gewonnen. Sie basiert auf einem einfachen, aber sehr wirksamen Indikator: Sobald der gleitende Dreimonatsdurchschnitt der Arbeitslosenquote um 0,5 Prozentpunkte oder mehr über dem niedrigsten Wert der letzten zwölf Monate liegt, signalisiert die Regel mit hoher Wahrscheinlichkeit den Beginn einer Rezession. Dieser empirisch belegte Zusammenhang wurde von der US-Ökonomin Claudia Sahm formuliert, um Politikern und Notenbanken ein rasches, leicht überprüfbares Instrument an die Hand zu geben. In den USA, wo die Datenqualität hoch und die Veröffentlichung zeitnah ist, entfaltet die Regel ihre größte Aussagekraft. Doch auch in Europa und insbesondere im Kontext von Bonitätsanalysen lässt sich die Regel sinnvoll anwenden.
Prof. Dr. Jan Viebig, Chief Investment Officer der ODDO BHF SE, weist in seiner aktuellen Markteinschätzung darauf hin, dass „Schwächezeichen am US-Arbeitsmarkt eine Verschlechterung der gesamtwirtschaftlichen Lage andeuten könnten“. Dass Präsident Trump nach den schwachen Arbeitsmarktdaten für Juli die Leiterin des Bureau of Labor Statistics entlassen hat, mag politisch motiviert gewesen sein, doch ökonomisch entscheidend ist die Substanz der Zahlen: Ein nur schwaches Beschäftigungswachstum, steigende Jugendarbeitslosigkeit und eine insgesamt abnehmende Dynamik signalisieren ein erhöhtes Risiko. Noch ist die Schwelle der Sahm-Regel nicht erreicht, da der jüngste Anstieg der Arbeitslosenquote von 4,1 auf 4,2 Prozent zu gering ist, um Alarm auszulösen. Doch die Tendenz ist entscheidend, und sie mahnt zu Wachsamkeit.
Für das Credit Rating spielt die Sahm-Regel eine doppelte Rolle. Zum einen kann sie in der makroökonomischen Analyse eingesetzt werden, um die konjunkturelle Ausgangslage zu bestimmen. Bonitätsprüfer von Staaten, aber auch von Unternehmen, die stark konjunkturabhängig sind, profitieren von einem Frühindikator, der Rezessionen historisch zuverlässig markiert hat. Je höher die Wahrscheinlichkeit einer Rezession, desto eher steigt auch das Ausfallrisiko – sei es bei Staatsschulden, Unternehmensanleihen oder Kreditportfolios. Zum anderen kann die Sahm-Regel helfen, politische Risiken in das Rating einzubeziehen: Reagieren Regierungen auf eine Verschlechterung am Arbeitsmarkt mit erratischer oder populistischer Politik, wie es Trumps harter Kurs bei Zöllen und Migration zeigt, verstärkt dies die Unsicherheit und verschlechtert mittelbar die Kreditqualität.
Das Besondere an der Sahm-Regel ist ihre Einfachheit, die in der komplexen Welt der Bonitätsanalyse von Vorteil ist. Ratingagenturen stützen ihre Urteile zwar auf breite Datenmodelle, doch einzelne klare Signale wie die Arbeitsmarktregel können den Ausschlag geben, wenn es um die Interpretation von Trendbrüchen geht. Sie wirken als Trigger, der eine Neubewertung erzwingt, während schwankende Einzelindikatoren oft übersehen werden. Für Investoren, die sich an Ratings orientieren, bietet die Regel somit eine wertvolle Ergänzung, um rechtzeitig auf erhöhte Risiken reagieren zu können.
So zeigt sich: Auch wenn die Sahm-Regel ursprünglich aus der US-Wirtschaftspolitik kommt, hat sie längst Relevanz für die internationale Kapitalmarktanalyse und das Credit Rating gewonnen. Sie übersetzt die sensible Rolle des Arbeitsmarkts in ein klares Frühwarnsystem. Angesichts der aktuellen Abschwächung in den USA und der damit verbundenen politischen Unsicherheiten könnte sich ihr Einsatz schon bald erneut als unverzichtbar erweisen.
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