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Europäische Hauspreise erreichen ihren Höhepunkt?

Von Dr. Oliver Everling | 20.Januar 2022

„Die europäischen Immobilienpreise haben während der Pandemie möglicherweise ihren Höhepunkt erreicht“, glaubt Mathias Pleissner, Director, Covered Bonds der Berliner Ratingagentur „Scope Ratings“. Das Wachstum der rollierenden 12-Monats-Preise berechnet der Analyst mit 10,6 % bis zum 3. Quartal 2021. Das könnte der Endspurt gewesen sein. „Das letzte Mal, dass die Preise zweistellig gestiegen sind, war 2017, ein Jahr bevor sie um 15 % einbrachen.“

Die Immobilienpreise wurden weiterhin durch extrem niedrige Zinssätze, fehlende Anlagemöglichkeiten, historisch hohe Haushaltsersparnisse und den Wunsch der Verbraucher nach einem Umzug in geräumigere Wohnungen angeheizt, der durch staatliche Ausnahmeregelungen für die Arbeit von zu Hause aus gefördert wurde, stellt die Ratingagentur fest.

Die europäischen Immobilienpreise sind ein heißes Thema, seit sie sich im Zuge der Finanzkrise zu erholen begannen. „In einigen Ländern wurden bereits 2010 Blasenrisiken identifiziert,“ so Mathias Pleissner, „aber der sich abzeichnende Konsens war, dass die primären Indikatoren wie die Haushaltsverschuldung und das Verhältnis von Schulden zu Einkommen nicht darauf hinwiesen, dass der Wohnungsbau in den Blasenbereich eingetreten war.“

Tatsächlich sei das derzeitige Wachstum der Haushaltsverschuldung um 4 % weit entfernt von den jährlichen Wachstumsraten von 8 % bis 9 %, die in den Jahren 2004-2008 verzeichnet wurden. „Aber der Trend ist seit 2014 steigend. Starke Volkswirtschaften wie Frankreich, Deutschland, Österreich und Belgien haben alle vor und während der Pandemie ein Schuldenwachstum von weit über 5 % verzeichnet. Das Argument der Verschuldung gegenüber dem Einkommen scheint an Boden zu gewinnen,“ sieht Mathis Pleissner, „was der starke Anstieg im Jahr 2020 zeigt. Einige führen den Anstieg jedoch auf die kurzfristige Arbeitslosigkeit zurück. Bis Ende 2020 war die Arbeitslosigkeit jedoch fast wieder auf das Vorpandemieniveau zurückgekehrt.“

Statt dass die Inflation die Hauspreise mit nach oben treibt, könnte sie umgekehrt die Hauspreise belasten, auchh wenn angesichts der Zinszurückhaltung der Europäischen Zentralbank schuldenfinanzierte Hauskäufe jedoch weiterhin attraktiv sein werden, da es nur wenige echte Anlagealternativen gibt.

Bei Scope Ratings sieht man weiterhin stagnierende Zinsen voraus: „Politiker sowie europäische und nationale Regulierungsbehörden sitzen in der Falle. Mittelfristig ist das offensichtlichste Instrument zur Inflationsbekämpfung – Zinserhöhungen – für Länder im Euroraum (und solche mit einer Währungsbindung) nicht praktikabel. Die Zinsen bleiben im Jahr 2022 weitgehend unberührt.“

Die Fiskalpolitik könnte den Immobilienboom abschwächen. „Eine höhere Besteuerung könnte zur Bekämpfung der Inflation beitragen,“ meint Mathias Pleissner, „wird jedoch allgemein verurteilt, insbesondere angesichts der Pandemie. Politiker könnten außerdem beschließen, öffentliche Investitionen in die Infrastruktur einzustellen, solange die Inflation hoch ist. Aber das klingt nicht nach einer nachhaltigen oder populären Aktion, unter anderem weil öffentliche Investitionen Arbeitsplätze schaffen.“

Schließlich können die nationalen Aufsichtsbehörden makroprudenzielle Maßnahmen verstärken oder wieder einführen. Deutschland hatte solche Maßnahmen nur langsam aktiviert. In ihrer ersten Maßnahme im Jahr 2022 forderte die Bundesanstalf für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Banken auf, Puffer aufzubauen, da sich der Immobilienmarkt erhitzt.

Mathias Pleissner spricht von der Absicht der BaFin, den antizyklischen Puffer ab Februar 2023 von 0 % auf 0,75 % zu erhöhen und einen zusätzlichen Puffer von 2 % für Wohnungsbauhypotheken einzuführen: „Wir erwarten, dass dies keine Wende bringt, sondern einen ersten Schritt, um deutsche Hypotheken unattraktiver zu machen, solange die EZB an ihrer Ultra-Niedrigzinspolitik festhält. Andere nationale Regulierungsbehörden werden wahrscheinlich folgen.“

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