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EZB-Milliarden landen nicht auf Kundenkonten

Von Dr. Oliver Everling | 1.Juni 2016

„Die Milliarden der EZB kommen kaum in der Realwirtschaft an“, leitet Dr. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, seinen Vortrag beim NPL Forum des Frankfurt School Verlags ein. Er glaubt, dass durch die EZB-Politik statt der Realwirtschaft die Vermögenspreise profitieren und die EZB weiterhin Geld locker halten wird. Außerdem würde ein Brexit die Währungsunion schwächen.

Die EZB schaffe nur Zentralbankgeld, aber eben kein Guthaben auf den Bankkonten von Kunden. Krämer skizziert den Transmissionsprozess. „Der Riemen überträgt die Kraft nicht“, illustriert Krämer die Situation. Faule Kredite und hohe Verschuldung seien dafür Ursachen. Die EZB-Milliarden implizieren eine fehlende Lenkungsfunktion des Zinses, Immobilienblasen, auftürmenden Reformstau, ausurfernde Altersvorsorge-Probleme und eine nicht enden wollende Interventionsspirale.

Krämer glaubt nicht an die Liberalisierung des Arbeitsmarktes in Italien, gibt Krämer ein Beispiel für die mangelnden Verbesserungen in der Realwirtschaft. Die Verbesserungen in Italien würden sich derzeit noch auf die rein politische Ebene begrenzen. Die Negativzinspolitik habe aber beträchtliche negative Wirkungen für die Realwirtschaft.

Die Fünf-Jahres-Inflationserwartungen, beginnend in jeweils fünf Jahren, liegen weit unter 2 %. Der Marktwert wird ermittelt aus Inflationsswaps sowie einem Modellwert basierend auf Kerninflation, Ölpreis und Risikoaversion, erläutert Krämer. Bis Mitte 2014 lagen Inflationserwartungen noch auf einer Linie mit den Realdaten. Als Draghi seine berühmte Rede gehalten habe, hätten die Märkte mit höheren Inflationserwartungen reagieren müssen, um die von Draghi gewünschten Effekte seiner Politik zu unterstützen. Tatsächlich hätten die Märkte aber erkannt, dass Quantitative Easing nicht ohne weiteres zur Inflation führen werde.

„Im Zweifel wird die EZB noch einmal lockern“, sagt Krämer. Einlagesatz von -0,3% auf -0,4% gesenkt, Kauf von Unternehmensanleihen und Erhöhung des monatlichen Kaufvolumens von 60 auf 80 Mrd. Euro und TLTRO 2.0 sind bereits Elemente der erhöhten Dosis.

In Sachen Brexit sieht Krämer – gestützt auf verschiedene Umfragen – einen knappen, aber wachsenden Vorsprung für einen EU-Verbleib. Der Brexit wäre ein Sargnagel für eine tiefere politische Integration: Die Ursachen der Staatsschuldenkrise seien noch nicht gelöst. Notwenig sei mehr europäische Integration, der Brexit gäbe EU-Gegnern im Euroraum Auftrieb. Die EZB bliebe dann leider als „Ausputzer“ eingespannt. Krämers Fazit: „Das Umfeld bleibt für Banken aus makroökonomischer Sicht schwer.“

Themen: Bankenrating | Kein Kommentar »

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