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Mehr Insolvenzen in Paris

Von Dr. Oliver Everling | 1.Juni 2016

Ungeachtet der aktuellen Streiks sieht der Kreditversicherer Coface die französische Wirtschaft in einem leichten Aufschwung. Einige Indikatoren im 1. Quartal stimmen optimistisch: Wachstum, Konsumausgaben, Investitionen. Auch bei den Insolvenzen gibt es eine deutliche Verbesserung: Sie gingen zuletzt um über vier Prozent zurück, für 2016 rechnet Coface mit einem Minus um 3,2 Prozent. Davon ausgenommen ist die Textil- und Bekleidungsbranche sowie regional betrachtet der Großraum Paris. Neben strukturellen Problemen bleibt eine Schwäche: Die Exporte sinken, hauptsächlich wegen der gebremsten Dynamik in den Emerging Markets und schwacher Wettbewerbsfähigkeit der französischen Unternehmen. Bei der Risikobetrachtung der Branchen hat sich allerdings die Hälfte in der Coface-Bewertung verbessert.

Zwischen Januar und April 2016 haben sich einige Wirtschaftsindikatoren verbessert. Das Wachstum hält, wenn auch auf niedrigem Niveau, an. Im ersten Quartal 2016 standen gegenüber dem Vorjahreszeitraum plus 0,6 Prozent zu Buche, primär aufgrund der Inlandsnachfrage. Die Ausgaben der privaten Haushalte erreichten mit plus 1,2 Prozent einen Höchstwert seit 2004. Und auch die Investitionen übertrafen die Erwartungen: Zum ersten Mal seit 2012 tragen die Unternehmensinvestitionen wieder zum Wachstum bei. Coface erwartet für Frankreich ein Wachstum von 1,6 Prozent in diesem und 1,3 Prozent im nächsten Jahr.

Lediglich der Außenhandel trübt das Bild. Während die Importe im ersten Quartal 2016 um 0,5 Prozent zulegten, gingen die Ausfuhren um 0,2 Prozent zurück. Hier wirkt sich vor allem das gebremste Wachstum in den Emerging Markets aus. Allerdings tragen auch strukturelle Probleme zur Schwäche Frankreichs auf den globalen Exportmärkten bei. Seit 2011 gingen die Ausfuhren um 3,5 Prozent zurück. Frankreich hat nur ein Drittel so viel exportierende Unternehmen wie Deutschland – bei einer insgesamt etwa gleich großen Gesamtzahl an Firmen. Von zehn Unternehmen, die in den Export einsteigen, sind nach einem Jahr nur noch drei aktiv, nach drei Jahren nur noch eins.

Die wirtschaftliche Erholung zeigt sich deutlich in den Insolvenzzahlen und einer verbesserten Risikolage der Branchen. Nach Berechnungen von Coface dürften die Insolvenzen in diesem Jahr um 3,2 Prozent zurückgehen. Ende April betrug die Gesamtzahl in der Zwölf-Monatsbetrachtung 58.846, das waren 4,3 Prozent weniger als im Vergleichszeitraum. Die daraus resultierenden Insolvenzkosten beliefen sich auf 3,35 Milliarden Euro, 8,6 Prozent weniger. Die Zahl der betroffenen Arbeitsplätze war um 2,4 Prozent geringer. Zuversichtlich stimmt zudem, dass die Verbesserung alle Firmengrößen betrifft und der Rückgang bei großen Unternehmen mit 21,5 Prozent besonders ausgeprägt ist. Auch der durchschnittliche Umsatz, der durch Insolvenzen wegfiel (591.800 Euro), sank auf Vorkrisenniveau.

Nur in Zentralfrankreich und im Großraum Paris (Ile-de-France) stiegen die Insolvenzzahlen um 2,9 und 3 Prozent. Dabei ist der Anstieg in Ile-de-France nur bedingt auf die Terroranschläge im November 2015 zurückzuführen, denn die Zahl stieg schon zuvor an, und die Insolvenzen betreffen alle Branchen, nicht nur den Tourismus mit Hotels und Restaurants. 21 Prozent aller Insolvenzen in Frankreich entfallen auf den Großraum Paris.

Sechs von zwölf Branchen, die Coface regelmäßig untersucht, bewertet der Kreditversicherer nun besser. Dank der anhaltenden Konsumfreude ist der Einzelhandel die erste Branche in Frankreich, die in „niedriges Risiko” eingestuft wird. Automobil, Pharma, Chemie und Transport wurden in “mittleres Risiko” aufgewertet. Auch der Bau erholt sich und wurde von “sehr hohes Risiko” in „hohes Risiko“ heraufgestuft. Allerdings wird eine Branche jetzt schlechter bewertet: Textil-Bekleidung ist nun in „hohes Risiko“ eingestuft.

In einem neuen Panorama betrachtet Coface detailliert den Transportsektor. Obwohl die Branche insgesamt in “mittleres Risiko” heraufgestuft wurde, sind die mittelfristigen Aussichten für den Straßentransport eher unsicher. Da sich der Sektor primär aus kleineren und anfälligeren Unternehmen zusammensetzt, hängt die Insolvenzrate unter anderem stark von gesetzlichen Eingriffen bei Löhnen und der Ölpreisentwicklung ab. Zwar gehen die Insolvenzzahlen derzeit zurück. Die Gründung vieler neuer Unternehmen zu Jahresbeginn lässt aber ein Wiederansteigen mit einem Höhepunkt 2019 befürchten.

Themen: Debitorenrating, Mittelstandsrating, Unternehmensrating | Kein Kommentar »

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