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Kleine Personalie, großer Aufruhr

Von Dr. Oliver Everling | 26.März 2021

Am 19. März ersetzte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan den Gouverneur der Zentralbank, Naci Agbal, zwei Tage nachdem die Zentralbank ihren Leitzins um 200 Basispunkte auf 19% angehoben hatte, und ernannte Sahap Kavcioglu zum Nachfolger von Agbal. Sahap Kavcioglu hatte zuvor erklärt, dass Zinserhöhungen zur Inflation beitragen würden.

Zinserhöhungen der Zentralbank werden gewöhnlich als ein geldpolitisches Instrument zur Bekämpfung von Inflation gesehen, nicht umgekehrt, wie es der von Präsident Recep Tayyip Erdogan nun eingesetzte neue Gouverneur der Zentralbank behauptet.

„Agbal unmittelbar nach einer Zinserhöhung und nach nur vier Monaten an seinem Arbeitsplatz zu ersetzen – der vierte Gouverneurwechsel in weniger als zwei Jahren – ist für die Finanzierung türkischer Banken kreditnegativ“, kommentiert dazu Moody’s. Der Schritt schade dem Vertrauen der Anleger und schränke den Zugang der Banken zu Marktfinanzierungen ein. Am 22. März 2021 fiel die türkische Lira von 7,22 TYR am 19. März stark auf rund 7,80 TYR pro US-Dollar, und die Istanbuler Börse fiel um etwa 10%.

Die Zinserhöhung um 200 Basispunkte, die zu Agbals plötzlichem Ersatz führte, war eine von mehreren positiven geldpolitischen Entwicklungen seit seiner Ernennung zum Zentralbankchef im November 2020, als er die Aufgabe hatte, die Inflation von 15,6% zu bekämpfen, die Glaubwürdigkeit der Zentralbank wiederherzustellen und das ausufernde Kreditwachstum im letzten Jahr von 35% zu mäßigen.

Vor Agbals Amtszeit bei der Zentralbank führten nach Feststellung von Moody’s eine übermäßig lockere Geldpolitik und ein aggressives Kreditwachstum im Einklang mit der Präsidentschaftspolitik dazu, dass die Lira auf Rekordtiefs abwertete und den Marktzugang für türkische Banken einschränkte.

Umgekehrt stärkte die geldpolitische Straffung um 875 Basispunkte seit November 2020 die Lira um rund 18%. Dies verhalf den Banken zu Beginn dieses Jahres zu einem mittelfristigen und nachrangigen Marktzugang, der seit Beginn der Coronavirus-Pandemie im vergangenen Jahr nicht mehr verfügbar war.

„Ohne die Glaubwürdigkeit der Zentralbank dürfte der Marktzugang wieder teurer und auf kurzfristige Syndizierungen beschränkt sein. Eine schwächelnde Währung und eine hohe Inflation werden das Vertrauen der inländischen Einleger weiter untergraben“, schreiben die Analysten von Moody’s.

Die bereits hohe Dollarisierung der Einlagen (in US-Dollar gehaltenen Einlagen) von 54% der gesamten Einlagen seit Februar 2021 wird weiter zunehmen, sieht Moody’s voraus. Letztendlich werde die Lira-Abwertung die Zuflüsse aus Portfolios und in Investitionen dämpfen und das Risiko-Szenario für Kapitalkontrollen erhöhen, die sich aus der Regierungspolitik ergeben. Diese Risiken sieht Moody’s durch die Tatsache etwas gemindert, dass türkische Banken über eine ausreichende Fremdwährungsliquidität verfügen und seit der Währungskrise 2018 im Allgemeinen weniger auf Marktfinanzierung angewiesen sind, wie aus der Verbesserung des Kredit-Einlagen-Verhältnisses des Bankensystems auf 108% im Jahr 2020 hervorgehe.

Die türkischen Banken sind jedoch nach wie vor auf Marktfinanzierung angewiesen, warnt Moody’s. Die Marktfinanzierung der großen Banken lag im Dezember 2020 zwischen 15 und 32% des Sachvermögens und ist daher einem Schock des Anlegervertrauens ausgesetzt.

Themen: Bankenrating | Kein Kommentar »

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