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Krise in der Wirtschaft: Diese Folgen hat der Fachkräftemangel

Von Pelin Canpolat | 24.November 2021

Die weltweite Wirtschaft befindet sich in der Krise und zahlreiche Unternehmen haben Sorgen. Während es im Juli 2021 für die Glücksspielbranche bergauf ging und mit dem Glücksspielstaatsvertrag Blackjack online nun auch legal möglich ist, bangen viele Firmen aus anderen Bereichen um ihre Zukunft. Vor allem der Fachkräftemangel ist es, der Deutschland, aber auch Nachbarland Österreich bedroht und in die Enge treibt. War es vor vielen Jahren noch der Mangel an Stellen, ist es heute der Mangel an qualifiziertem Personal, zur Besetzung freier Positionen in Unternehmen. 

Was versteht die Wirtschaft unter einem Fachkräftemangel? Der Fachkräftemangel bezeichnet einen Zustand, bei dem Arbeitsplätze frei sind, aber nicht besetzt werden können. Der Grund für die fehlende Besetzung ist, dass es nicht genug freie Bewerber auf die Stellen gibt, deren Qualifikation ausreicht. Sehr stark macht sich dieser Umstand derzeit in der Pflegebranche auf den Intensivstationen des Landes Deutschland, aber auch Österreichs, bemerkbar. Zahlreiche Pflegekräfte sind in den letzten Jahren aus dem Beruf ausgeschieden, auch durch schlechte Arbeits- und Zahlungsbedingungen. Diese Abgänge lassen sich durch neues, qualifiziertes Personal nicht mehr ausgleichen und so kommt es zu einem Mangel. 

Doch jenseits der Pflegebranche gibt es die Problematik auch in vielen weiteren Branchen. Die Generation Z, die rund um die Jahrtausendwende geboren wurde, strebt heute mehrheitlich einen akademischen Grad an. Immer mehr Schulabgänger setzen auf den Besuch der Universität, die Nachfrage nach Ausbildungen nimmt ab. Allerdings gibt es auch parallel zur Nachfrage immer weniger Betriebe, die auf Zukunft und Fortbildung setzen und Ausbildungen für neue Generationen anbieten. 

Die Zeiten haben sich stark verändert. Junge Menschen haben Ziele und die gehen über das reine Geldverdienen hinaus. Karriere, Entwicklung, Weiterbildung – wenn Ausbildungsbetriebe nicht in der Lage sind, die Ansprüche der neuen Generationen zu bedienen, wird das Interesse weiter schwinden und wichtige Berufsbilder können nicht mehr oder nur noch teilweise abgedeckt werden. Die Auswirkungen sind vor allem ökonomischer Natur. 

Schwächung des Wirtschaftswachstums: Nicht nur eine drohende Inflation ist ein Problem, dem sich die deutsche Wirtschaft gegenübersieht, sondern auch die generelle Schwächung des Wirtschaftswachstums. Aus ökonomischen Gesichtspunkten ist es vor allem der Fachkräftemangel, der dafür verantwortlich gemacht werden kann. Die Gesellschaft lebt von permanenter Weiterentwicklung und von gemeinsamem Fortschritt. Wie aber ist diese Weiterentwicklung und der Fortschritt umsetzbar, wenn wichtige Funktionen innerhalb der Gesellschaft nicht mehr mit Arbeitskräften besetzt werden können?

Akademiker spielen für die Gesellschaft natürlich eine entscheidende Rolle. Rechtsanwälte, Ärzte, Ingenieure, Statistiker – all diese Berufsgruppen werden gebraucht. Doch wenn immer mehr junge Menschen studieren, immer mehr Akademiker auf Berufssuche gehen, werden andere Branchen immer weiter in den Hintergrund gerückt, ohne die das Zusammenleben in einer Gesellschaft ebenfalls nicht funktioniert! 

Allerdings ist die Überakademisierung nur ein Gesichtspunkt, der für den Fachkräftemangel verantwortlich gemacht werden kann. Zu verzeichnen ist auch der Trend, dass immer mehr Menschen im Rentenalter aus dem Berufsleben ausscheiden, die Zahl der Nachkommen aber deutlich geringer ausfällt. 

Der demografische Wandel als Auslöser des Fachkräftemangels: Deutschland ist, neben Österreich, eines der am stärksten vom demografischen Wandeln betroffenen Länder. Seit vielen Jahren zeichnet sich eine niedrige Geburtenrate ab, was zu einem elementaren Nachwuchsproblem führt. Dieses wiederum verschärft den im Mittelstand besonders spürbaren Fachkräftemangel. Negative Prognosen ergeben sich vor allem im Hinblick auf die Zeit nach 2030. In den 1960-er Jahren wurden mehrere geburtenreiche Jahrgänge verzeichnet, ab 2030 werden all diese Fachkräfte in Rente gehen. 

Bereits in den letzten Jahren waren es vermehrt europäische Fachkräfte, die in Deutschland den Fachkräftebedarf abgedeckt haben. Zahlreiche Erwerbsmigranten aus den EU-Staaten konnten Ausfälle decken, die von der deutschen Bevölkerung nicht mehr ausreichend aufgefangen werden konnten. Allerdings zeigt sich auch hier, dass der Zuwanderungsanteil zwar immer noch hoch ist, aber kontinuierlich sinkt. Zwischen den Jahren 2015 und 2019 verzeichnete die Nettozuwanderung in Deutschland einen Rückgang um 58 Prozent! 

Betroffene Berufe durch Fachkräftemangel: Während es insbesondere im Bereich akademischer Berufe teilweise ein Überangebot an Bewerbern gibt, müssen andere Branchen immer aufwändiger um Mitarbeiter werben. Ein Faktor, der die Kosten der Unternehmen drastisch steigert. Gehaltsansprüche potenzieller Mitarbeiter fallen horrend aus, für viele Mittelständler kaum zu finanzieren. Besonders betroffen ist vorwiegend der technische Bereich der Produktion, wo rund 50 Prozent aller Stellen in Deutschland bereits heute unbesetzt sind. 

Auch die Bereiche Marketing, Kundendienst und Vertrieb sind weit weniger gefragt als noch vor 30 Jahren. Vertriebler der alten Schule, die heute kurz vorm Rentenalter stehen, bekommen aufgrund mangelnder Nachfrage keine Gelegenheit mehr, ihre Berufsgeheimnisse an eine neue Generation weiterzugeben. Etwas geringer betroffen sind Leitungspositionen im technischen Bereich, doch auch hier sinkt die Nachfrage Jahr für Jahr. 

Die IT- und EDV-Branche galt viele Jahre als gesichert, in den letzten Jahren hat sich aber auch in diesem Bereich ein Rückgang feststellen lassen. Junge Menschen, die im IT-Bereich tätig werden möchten, studieren BWL und entsprechende andere Fachlehrgänge. Ausbildungen sind weit weniger gefragt, was nicht zuletzt auch an einer langen Ausbildungszeit liegen kann. 

Behebung auch ein politischer Akt: Um dem Fachkräftemangel entgegenzusteuern, müssen Unternehmen und Politik Hand in Hand arbeiten. Die Ausbildung muss für junge Menschen wieder mehr Attraktivität gewinnen. Heute ist es für Schulabgänger kaum noch realisierbar, für mindestens drei Jahre ohne nennenswertes Einkommen zu leben, denn die Selbstständigkeit junger Menschen, mit eigener Haushaltsführung, hat sich beschleunigt. Bund und Länder sind hier in der Pflicht, den Nachwuchskräften eine sichere und finanziell rentable Ausbildungszeit zu ermöglichen. Auszubildende dürfen keineswegs schlechter gestellt werden als Studenten, das Zugangsangebot sollte so niederschwellig wie möglich gehalten werden. 

Für Unternehmen selbst ist es die Positionierung als attraktiver Arbeitgeber, die einem akuten Mangel an Fachkräften entgegensteuern kann. Während Großunternehmer allein durch ihren Bekanntheitsgrad gute Chancen auf Nachwuchs haben, sind es Mittelständler, die um qualifizierte Bewerber kämpfen müssen. Der Aufbau einer starken Arbeitgebermarke ist der Grundstein, um für potenzielle Bewerber attraktiv zu wirken. 

Dieser Vorgang wird marketingtechnisch als Employer Branding bezeichnet. Niedrige Hierarchien, eine intensive Mitarbeiterbindung und Förderung des Mitarbeiterstamms sind notwendig, um für Fachkräfte attraktiv und lohnend zu erscheinen. Entscheidend ist außerdem die Gestaltung flexibler Arbeitszeitmodelle, die eine optimierte Work-Life-Balance und den Spagat zwischen Familie und Beruf ermöglichen. Die Bereitschaft, auf Mitarbeiter zuzugehen und deren Tätigkeit tatsächlich wertschätzend zu entlohnen, kann auf lange Hinsicht auch für einen guten Namen als Arbeitgeber sorgen.

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