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Lebenslang

Von Dr. Oliver Everling | 30.März 2018

„Lebenslang“ lautet die Haftstrafe für Kapitalverbrechen. Die abschreckende Wirkung scheint bei vielen Menschen jedoch nicht groß genug zu sein. Zu sprechen ist nicht nur von Kriminellen, sondern auch von vielen Menschen, die ein Leben lang ziellos bleiben oder sich von falschen Zielen gefangen nehmen lassen. Begeben sich Menschen freiwillig in lebenslange Haft, eine Haft dauernder Unzufriedenheit?

Im Tilman Riemenschneider Verlag erscheint ein Buch mit dem originellen Titel „Lebenslang …einfach glücklich sein!“ Als Autoren finden sich mit Michael Mey und Frank Koschnitzke zwei positiv denkende Menschen zusammen.

Dem ersten Anschein nach handelt es sich lediglich um ein Buch, in dem zwei Autoren im Lebensalter von über 50 Jahren ihre Lebensweisheiten und Erfahrungen zu Papier bringen – keine schlechte Idee, denn auch Napoleon Hill schloss sein seit 1937 über 70 Millionen Mal verkauftes Buch „Denke nach und werde reich“, in dem es im Kern um das Setzen von Zielen geht, im Alter von 54 Jahren ab.

Bei genauerer Betrachtung aber zeigt sich, das hier dem Leser nicht altklug Binsenweisheiten präsentiert werden. Die Autoren haben vielmehr erkannt, dass vielen Menschen der rote Faden im Leben verloren gegangen ist. Im Zeitalter der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien wird dieser rote Faden unter der Fülle der medialen Eindrücke nicht nur verschüttet, sondern auch durch disruptiven wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sozialen Wandel zerrissen.

Es ist das erste Buch von Michael May, der als Experte der Finanzwirtschaft bisher in der Literatur nur durch Fachbeiträge z.B. im Bank-Verlag bekannt wurde. Wie kaum andere Branchen sind derzeit Banken und Versicherungen von disruptiven Veränderungen bedroht, da sie einerseits seit der Finanzkrise durch eine überbordende Regulierung in Ketten gelegt werden, andererseits mit der Globalisierung und Digitalisierung der Schnittstelle zum Kunden einer völlig neuen Schärfe des Wettbewerbs ausgesetzt sind. Viele Finanzleute stellen sich daher existenzielle Fragen. Michael May zeigt mit der Wahl seines Buchtitels ein Gespür dafür, worauf es jetzt ankommt.

Mit Witz und Karikaturen erschüttern die Autoren das Weltbild auch jener Kreaturen, die in der heutigen Zeit nur Fehlentwicklungen und Bedrohungen zu sehen glauben. So erinnern sie daran, welchen elementaren Ängsten unsere Vorfahren ausgesetzt waren, und sie werfen immer wieder einen Blick in die Zukunft, wie unsere Welt von morgen mit neuen Berufen wie zum Beispiel digitalen Entgiftern, digitalen Bestattern, Privatheitsberatern, Webinatoren, Selbstorganisationsberatern, urbanen Gärtnern und Drohnenpiloten aussehen könnte.

„Wie töricht ist es, Pläne für das ganze Leben zu machen, da wir doch nicht einmal Herren des morgigen Tages sind“, so das angebliche Zitat des römischen Philosophen Seneca vor rund 2000 Jahren. Die heutigen Herausforderungen des Lebens scheinen den Autoren daher nicht völlig neu zu sein.

Den Autoren geht es nicht darum, ein bestimmtes Zukunftsszenario zu entwerfen oder den Leser von bestimmten Dogmen zu überzeugen. Anders als andere Bücher desselben Genres merkt man diesem Buch an, dass es nicht lediglich als Baustein einer Coachingkarriere geschrieben wurde, sondern im ehrlichen und unprätentiösen Bemühen entstanden ist, die besten Ideen fürs Leben zusammenzuschreiben. Es geht den Autoren nicht um ein wissenschaftliches Werk, sondern um Anleitung zur Selbstreflexion.

Dementsprechend werden viele Fragen aufgeworfen, die sich der Leser nur selbst beantworten kann. In der Art der seit der Antike bekannten sokratischen Methode erfährt der Leser so mehr über sich selbst. Das Buch ist ein „Mut-mach-Buch“, wie es die Autoren selber getauft haben, frei von religiösen, politischen oder sachfremden kommerziellen Absichten.

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