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Nachhaltige Finanzentscheidungen durch realistische Risikowahrnehmung

Von Dr. Oliver Everling | 4.April 2014

Risiko spielt bei Finanzentscheidungen eine wichtige Rolle. Die meisten Menschen scheuen das Risiko und versuchen es so gut wie möglich auszuschalten. „Geht das überhaupt? Es lohnt sich einmal, den Begriff genauer unter die Lupe zu nehmen“, sagt die Finanzpsychologin Monika Müller von FCM Finanz Coaching aus Wiesbaden. „Risiko ist ein Wort, das wir einfach so täglich in der Umgangssprache gebrauchen. Aber es stellt sich als schillerndes Chamäleon dar. Wenn Menschen zusammen eine Entscheidung treffen, haben sie nicht nur eine unterschiedliche Risikobereitschaft, sondern meist auch ganz unterschiedliche Definitionen von Risiko.“ Für die einen sei Risiko einfach Schicksal. Es trete ein und man könne nichts dagegen machen. „Ergo man bleibt passiv. Für andere ist es ein Wagnis,“ so Müller, „das man eingeht. Man kann versuchen es zu begrenzen, zu managen, zu umschiffen. Wer so handelt wird aktiv, nimmt das Ruder in die Hand.“

Gibt es das richtige Verhalten beim Risiko? „Menschen haben ihre blinden Flecken. Die Kunst ist es zu erkennen,“ skizziert Müller, „wann es sich lohnt, passiv zu sein und wann es notwendig ist, eine Entscheidung aktiv zu treffen um den nötigen Einfluss zu nehmen. Wenn es gelingt, bewusst mit Risiko umzugehen, kann man herausfinden, wann welches Verhalten passend ist.“

Auch die Zusammenhänge in denen Risiko betrachtet wird, sind sehr unterschiedlich. Für die einen gibt es Chancen/Risiken, die man unbedingt nutzen muss, für die anderen ist Risiko immer ein potentieller Schaden, den es in jedem Fall zu vermeiden, oder – wenn auch teuer – abzusichern gilt.

Was ist nun die „richtige“ Definition von Risiko? „Zunächst hilft es,“ so der Rat der Expertin aus Wiesbaden, „sich seiner eigenen Definition von Risiko sehr bewusst zu sein. Dann hat man schon gewonnen. Das bedeutet nämlich, man versteht, dass meine Definition ‚eine‘ mögliche Definition von vielen ist. Folglich gibt es auch Situationen, in denen ein anderer Risikobegriff als der meine sinnvoll ist. Fällt mir das nicht auf, werde ich das Risiko in dieser Situation mit der falschen Brille und damit unrealistisch wahrnehmen.“

Oft bestimme aber der Kontext, zeigt Müller auf, welche Definition sinnvoll ist. Bei der Entscheidung über den Abschluss einer Versicherung ist das Risiko der eintretende Schaden, den man finanziell absichert. „Also wird etwas,“ folgert Müller, „was da ist – zum Beispiel ein Auto – durch eine Vollkasko abgesichert. Tritt der Schaden ein, gelingt es in aller Regel, den Schaden auszugleichen.  Im Falle der Altersvorsorge oder der Geldanlage ist ein zweiseitiger Begriff von Risiko hilfreicher: Welchen Verlust bin ich bereit vorübergehend auszuhalten? Dann kann ich mir die Chance auf Gewinn aufrechterhalten. Den Gewinn wiederum braucht es, um die Geldentwertung durch Inflation auszugleichen. Im besten Fall, erhalte ich dann noch einen darüber liegenden Betrag und kann die Kaufkraft meines Vermögens ausbauen.“

Der Umgang mit Risiko ist für die meisten Menschen deshalb besonders unangenehm, weil wir oft unbewusst mit einem „falschen“ Risikobegriff operieren. Die Folge zeigt Müller auf: „Das Ergebnis unserer Entscheidung trifft nicht unsere Erwartungen. Wir sind enttäuscht, verlieren das Vertrauen in unsere Entscheidungen und vermeiden im schlimmsten Fall ganz, wichtige Entscheidungen zu treffen.“

Warum schätzen wir das Risiko oft unrealistisch ein? „Wenn das Risiko eine Weile nicht eingetreten ist, schätzen wir Risiko oft unrealistisch ein. Staatsanleihen von Staaten, die lange Jahre gute Bonität hatten, werden in ihrem Risiko unterschätzt. Das Risiko von Aktien wird in Zeiten von Crashs sehr intensiv wahrgenommen. Laufen die Börsen eine lange Zeit nach oben, nimmt die Wahrnehmung des Risikos ab. Dann kaufen auch Menschen, die eigentlich noch immer eine geringe Risikobereitschaft haben, auch deshalb Aktien,“ berichtet Müller aus ihrer Beratungspraxis, „weil sie das Risiko nicht mehr sehen.“

Wahrnehmungstäuschungen sind menschlich, so Müller: „Doch um nachhaltig gute Finanzentscheidungen zu treffen, lohnt es sich, diesen Herausforderungen bewusst und mit Achtsamkeit zu begegnen. Wer sich regelmäßig im Kreis von Freunden oder Familie, über finanzielle Fragen austauscht, dem gelingt die Einschätzung auf Dauer immer besser.“

Monika Müller von FCM Finanz Coaching ist Referentin der Theodor-Heuss-Akademie auf dem kommenden Seminar “Nachhaltigkeitsrating”. Dazu lädt die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit ein. Die Veranstaltung findet vom 09. – 11. Mai 2014 in der Theodor-Heuss-Akademie in Gummersbach statt. Das Detailprogramm findet sich auf der Homepage der Stiftung unter folgendem Link: https://shop.freiheit.org/#!/events/id/qefmv Anmeldungen direkt an Frau Bärbel Beer, baerbel.beer@freiheit.org.

Themen: Nachhaltigkeitsrating, Risikoprofiling | Kein Kommentar »

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