Mid-Caps im Fokus: Warum sich ein Blick auf mittelgroße Unternehmen jetzt besonders lohnen könnte

Von Dr. Oliver Everling | 12.Mai 2025

In einem zunehmend unsicheren Marktumfeld gewinnen bislang oft übersehene mittelständische Unternehmen – sogenannte Mid-Caps – deutlich an Bedeutung. Anjli Shah, Managerin des abrdn SICAV I – Global Mid-Cap Equity Fund bei Aberdeen Investments, erklärt, warum diese Unternehmen gerade in volatilen Zeiten eine attraktive Anlageoption darstellen.

„Mid-Caps wurden lange Zeit von Anlegern übersehen“, stellt Shah fest. „Auch heute gibt es nur eine begrenzte Anzahl globaler Fonds, die sich gezielt auf dieses Marktsegment konzentrieren.“ Dabei biete gerade die aktuelle Marktlage Chancen: „Jetzt könnte ein günstiger Zeitpunkt sein, eine gezielte Allokation in diese Anlageklasse in Erwägung zu ziehen.“

Mid-Caps zeichnen sich laut Shah durch mehrere Vorteile aus: „Sie bieten nicht nur attraktive Diversifizierungsvorteile, sondern sind im Vergleich zu Großunternehmen weltweit derzeit rekordverdächtig günstig bewertet.“ Trotz dieser günstigen Bewertung hätten Mid-Caps in den vergangenen 25 Jahren „höhere Renditen erzielt als ihre größeren Pendants“.

Darüber hinaus seien Mid-Caps auch als Gegengewicht zu überrepräsentierten US-Mega-Stocks interessant: „Mid-Caps können so als attraktiver ‚Sweet Spot‘ für Anleger in der momentan volatilen Lage überzeugen“, so Shah. „Dieses Marktsegment bietet damit Potenzial für höhere Renditen als Large-Caps – bei gleichzeitig geringerem Risiko verglichen mit Small-Caps.“

Ein Blick auf den MSCI World Mid-Cap Index unterstreicht dieses Bild. Wie Shah erläutert: „Die Daten zeigen, dass der MSCI World Mid-Cap Index in den 25 Jahren bis zum 27. April 2025 ein höheres durchschnittliches Wachstum verzeichnete als der MSCI World Large-Cap Index.“ Gleichzeitig sei die Volatilität geringer gewesen als bei Small-Caps – also weniger Schwankung bei höherer Rendite.

Ein weiterer Punkt: Mid-Caps zeigen sich im aktuellen Abschwung vergleichsweise robust. „Im Zuge des aktuellen Marktabschwungs haben Anleger vergleichsweise weniger Kapital aus globalen Mid-Caps abgezogen als aus Large-Caps und Small-Caps“, erklärt Shah. „Dies könnte ein Hinweis auf die besondere Attraktivität dieses ‚Sweet Spots‘ inmitten der aktuellen Marktturbulenzen sein.“

Auch die Bewertungen sprechen laut Shah eine klare Sprache: „Das KGV von Mid-Caps liegt aktuell auf dem niedrigsten Niveau seit 2009 und deutlich unter dem historischen Durchschnitt – ein Hinweis darauf, dass Mid-Caps derzeit im Vergleich zu Large-Caps besonders attraktiv bewertet sind.“

Die relative Stärke zeigt sich auch in der Jahresperformance: „Bis zum 27. April verzeichnete der MSCI World Mid-Cap Index eine kumulierte Rendite von -0,47 % seit Jahresbeginn“, führt Shah aus. „Damit fiel der Rückgang geringer aus als beim MSCI World Index (-1,94 %) und beim MSCI World Small-Cap Index (-4,10 %).“

Shah betont außerdem die Qualität vieler Mid-Cap-Unternehmen: „Unternehmen, die den Sprung von Small-Cap zu Mid-Cap geschafft haben, verfügen in der Regel über etablierte, widerstandsfähige Geschäftsmodelle – und behalten dennoch ihre unternehmerische Agilität.“ Dadurch seien sie oft weniger riskant als Small-Caps, ohne auf Wachstum zu verzichten.

Allerdings sei bei Mid-Caps aktives Management besonders wichtig: „Mid-Caps sind im Vergleich zu Large-Caps häufig weniger gut erforscht und werden von Analysten seltener abgedeckt. Genau darin liegt eine Chance – nämlich die Möglichkeit, bislang unentdeckte Marktchancen und ‚versteckte Perlen‘ zu identifizieren.“

Abschließend rät Shah zu einer aktiven Anlagestrategie: „Passive Anlagestrategien, wie der Einsatz eines passiven ETFs, sind für Mid-Caps nicht zu empfehlen. Stattdessen sollte der Fokus auf qualitativ hochwertigen Unternehmen mit nachhaltigen Geschäftsmodellen und soliden Finanzkennzahlen liegen.“

Ihr Fazit ist eindeutig: „Für Anleger, die in Mid-Caps investieren wollen, ist nun jedoch ein guter Zeitpunkt. Denn die Bewertungen von Mid-Caps liegen im historischen Vergleich zu Large Caps auf einem Rekordtief – was einen Einstieg potenziell umso attraktiver macht.“

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Neustart unter Merz: Wie Investitionspakete und Reformen Deutschlands Ratings beeinflussen könnten

Von Dr. Oliver Everling | 7.Mai 2025

Die Wahl von Friedrich Merz zum zehnten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland markiert nicht nur einen politischen Wendepunkt, sondern könnte auch eine bedeutende Signalwirkung auf die Kreditwürdigkeit Deutschlands und damit auf dessen Credit Ratings haben. Deutschland, das nach der Corona-Krise das Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum in Europa war, setzt nun mit ambitionierten Investitionspaketen in Verteidigung und Infrastruktur auf eine wirtschaftliche Erneuerung. Christoph Ohme, Leitender Portfoliomanager bei ODDO BHF Asset Management, sieht darin eine Chance: „Mit den beiden Investitionspaketen für Verteidigung und Infrastruktur besteht nun endlich die Chance, strukturelle Wachstumshindernisse anzugehen und das große Potenzial unserer innovativen Unternehmen freizusetzen.“ Solche Investitionen sind nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht bedeutsam, sondern wirken sich auch positiv auf die Bewertung der Kreditwürdigkeit eines Landes aus, da sie langfristige Wachstumsperspektiven und höhere Steuereinnahmen versprechen.

Für Ratingagenturen sind neben fiskalischer Stabilität auch strukturelle Reformen entscheidend. Ohme fordert in diesem Zusammenhang, dass „unnötige bürokratische Hürden abgebaut werden“ – ein Aspekt, der im Zusammenhang mit der Effizienz staatlicher Institutionen und damit auch mit der Bewertung von Kreditrisiken steht. Eine effizientere Verwaltung kann das Vertrauen der Kapitalmärkte stärken und somit zu stabileren oder gar verbesserten Credit Ratings führen.

Das 500-Milliarden-Euro-Infrastrukturpaket könnte laut Prognosen das BIP-Wachstum ab 2026 um bis zu 1,4 % steigern. „Auch die Unternehmensgewinne können dann wachsen“, betont Ohme, was auf eine mittel- bis langfristig verbesserte wirtschaftliche Fundamentallage hindeutet – ebenfalls ein entscheidender Faktor für Ratingentscheidungen. Die Aussicht auf zweistellige Gewinnzuwächse bei börsennotierten Unternehmen erhöht zudem die Attraktivität des Standortes Deutschland für Investoren. Positive Kapitalzuflüsse – Ohme spricht von einer „weiteren Kapitalrotation aus den USA in die europäischen Märkte“ – deuten auf ein gestärktes Vertrauen in die wirtschaftliche Stabilität hin, was sich wiederum günstig auf Ratings auswirken kann.

Auch wenn geopolitische Risiken wie US-Zollerhöhungen drohen, betont Ohme: „Aufgrund der wechselhaften Nachrichtenlage rechnen wir in den nächsten Tagen und Wochen mit einer erhöhten Volatilität.“ Solche Unsicherheiten wirken sich zunächst negativ auf Marktstimmung und Risikoeinschätzung aus, jedoch zeigt seine Einschätzung, dass die Bewertung des deutschen Markts aktuell günstiger ist als die des US-Markts – ein potenzieller Vorteil bei der Risikobewertung durch Ratingagenturen. Die potenziell wachstumshemmenden Effekte durch Zölle – „Die Kosten der Zölle könnten das Wachstum im Jahr 2026 um 0,9 % reduzieren“ – zeigen zugleich, wie äußere Faktoren in Credit Ratings eingepreist werden könnten, insbesondere bei exportorientierten Volkswirtschaften.

Sektoren mit stabilen oder sogar steigenden Einnahmeerwartungen – wie der Rüstungs- und Infrastrukturbereich – könnten trotz globaler Unsicherheiten positiv zur gesamtwirtschaftlichen Lage beitragen. Ohme erklärt: „Die Regierungen finanzieren die Projekte vor, so dass die Unternehmen des Sektors von Anfang an positive Cashflows verzeichnen können.“ Diese stabile Einnahmestruktur stützt die wirtschaftliche Planbarkeit und könnte Ratingagenturen dazu bewegen, den Industriesektor robuster zu bewerten, was auch Rückwirkungen auf das Länderrating hat.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass die wirtschafts- und strukturpolitischen Entscheidungen der neuen Bundesregierung nicht nur das Potenzial haben, Deutschland zurück auf einen Wachstumspfad zu bringen, sondern auch bedeutende Auswirkungen auf die Einschätzungen der Kreditwürdigkeit durch Ratingagenturen haben könnten. Positive Wachstumsimpulse, fiskalisch solide Investitionsstrategien und strukturelle Reformen sind zentrale Faktoren, die mittel- bis langfristig zu einer Stabilisierung oder Verbesserung der Credit Ratings Deutschlands führen können.

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Deutschlands Hausaufgaben unerledigt

Von Dr. Oliver Everling | 6.Mai 2025

Wenn die neue Bundesregierung ihre Arbeit aufnimmt, steht sie vor einer ernüchternden wirtschaftlichen Realität: „Auch im laufenden Jahr wird die Wirtschaftsleistung aller Voraussicht nach nicht wachsen“, konstatiert Axel Angermann, Chef-Volkswirt der FERI Gruppe. Damit würde das Jahr 2025 das sechste Jahr in Folge ohne wirtschaftliches Wachstum markieren. Die deutsche Wirtschaft stagniert auf dem Niveau von Ende 2019, also vor der Corona-Pandemie. Besonders problematisch ist dabei die Entwicklung der Industrie. „Die Industrieproduktion befindet sich seit Ende 2017 in einem ausgeprägten Abwärtstrend“, erklärt Angermann. Aktuell liege sie „mehr als 15 Prozent unter dem damals erreichten Wert“. Der Fahrzeugbau sei besonders betroffen und habe „Einbußen von mehr als einem Viertel“ verzeichnet. Besserung sei nicht in Sicht – im Gegenteil: „Die deutsche Industrieproduktion wird deshalb im laufenden Jahr erneut um mehr als ein Prozent schrumpfen.“

Als Belastungsfaktor sieht Angermann unter anderem die drohenden protektionistischen Maßnahmen aus den USA. „Die von US-Präsident Donald Trump angedrohten Zölle belasten die exportorientierte Industrie auf verschiedene Art und Weise.“ Einerseits würden die Exporte in die USA betroffen sein, andererseits verschärfe sich der Wettbewerb mit Anbietern aus Asien sowohl im Inland als auch auf Drittmärkten. Zudem käme aus den USA ein zusätzlicher negativer Impuls, „falls die dortige Wirtschaftslage sich deutlich eintrübt“, was sich bereits andeute.

Vor diesem Hintergrund fallen Angermanns Erwartungen an die neue Bundesregierung hoch aus – der Koalitionsvertrag aber enttäuscht: „Der große Wurf, von dem ein deutliches Aufbruchsignal ausgehen könnte, ist es nicht geworden.“ Statt klarer Prioritäten und konkreter Maßnahmen fehle es an Mut und Entschlossenheit. Positiv bewertet Angermann zwar die geplante Senkung der Stromsteuer und das Bekenntnis zum Bürokratieabbau sowie zur Digitalisierung. Doch warnt er: „Angesichts der Fruchtlosigkeit bisheriger Bemühungen reicht das allein für das erwähnte Aufbruchsignal allerdings nicht aus.“ Besonders kritisch sieht er die Zurückhaltung bei steuerlichen Entlastungen: „Wirklich enttäuschend ist die Mutlosigkeit in der Frage steuerlicher Entlastungen sowohl für die Einkommensbezieher als auch für die Unternehmen.“

Für Angermann steht fest: Die Bundesregierung sollte die Aufmerksamkeit stärker auf die eigenen Handlungsmöglichkeiten lenken. „Es kommt nicht in erster Linie darauf an, welche Ideen und Maßnahmen Trump als nächstes in den Ring wirft“, stellt er klar. Viel entscheidender sei, „was wir hier in Deutschland (und Europa) selbst beeinflussen können und letztlich auch nur selbst ins Werk setzen können.“ Trotz aller Herausforderungen bleibt er vorsichtig optimistisch: „Die gute Nachricht ist: Es gibt viele Stellschrauben, an denen angesetzt werden kann.“ Damit seien „Hoffnungen auf das Ende der Misere und einen neuen Aufschwung also allemal begründbar.“

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Tokenisierung im Aufbruch: Zwischen Regulierung und Marktpotenzial

Von Dr. Oliver Everling | 30.April 2025

Die Diskussion rund um digitale Assets und Tokenisierung auf der Handelsblatt-Tagung „Bankenaufsicht 2025“ verdeutlichte, wie sehr sich der europäische Finanzmarkt in einem strukturellen Umbruch befindet.

Unter dem Titel „Kommt 2025 der große Durchbruch?“ diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus Banken, Fintechs und Wissenschaft über Geschäftschancen, technologische Entwicklungen und regulatorische Fragen.

Tim Armbruster, Treasurer der KfW Bankengruppe, erläuterte zunächst die anhaltend hohe Nachfrage nach KfW-Anleihen – weniger wegen Innovation oder Tokenisierung, sondern wegen des exzellenten Ratings der Bundesrepublik Deutschland und der hohen Liquidität. Diese beiden Faktoren seien aus Sicht institutioneller Investoren entscheidend.

Dorette Daume, CEO von Cashlink, betonte, dass der digitale Euro – so er denn kommt – kein neues Risiko für die Finanzmärkte darstelle. „Ein digitaler Euro ist ein Euro“, so Daume, weshalb die regulatorische Diskussion nicht durch Missverständnisse über seine Funktion belastet werden sollte.

Prof. Dr. Hermann Schulte-Mattler von der Fachhochschule Dortmund warf in die Runde, dass ein elektronischer Euro aber auch neue Kontrollmöglichkeiten eröffnen könne – etwa im Hinblick auf Transaktionen oder die Geldpolitik.

Simon Seiter, CFO und CPO des Stablecoin-Joint-Ventures AllUnity, erinnerte daran, dass auch bestehende Geldformen wie Bargeld und Bankguthaben unterschiedliche Eigenschaften aufweisen. Die Vorstellung, digitales Zentralbankgeld müsse sich identisch wie Bargeld verhalten, sei daher nicht zwingend. Er wies zudem auf die regulatorische Doppelbelastung für Anbieter wie AllUnity hin, die als E-Geld-Emittenten auf europäischer Ebene bereits heute unter strengen Anforderungen agieren.

Der Austausch verdeutlichte, dass die technische Entwicklung weit vorangeschritten ist – etwa mit Blockchain-Infrastrukturen, tokenisierten Werten oder Stablecoin-Modellen – doch die Regulierung noch keinen einheitlichen Rahmen schafft. Gerade der Vergleich mit Deregulierungstendenzen in den USA zeigte, wie groß die Herausforderungen für den Standort Europa sind, wenn man auf globaler Ebene mithalten will. Die Diskussion endete mit dem Konsens, dass 2025 durchaus ein entscheidendes Jahr werden könnte – allerdings nur, wenn regulatorische Klarheit und unternehmerische Innovation stärker ineinandergreifen als bisher.

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Anleger rechnen mit anhaltender Goldpreis-Rallye

Von Dr. Oliver Everling | 30.April 2025

Die weltweite Goldnachfrage stieg im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahr um ein Prozent auf 1.206 Tonnen. Dies zeigt die aktuelle Statistik der Branchenorganisation World Gold Council (WGC). Der wichtigste Wachstumstreiber war der Investmentbereich, gestützt durch starke Zuflüsse in Gold-ETFs sowie einen anhaltenden Nachfragetrend nach Münzen und Barren. Umsatzzahlen von philoro EDELMETALLE zeigen, dass der Kauf von Edelmetallen derzeit populärer ist als der Verkauf. Die Anleger rechnen wohl mit einer weiteren Rallye beim Goldpreis. Beim Verkauf von Goldbarren notiert philoro in Deutschland eine Steigerung von über 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Verglichen mit dem vierten Quartal 2024 hat das Unternehmen im ersten Quartal 2025 über 10 Prozent mehr im Bereich Goldbarren verkauft. Bei den Goldmünzen zeigt sich Nachfrage und Verkauf unverändert.

Ein kräftiges Comeback der Zuflüsse in Gold-ETFs führte dazu, so berichten die Spezialisten, dass die gesamte Investmentnachfrage im ersten Quartal dieses Jahres auf 552 Tonnen stieg. Das ist mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr (+170 %). Es ist der höchste Stand seit dem ersten Quartal 2022. Die Nachfrage nach Münzen und Barren blieb mit 325 Tonnen hoch (+3 %). Einen großen Beitrag zum Anstieg leistete China, dass das zweitstärkste Quartal bei privaten Goldinvestitionen verzeichnete (124 Tonnen Münzen und Barren). Laut World Gold Council suchten Anleger weltweit Zuflucht in Gold, um sich gegen die Bedrohung durch Handelskonflikte, anhaltende geopolitische Spannungen und Turbulenzen an den Aktienmärkten abzusichern.

„Die Zentralbanken erhöhten ihre offiziellen Goldreserven weiter, wenn auch in etwas gemächlicherem Tempo. Ihr Bedarf lag bei 244 Tonnen. Das ist zwar 21 Prozent weniger als im Vorjahresquartal, doch liegt die Menge weiter deutlich innerhalb der Bandbreite der letzten drei Jahre“, so philoro. „Die Nachfrage aus dem Technologiesektor blieb mit 80 Tonnen im Jahresvergleich stabil. Der fortschreitende Einsatz von Künstlicher Intelligenz trieb das Wachstum in der Elektronikbranche weiter an. Allerdings sorgen Unsicherheiten rund um Zölle für ein herausforderndes Umfeld im weiteren Jahresverlauf. Die Nachfrage nach Goldschmuck sank deutlich aufgrund der Rekordpreise von Gold. Der Bedarf erreichte mit 434 Tonnen den niedrigsten Stand seit dem pandemiebedingten Einbruch 2020.“

Der Edelmetallhändler philoro verzeichnete seitens der Kunden im ersten Quartal dieses Jahres wieder ein höheres Interesse am Kauf von Edelmetall-Produkten, während der Verkauf zurückging. In Zahlen ausgedrückt steigerte philoro den Umsatz beim Verkauf der Anlageprodukte aus Edelmetallen im ersten Quartal 2025 gegenüber dem Vorjahr um fast 40 Prozent. «Das Verhalten der Kundschaft zeigt, dass derzeit ein weiter steigender Goldpreis erwartet wird», erklärt Tobias Kascha, Deutschland-Geschäftsführer von philoro EDELMETALLE.

„Auch das Verhältnis bei der Stückelung weist darauf hin, dass man auf eine langfristige Goldpreis-Rallye setzt“, so Kascha. So fällt bei Gold 74 Prozent des Umsatzes im ersten Quartal auf Goldbarren und nur 26 Prozent auf Goldmünzen. Bei Silber ist der Anteil des Barren-Umsatzes mit 80 Prozent sogar noch etwas höher. „Es ist nahezu ein Gesetz: Kaufen Kunden vermehrt grössere Barren, ist es ein klares Signal für eine starke Nachfrage.“, erklärt Tobias Kascha von philoro. „Grundsätzlich sollten Anleger bei Gold einen langfristigen Fokus haben. Der Zeitpunkt für Investitionen in Gold ist immer gut, denn auf lange Sicht steigt der Goldpreis immer, auch wenn es zwischendurch Phasen von Abwärtsbewegungen geben kann“, ergänzt der Edelmetall-Experte.

Bei den Goldmünzen war im ersten Quartal dieses Jahres wieder der goldene Krügerrand am meisten gefragt. Bei den Goldbarren war unter den Grosskunden der 1-Kilo-Barren besonders beliebt; bei den Privatkunden der 100-Gramm-Barren. Beim Silber war generell der 1-Kilo-Barren hoch im Kurs.

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Vom Pflichtprogramm zum Vorteil: KYC im digitalen Umbruch

Von Dr. Oliver Everling | 30.April 2025

Dr. Camillo Werdich, CEO und Mitgründer von Sinpex, stellte auf der Handelsblatt-Tagung „Bankenaufsicht 2025“ eindrucksvoll dar, wie sich Know Your Customer (KYC) und Know Your Business (KYB) aktuell vom regulatorischen Pflichtprogramm zum strategischen Wettbewerbsvorteil wandeln.

Im Zentrum seines Vortrags stand die Erkenntnis, dass schlechte Onboarding-Erfahrungen für einen erheblichen Teil der Kundenverluste verantwortlich sind – ganze 52 Prozent der Abwanderungen in den ersten 90 Tagen lassen sich laut Werdich auf mangelhafte Onboarding-Prozesse zurückführen. Weitere 14 Prozent entstehen durch übertriebene Vertriebserwartungen (Overselling), acht Prozent durch interne organisatorische Probleme beim Kunden usw. Die Botschaft war klar: Wer in einem zunehmend regulierten Umfeld bestehen will, muss Prozesse nicht nur konform, sondern auch nutzerzentriert und effizient gestalten.

Besonders kritisch sei der Umstand, dass neue regulatorische Anforderungen, die im Zuge von Basel IV und weiteren Vorhaben ab 2025 verschärft werden, auf veraltete, analoge Prozesslandschaften treffen. Diese Konstellation bringe viele KYC-Prozesse ins Wanken. Die Branche sei daher gezwungen, digitale Transformationsprozesse zu beschleunigen – nicht nur aus Compliance-Gründen, sondern auch zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit.

Werdich zeigte auf, dass moderne SaaS-Infrastrukturen in Kombination mit KI-gestützter Datenverarbeitung bereits heute als neuer Standard im Markt wahrgenommen würden. Lösungen wie Infrastructure as a Service, automatisierte Konnektivität und intelligente Datenverifizierung ermöglichen medienbruchfreie Abläufe – insbesondere im Geschäftskunden-Onboarding sowie bei Re-KYC-Prozessen, die in vielen Instituten noch manuell und fragmentiert erfolgen.

Dr. Werdich, der vor seiner Gründung von Sinpex als KYC-Manager bei Deloitte tätig war, verdeutlichte, dass es nicht ausreiche, einfach nur auf neue Vorschriften zu reagieren. Vielmehr müssten Banken strategisch denken und Technologie als Enabler begreifen. Die Herausforderung bestehe darin, Effizienz und Compliance nicht als Widerspruch, sondern als integrierte Zielsetzung zu begreifen. Entscheidend dafür seien präzise Datenverarbeitung, kontinuierliches Training der KI-Systeme und eine vollständige Integration der Prozesse ohne Medienbrüche. Der Wandel sei längst in vollem Gange – und wer ihn aktiv gestalte, könne aus regulatorischem Druck echten Marktvorteil generieren.

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„Bankenpaket – A never ending story?!“: Christian Saß über die Herausforderungen der europäischen Bankenregulierung

Von Dr. Oliver Everling | 29.April 2025

Christian Saß, Associate Director für Bankenaufsicht und Bilanzierung im Bundesverband deutscher Banken, brachte auf der Handelsblatt-Tagung „Bankenaufsicht 2025“ die anhaltenden Herausforderungen der europäischen Bankenregulierung auf den Punkt. In seinem Vortrag zum Thema „Bankenpaket – A never ending story?!“ zeigte Saß auf, wie komplex und langwierig der Prozess der Regulierung und Aufsicht für den Bankensektor weiterhin bleibt.

Besonders im Hinblick auf die laufenden Arbeiten der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) zu Themen wie Kreditrisiko, operationellem Risiko (OpRisk) und dem Counterparty-Versicherungswert (CVA) verdeutlichte er, dass die Reformprozesse immer noch im Fluss sind. Obwohl der Fortschritt in einigen Bereichen sichtbar wird, sind viele der zentralen Fragen noch nicht abschließend geklärt. „Die EBA ist sehr fleißig, hat aber noch viele Mandate vor sich.“

Ein weiterer wesentlicher Bestandteil von Saß‘ Ausführungen war die Umsetzung des Marktrisikorahmenwerks (FRTB). Die Einführung des neuen Rahmens stellt eine der bedeutendsten Änderungen in der Regulierung der Finanzmärkte dar und hat das Potenzial, tiefgreifende Auswirkungen auf das Risikomanagement von Banken zu haben.

Dabei ging Saß insbesondere auf die noch offenen Punkte und ungelösten Herausforderungen ein, die in der praktischen Umsetzung dieser Regelungen auf den europäischen Bankenmarkt zukommen könnten. Der FRTB, der die Berechnung von Marktpreisrisiken in Banken neu ausrichtet, erfordert nicht nur technische Anpassungen, sondern auch eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Aufsichtsbehörden und Banken, um die Ziele der Regelungen in der Praxis zu erreichen.

Abschließend warf Saß einen Blick auf die weiteren Schritte und die Ausblicke, die sich aus den aktuellen Diskussionen und Arbeiten der EBA und anderen Regulierungsinstanzen ergeben. Der langfristige Einfluss von Basel IV und der neuen europäischen Kapitalmarktverordnung CRR III auf den Bankensektor wird nach wie vor intensiv diskutiert.

Die Umsetzung dieser Reformen, besonders in einer Zeit wirtschaftlicher Unsicherheit, erfordert eine sorgfältige Balance zwischen notwendiger Aufsicht und der Förderung von Innovation und Wettbewerbsfähigkeit. Angesichts der ständigen Weiterentwicklung der Regulierung und der Vielzahl offener Fragen, die noch beantwortet werden müssen, bleibt die Arbeit an der europäischen Bankenaufsicht für die kommenden Jahre ein fortwährender Prozess.

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Regulatorik mit Augenmaß: Komplexität reduzieren, Transformation ermöglichen

Von Dr. Oliver Everling | 29.April 2025

Sascha Klaus, Vorstandsvorsitzender der Berlin Hyp, zeichnete auf der Handelsblatt-Tagung „Bankenaufsicht 2025“ ein differenziertes Bild der aktuellen Marktlage, das geprägt ist von einer Mischung aus Stabilisierung, strukturellem Wandel und wachsendem Refinanzierungsbedarf.

Die Phase der Rekalibrierung der Märkte sei seiner Einschätzung nach weitgehend abgeschlossen, auch wenn die zuletzt hohe Volatilität bei Zinsen und Bewertungen zu einer spürbaren Verunsicherung geführt habe. Diese Unsicherheit zeige sich besonders deutlich in der zunehmenden Polarisierung innerhalb der Assetklassen – sowohl hinsichtlich der Qualität, etwa gemessen an ESG-Kriterien, als auch in Bezug auf die Lage der Objekte. Selbst der Wohnungsmarkt, lange Zeit als verlässlich geltend, beginne auseinanderzudriften.

ESG sei dabei kein Trendthema mehr, sondern mittlerweile tief in der Entscheidungsstruktur der Investoren verankert. „Das Thema ESG ist inzwischen in der DNA der Investoren angekommen“, so Klaus. Diese Entwicklung beeinflusse Finanzierungsentscheidungen grundlegend, weil Nachhaltigkeit längst ein zentrales Kriterium für Kapitalflüsse geworden sei.

Im Vergleich zu früheren Krisen erweise sich die Immobilienfinanzierung dieses Mal als weitgehend stabil. Laut Klaus sei nicht der Bankensektor die Hauptbetroffenen der aktuellen Herausforderungen, sondern vielmehr die Investoren selbst, die heute mit den Auswirkungen veränderter Marktbedingungen zu kämpfen hätten. Während frühere Zyklen oft von einer Verschuldungskrise der Finanzierer geprägt waren, stehe diesmal eine Equity-Krise im Zentrum – also ein Wertverfall auf Eigentümerseite, der sich in rückläufiger Nachfrage nach bestimmten Immobilientypen niederschlage. Die Folge sei ein selektiver Markt, in dem nur noch hochwertige Objekte mit nachhaltigem Profil gut finanzierbar blieben.

Besondere Brisanz entwickelt die Situation angesichts einer herannahenden Refinanzierungswelle, deren Dimension erheblich ist. Laut aktuellen Berechnungen des Beratungsunternehmens CBRE klafft allein für die Jahre 2024 bis 2027 eine Refinanzierungslücke von rund 77 Milliarden Euro – ein Betrag, der verdeutlicht, wie angespannt die Lage in der Branche ist.

Sascha Klaus betonte daher die entscheidende Rolle starker und verlässlicher Banken, um diese Herausforderung zu bewältigen. Die Kapitalmärkte alleine werden diese Lücke nicht schließen können, weshalb der Kreditkanal – unter Voraussetzung solider Bonität und nachhaltiger Ausrichtung – wieder an strategischer Bedeutung gewinnt. Klaus’ Vortrag machte deutlich, dass Stabilität, Nachhaltigkeit und Standortqualität künftig noch stärker über den Zugang zu Kapital entscheiden werden – sowohl im Kreditgeschäft als auch auf Investorenseite.

„Wir brauchen Regulatorik mit Augenmaß“, forderte Sascha Klaus in seinem Vortrag und plädierte damit für eine ausgewogene Balance zwischen notwendiger Aufsicht und praktikabler Umsetzung. Angesichts der Tatsache, dass es sich aktuell nicht um eine klassische Verschuldungskrise handelt, sondern Banken insgesamt resilient aufgestellt und die Märkte dabei seien, sich zu stabilisieren, müsse Regulierung unterstützend wirken und nicht überfordern.

Für die anstehende wirtschaftliche und ökologische Transformation seien starke Banken unverzichtbar – doch übermäßige regulatorische Belastungen könnten genau diese Stabilität gefährden. Besonders kritisch äußerte sich Klaus zur ESG-Regulatorik: „viel zu komplex, viel zu groß“ – eine Vielzahl an Anforderungen führe in der Praxis zu erheblichem bürokratischem Aufwand und Ressourcenbindung, statt zielgerichtet nachhaltige Wirkung zu entfalten. Er warnte davor, dass mehr Regulierung nicht automatisch zu mehr Stabilität führe, sondern im Gegenteil zusätzliche Risiken erzeugen könne – etwa durch Überforderung kleinerer Institute oder Verzögerungen in Transformationsprozessen. Klaus sprach sich daher für das sogenannte Omnibus-Prinzip aus, das eine Bündelung und Vereinfachung bestehender Regularien vorsieht, sowie für einen echten Bürokratieabbau zugunsten effizienter und wirksamer Aufsicht.

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Dr. Rainer Polster: „Dialog statt Abhaken“ – OLB unter europäischer Bankenaufsicht

Von Dr. Oliver Everling | 29.April 2025

Dr. Rainer Polster, Chief Financial Officer der Oldenburgischen Landesbank (OLB), nutzte seinen Vortrag auf der Handelsblatt-Tagung „Bankenaufsicht 2025“, um den Übergang zur europäischen Bankenaufsicht aus Sicht eines mittelständisch geprägten Instituts einzuordnen – praxisnah, differenziert und mit klarem strategischem Fokus.

Eingangs skizzierte Polster die aktuelle Positionierung der OLB, die sich als feste Größe in der Finanzierung des deutschen Mittelstands versteht. „Wir finanzieren immer Mittelständler. Alles, was größer ist als eine Milliarde Euro Umsatz, ist nicht unsere Kundengruppe“, erklärte er. Mit rund 70 bis 80 Prozent des Geschäfts in Deutschland und einem ergänzenden, gezielten Europa-Anteil stellt sich die OLB bewusst nicht global, sondern regional robust auf.

Ein besonderes Aushängeschild: Die Bank gilt als größter Fußballfinanzierer des Landes – ein Nischensegment mit stabilem Wachstumspotenzial. Die Eigenkapitalrendite liegt nach Polsters Angaben bei beeindruckenden 16 bis 17 Prozent – ein Wert, der im aktuellen Marktumfeld deutlich über dem Branchenschnitt liegt und auf eine disziplinierte Risikosteuerung und zielgerichtete Geschäftspolitik hindeutet.

Ein strategischer Meilenstein war für die OLB der Erwerb der Degussa Bank. Dieser Schritt markierte nicht nur eine Expansion, sondern auch eine signifikante Intensivierung der Zusammenarbeit mit der Europäischen Zentralbank im Rahmen der Bankenaufsicht. Polster berichtete von intensiven Prüfprozessen wie Quality Reviews, Stresstests und vertieften Reporting-Anforderungen. Dabei lobte er ausdrücklich die Entwicklung des Aufsichtsdialogs unter dem Single Supervisory Mechanism (SSM).

Die EZB gehe – anders, als es die OLB unter BaFin und Bundesbank gewohnt war – über ein formales Abhaken hinaus und suche einen inhaltlich substanziellen, aufsichtsrechtlich begründeten Dialog mit den beaufsichtigten Instituten. Dieser Wandel werde von der OLB als Chance gesehen, sich frühzeitig mit regulatorischen Anforderungen auseinanderzusetzen und dabei auch auf qualitative Verbesserungen in Risikomodellen und Steuerungsprozessen hinzuarbeiten.

Im Bereich Governance unterstrich Polster die Bedeutung vollständiger Dokumentation: „Alles, was nicht dokumentiert ist, gibt es nicht.“ Dieser Leitsatz sei nicht nur regulatorisch erforderlich, sondern auch Grundlage für interne Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Verlässlichkeit.

Ein weiterer Schwerpunkt seines Vortrags war das Thema Nachhaltigkeit. Als CFO trägt Polster zugleich die Verantwortung für das ESG-Management der OLB. In diesem Kontext werde ESG nicht als Nebenschauplatz betrachtet, sondern als integraler Bestandteil der Geschäftsstrategie – sowohl mit Blick auf Risikomanagement als auch auf Chancenbewertung.

Mit mehr als 25 Jahren Erfahrung im Bankwesen, darunter langjährige Tätigkeiten bei der Deutschen Bank im In- und Ausland, bringt Dr. Rainer Polster umfassende Expertise in die laufende Transformation des europäischen Aufsichtsrahmens ein. Sein Vortrag zeigte, wie sich ein mittelständisches Institut professionell, dialogbereit und strategisch vorausschauend in der neuen Bankenaufsicht positioniert.

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Mathias Weinert: IT-Compliance muss widerstandsfähig und wirtschaftlich sein

Von Dr. Oliver Everling | 29.April 2025

Auf der Handelsblatt-Tagung „Bankenaufsicht 2025 – Aktuelle europäische Entwicklungen“ sprach Mathias Weinert, Chief Risk Officer von Sopra Financial Technology, über ein Thema, das zunehmend an Bedeutung gewinnt: die IT-Compliance und das Risikomanagement in einem Umfeld stetig wachsender regulatorischer Anforderungen. Sein Vortrag machte deutlich, dass Finanzdienstleister heute unter permanentem Anpassungsdruck stehen – sowohl technologisch als auch organisatorisch. Gleichzeitig zeigte Weinert pragmatische Lösungsansätze auf, mit denen Institute diesen Herausforderungen begegnen können, ohne sich in kostspieligen und ineffizienten Strukturen zu verlieren.

Im Gegenstandsbereichs seines Vortrags stand der zweistufige Ansatz, den Sopra Financial Technology in der Praxis verfolgt. Der erste Schritt besteht in einer Reifegradanalyse, die systematisch prüft, wo ein Institut in Bezug auf IT-Compliance, Governance und operative Sicherheit steht. Diese Standortbestimmung bildet die Grundlage für gezielte Maßnahmen zur Optimierung. Im zweiten Schritt geht es um die kontinuierliche Sicherstellung der IT-Compliance – nicht als einmaliges Projekt, sondern als integralen Bestandteil der Geschäftsprozesse. Dabei unterstrich Weinert, dass regulatorische Anforderungen wie DORA, BAIT oder ISO-Normen nicht als starre Hürden, sondern als Leitplanken für mehr Resilienz verstanden werden sollten.

Ein zentrales Thema war die Rolle des Risikomanagements als Frühwarnsystem. Weinert betonte, dass es längst nicht mehr nur um die Identifikation klassischer IT-Risiken gehe, sondern um ein ganzheitliches Verständnis für die Regulator und Bedrohungsszenarien – von Cyberangriffen über Systemausfälle bis hin zu Drittparteirisiken. Entscheidend sei, Bedrohungen nicht nur zu erkennen, sondern auch organisatorisch und technisch angemessen darauf reagieren zu können. Dafür brauche es hochstandardisierte Prozesse, die auch im Krisenfall reibungslos funktionieren und jederzeit skalierbar sind.

Weinert plädierte dafür, IT-Compliance nicht als lästige Pflicht, sondern als Wettbewerbsvorteil zu begreifen – vorausgesetzt, sie wird intelligent umgesetzt. Effizienz und Wirtschaftlichkeit seien zentrale Faktoren, insbesondere für mittelgroße Institute, die weder über unbegrenzte Budgets noch über große IT-Abteilungen verfügten. Die Zukunft der IT-Compliance liege daher in modularen, praxiserprobten Lösungen, die Sicherheit, Transparenz und regulatorische Konformität vereinen, ohne dabei die betriebliche Flexibilität einzuschränken.

Mathias Weinert stellte in seinem Vortrag einen strukturierten Drei-Phasen-Ansatz vor, mit dem Finanzdienstleister ihre IT-Compliance dauerhaft und wirksam sicherstellen können. In der ersten Phase geht es um die Entwicklung einer individuellen Roadmap: Auf Basis einer Reifegradanalyse werden klare Ziele, Prioritäten und Maßnahmen definiert, die zur Erreichung regulatorischer Anforderungen erforderlich sind. Die zweite Phase ist die Unterstützungsphase, in der konkrete Umsetzungsschritte begleitet, technische und organisatorische Lücken geschlossen und Prozesse optimiert werden – stets unter Berücksichtigung der spezifischen Ausgangslage des Unternehmens. In der dritten Phase, der Berichtsphase, wird der Fokus auf die kontinuierliche Überwachung und Dokumentation gelegt. Hier geht es darum, regulatorische Anforderungen nicht nur zu erfüllen, sondern die Einhaltung auch dauerhaft nachweisen zu können – etwa durch standardisierte Reportings, regelmäßige Reviews und automatisierte Kontrollmechanismen.

Mathias Weinert stellte dem klassischen Risikobericht bewusst einen Chancenbericht gegenüber und plädierte dafür, beide Perspektiven künftig gleichwertig zu betrachten. Während der Risikobericht potenzielle Bedrohungen identifiziert und ihre Auswirkungen analysiert, soll der Chancenbericht gezielt die positiven Potenziale neuer Technologien, Prozesse oder Marktveränderungen erfassen.

Weinert argumentierte, dass ein modernes Risikomanagement nicht nur defensiv ausgerichtet sein dürfe, sondern auch als strategisches Instrument genutzt werden müsse, um Innovationspotenziale frühzeitig zu erkennen und gezielt zu fördern. Gerade im Kontext der digitalen Transformation biete ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Risiko- und Chancenbewertung die Möglichkeit, IT-Compliance nicht nur als Reaktion auf Vorgaben, sondern als aktiven Gestaltungsraum zu begreifen.

Mathias Weinert präsentierte die Idee eines sogenannten „Chancen-Scores“, mit dem Unternehmen systematisch bewerten können, welches positive Potenzial in bestimmten Technologien, Projekten oder regulatorischen Entwicklungen steckt. Analog zum Risikoscore, der Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe quantifiziert, soll der Chancen-Score die Realisierbarkeit, den potenziellen Nutzen und den strategischen Mehrwert eines Vorhabens messbar machen. Ziel ist es, Chancen nicht nur intuitiv wahrzunehmen, sondern sie auf Basis strukturierter Kriterien in Entscheidungsprozesse zu integrieren. Der Chancen-Score würde so zu einem festen Bestandteil des unternehmensweiten Steuerungsmodells und hilft, Innovation gezielt zu fördern – mit klarer Governance, aber ohne den regulatorischen Rahmen zu sprengen.

Mit seinem Vortrag lieferte Mathias Weinert einen klar strukturierten, praxisnahen Beitrag zur aktuellen Debatte rund um Resilienz, IT-Risiken und regulatorischen Wandel – und machte deutlich, dass wirksames Risikomanagement und smarte Compliance keine Gegensätze sind, sondern sich gegenseitig bedingen.

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