Scope Ratings entscheidend
Von Dr. Oliver Everling | 27.Oktober 2024
Im aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs zur Greensill-Bank betont das Gericht die zentrale Rolle von Ratingagenturen bei der Beurteilung der Kreditwürdigkeit von Banken. Der Fall, bei dem eine bayerische Gemeinde infolge der Insolvenz der Greensill-Bank erhebliche finanzielle Verluste erlitt, hob die Verantwortung und Rolle der Finanzdienstleister sowie die Bedeutung der Ratings von anerkannten Agenturen hervor.
Die Klägerin, eine bayerische Gemeinde, argumentierte, dass sie bei ihren Anlagen auf die Beratung und Marktkenntnis des Finanzdienstleisters vertraut habe und davon ausgegangen sei, dass nur sichere Anlageoptionen vermittelt würden. In diesem Zusammenhang verwies die Klägerin auf verschiedene Medienberichte, die schon Monate vor der Insolvenz über mögliche Risiken bei der Greensill-Bank spekulierten und von einer Überprüfung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) berichteten.
Trotz dieser Berichte empfahl der Finanzdienstleister der Gemeinde weiterhin Anlagen bei Greensill und stützte sich dabei auf das Rating der Bank von Scope Ratings, das sich zum Anlagezeitpunkt noch auf Investment-Grade-Niveau befand. Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass Finanzdienstleister auf aktuelle Bewertungen einer anerkannten Ratingagentur vertrauen dürfen, solange keine konkreten Hinweise vorliegen, die deren Aussagekraft infrage stellen. Er stellte fest, dass Ratingagenturen fundierte, systematische Analysen durchführen und ihre Bewertungen regelmäßig aktualisieren. Dies gewährleiste, dass die Agenturen die wesentlichen Entwicklungen auf dem Markt zeitnah berücksichtigen und somit eine verlässliche Grundlage für Investitionsentscheidungen bieten.
Im Urteil stellte der BGH fest, dass Finanzdienstleister nicht verpflichtet sind, zusätzliche Nachforschungen anzustellen oder Berichte in der Wirtschaftspresse zu verfolgen, sofern das Rating einer renommierten Agentur keinen Anlass zur Besorgnis gibt. In diesem Fall, so das Gericht, wären zusätzliche Recherchen nur erforderlich gewesen, wenn die Agentur selbst Zweifel an der Kreditwürdigkeit der Greensill-Bank angedeutet oder das Rating gravierend herabgestuft hätte. Medienberichte allein, die nicht auf überprüfbaren und konkreten Tatsachen beruhen, seien für die Risikoeinschätzung nicht maßgeblich. Die Klägerin konnte somit nicht beweisen, dass der Finanzdienstleister gegen eine Pflicht zur sorgfältigen Prüfung verstoßen hatte, da er das Rating der Greensill-Bank korrekt mitteilte und die darin enthaltene Beurteilung für verlässlich hielt.
Das Gericht entschied, dass die Verantwortung für die Einschätzung der Bank anhand des Ratings bei der Gemeinde lag, zumal diese über geschäftserfahrenes Personal in der Kämmerei verfügte. Das Urteil stärkt damit die Position der Finanzdienstleister, die auf die Aktualität und Sorgfalt der Ratingagenturen vertrauen können, solange keine konkreten Hinweise auf die Unzuverlässigkeit des Ratings vorliegen. Für zukünftige Investitionen stellt das Urteil eine klare Richtlinie dar: Solange ein Rating von einer anerkannten Agentur keine Bedenken aufwirft, ist ein Finanzdienstleister berechtigt, dieses als maßgebliche Grundlage für Empfehlungen zu nutzen.
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Goldilocks-Umfeld in den USA
Von Dr. Oliver Everling | 22.Oktober 2024
Dr. Eduard Baitinger, seit 2015 Leiter der Asset Allocation bei der FERI AG, analysiert in seinen Veröffentlichungen regelmäßig die Entwicklungen auf den globalen Finanzmärkten. In seiner jüngsten Einschätzung betont er: „Die globalen Börsen verzeichnen zum Jahresende beeindruckende Gewinne. Weder geopolitische Spannungen noch das schwache Wachstum in China oder die Dauerflaute der deutschen Wirtschaft konnten den Bullenmarkt bremsen.“ Besonders hebt er hervor, dass „selbst die Turbulenzen am japanischen Währungs- und Aktienmarkt, ausgelöst durch die Zinswende der japanischen Notenbank, schnell überwunden wurden.“ Der Experte führt dies vor allem auf die Stärke der US-Märkte zurück: „Die US-Wirtschaft bewegte sich nahezu das gesamte Jahr in einem ‚Goldilocks‘-Umfeld: weder zu stark für Inflationsrisiken noch so schwach, dass Rezessionsängste aufkamen.“
Trotz der optimistischen Entwicklungen mahnt Baitinger jedoch zur Vorsicht. „Die aktuellen Aktienkurse liegen im historischen Vergleich deutlich über den erzielten Unternehmensgewinnen und sind auch im Verhältnis zu den Anleihemärkten ungewöhnlich hoch,“ warnt er. Darüber hinaus sieht er weiterhin schwer kalkulierbare geopolitische Risiken, die „insbesondere durch mögliche Eskalationen im Nahen Osten und die wachsenden Spannungen zwischen dem nuklear bewaffneten Nordkorea und Südkorea“ bestehen.
Mit Blick auf die bevorstehenden US-Präsidentschaftswahlen analysiert Baitinger zwei mögliche Szenarien: „Ein Sieg von Donald Trump mit knapper republikanischer Mehrheit im Kongress oder ein Wahlsieg von Kamala Harris ohne demokratische Kongressmehrheit.“ Beide Szenarien hätten seiner Ansicht nach keine nachhaltigen Auswirkungen auf die Märkte. Allerdings merkt er an, dass ein weniger wahrscheinliches Szenario, bei dem Trump gewinnt, aber keine Kongressmehrheit hat, „zu einer protektionistischen Handelspolitik führen und besonders exportabhängige Märkte wie China und die EU belasten“ könnte.
Dr. Eduard Baitinger ist bekannt für seine fundierten Analysen, die stets die Chancen und Risiken der Finanzmärkte abwägen. Seine Expertise in der Asset Allocation hat ihn seit 2015 zu einem unverzichtbaren Bestandteil der FERI AG gemacht.
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Politische Implikationen des Nobelpreises für Wirtschaft
Von Dr. Oliver Everling | 22.Oktober 2024
Drei Wirtschaftswissenschaftler – Daron Acemoğlu, Simon Johnson und James A. Robinson – wurden für ihre Arbeit zur „Entstehung von Institutionen und ihren Auswirkungen auf den Wohlstand“ mit dem Wirtschaftsnobelpreis geehrt. Zwar beschäftigten sich die Forscher mit der Historie der Wohlfahrtsentstehung, doch können ihre Erkenntnisse im Rahmen vieler Transformationen von Volkswirtschaften zu einer zukunftsfähigen Aufstellung sowie im derzeit immer stärker akzentuierten Systemwettbewerb zwischen marktwirtschaftlich demokratisch organisierten und autokratisch geführten Volkswirtschaften behilflich sein, meint Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank DONNER & REUSCHEL: „Eine der entscheidenden Erkenntnisse ihrer Arbeit ist, dass sich stabile staatliche und gesellschaftliche Institutionen positiv auf das Wachstum und damit den Wohlstand der Bevölkerung auswirken, wenn sie integrativ, also mit einer Gewaltenteilung versehen sind.“
In diesem Fall erfolgt eine besonders starke Fokussierung auf langfristige wirtschaftliche Chancen mit dem Ergebnis einer nachhaltigen, lange anhaltenden Prosperität. Im Fall von ausbeuterischen Institutionen ergeben sich hingegen erhebliche Ungleichheiten und gesamtwirtschaftliche Stagnation. Die Forscher erkannten, dass viele durch diese Wirkungszusammenhänge ehemals – v.a. im Sinne von Rohstoffvorkommen – reiche Länder, die von Kolonialmächten ausgebeutet wurden im Laufe der Geschichte verarmten, während ursprünglich ärmere Regionen durch einen integrativen Ansatz von Institutionen wohlhabender wurden.
Mumm sieht darin wichtige Erkenntnisse, denn langfristig bergen die auf Demokratie und Marktwirtschaft fokussierten Volkswirtschaften ein deutlich größeres Potenzial für Wirtschaft, Gesellschaft und Menschen: „Insofern kann das Streben nach autokratischen Führungsstilen als Randnotiz der besonders turbulenten Zeiten gesehen werden, in denen Politiker mit sehr einfachen Antworten auf komplexe Problemstellungen früher oder später durch einen fehlenden Tiefgang entlarvt werden.“
Populismus schadet langfristig dem Wohlstand. „Es geht um fundamentale Veränderungen von betriebs- und volkswirtschaftlichen Geschäftsmodellen, die zwar jahrzehntelang bewährt, aber angesichts diverser grundlegender Veränderungen nicht mehr zukunftsfähig sind. Dabei sind Freiheit und Wettbewerb entscheidende Grundfesten bei der Neuorientierung von Produktionskapital in einem schöpferischen Sinne und sollten zulasten staatlichen Interventionismus im Vordergrund stehen. In diesem Zusammenhang ist eine weitere wichtige Erkenntnis, dass technologischer Fortschritt vor allem in Staaten mit inklusiven Institutionen Einzug gehalten und dadurch den Wohlstandsanstieg noch weiter befeuert hat. Zudem“, so Mumm weiter, „beinhalten die Ergebnisse der Preisträger wichtige Hinweise für die Wirtschaftspolitik bei der Begegnung großer Einkommensunterschiede zwischen verschiedenen Ländern. So sind die 20 Prozent reichsten Staaten heute rund 30 mal wohlhabender als die 20 Prozent ärmsten Staaten. Auch wenn die ärmeren Staaten wohlhabender geworden sind, bleibt die Kluft nach oben. Die gute Nachricht ist, dass sich Institutionen und damit Wohlstandsperspektiven verändern können.“
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Drei investierbare Säulen für saubere Energie
Von Dr. Oliver Everling | 21.Oktober 2024
Seit dem Höchststand im Januar 2021 war die Performance nachhaltiger Fonds und Anlagen mit Bezug zum ökologischen Wandel enttäuschend. Doch der Investitionsbedarf zum Erreichen der Ziele des Pariser Abkommens ist keineswegs gesunken. „Im Gegenteil: Der Kapitalbedarf bei einem 1,5-Grad- Szenario wird auf 5.000 Mrd. USD pro Jahr geschätzt – das entspricht einer Verdreifachung des Investitionsvolumens von 2023“, schreibt Laurent Denize, Co-CIO ODDO BHF und CIO ODDO BHF Asset Management, in einem aktuellen Marktkommentar. Es gehe darum, „grüne“ Investitionen nicht als Einschränkung, sondern als Chance zu sehen. Jetzt, da die Bewertungen attraktiver sind und die Unternehmen einen höheren Reifegrad aufweisen, ist es Denize zufolge sinnvoll, das Thema wieder in den Blick zu nehmen. Sauberer Strom sieht er dabei als Kernelement. Derzeit seien Energieerzeugung und -verbrauch für etwa 70% der Treibhausgasemissionen verantwortlich.
Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien am Energiemix: Aktuell liegt ihr Anteil bei etwa 30%. „Bis 2030 wird dieser bei Fortsetzung der derzeitigen Ausbaupolitik voraussichtlich auf 38% ansteigen“, rechnet Denize vor. Bei Anvisieren eines Erwärmungspfads von unter 2 Grad könnte der Anteil sogar auf 57% steigen. Am schnellsten wachsen die Produktionskapazitäten für Solarenergie mit einem geschätzten jährlichen Wachstum von 18 bis 24% bis 2030.
Ausbau der Netzinfrastruktur: Nach mehreren Jahrzehnten unzureichender Investitionen in die Stromnetze treibt die beschleunigte Elektrifizierung die Infrastrukturkosten zur Stromübertragung und -verteilung stark in die Höhe. In Nordamerika und Europa ist die Infrastruktur im Durchschnitt 30 Jahre alt. Es sind jährliche Investitionen in Höhe von 400 Mrd. USD erforderlich, um zumindest die ältesten Anlagen zu erneuern (19%), bestehende Anlagen zu modernisieren (40%) und neue Infrastrukturen zu schaffen (41%).
Elektrifizierung der Nutzung: Der stark steigende Strombedarf erfordert die Nutzung sauberer Energiequellen. Der Großteil des Strombedarfs entfällt heute auf Gebäude (30%), die Industrie (30%) und den Verkehr (27%). Die rasante Entwicklung von Rechenzentren dürfte ODDO BHF zufolge die Stromnachfrage in den kommenden Jahren noch weiter ansteigen lassen.
Neben der direkten Positionierung in diesen drei Bereichen bieten sich laut Laurent Denize zahlreiche Anlagemöglichkeiten entlang der Wertschöpfungskette der Elektrifizierung: Hoch- und Mittelspannungskabel, Energiespeicherlösungen, Ingenieurdienstleistungen rund um die Strominfrastruktur oder auch Kühlsysteme für Rechenzentren. Nach Angaben der US-Energiebehörde (EIA) wird sich der Energieverbrauch von Rechenzentren in den USA bis 2030 auf 9% des gesamten Strombedarfs mehr als verdoppeln. Um Engpässe zu vermeiden und den enormen CO2-Fußabdruck von KI zu verbessern, sind Microsoft und andere Technologiegiganten bereit, auch Kernenergie zu nutzen, wie der Vertrag von Microsoft mit Constellation in Bezug auf die Wiederinbetriebnahme des Kernkraftwerks Three Mile Island zeigt. Der CO2-Fußabdruck von Cloud-Hyperscalern ist laut Denize größer als erwartet: „Dies eröffnet deutliches Wachstumspotenzial für Dekarbonisierungslösungen auch jenseits der Erzeugung sauberen Stroms: saubere Energie, energieeffiziente Geräte, umweltfreundliche Materialien, Kohlenstoffabscheidung und -sequestrierung, die allesamt Investitionsmöglichkeiten in einer Vielzahl von Sektoren eröffnen.“
Ist Künstliche Intelligenz ein Instrument zur Begrenzung der globalen Erwärmung? Der Ausbau der Infrastruktur für generative KI in den USA wird in vielen Branchen erhebliche Produktivitätssteigerungen ermöglichen. Außerdem gebe es häufig unterschätzte Dynamiken, wie z.B. den Mangel an Gleichstromkapazitäten in den USA, wo bis 2025 weniger als 6 Gigawatt an Gleichstromkapazitäten entstehen, aber 10 Gigawatt an verkauften Chips für generative KI zu absorbieren seien. Auch dürfte Denize zufolge Akzeptanz für den Bau von Kernkraftwerken in der Bevölkerung und bei den Regierenden steigen.
Man sollte auf der Suche nach grünen „Perlen“ den Blick nicht nur auf die USA oder nach Asien richten. Denize verweist in seinem Kommentar auch auf den Draghi-Plan. Der ehemalige EZB-Präsident betone Europas technologische Führungsrolle in den Bereichen Nachhaltigkeit und saubere Technologien und zeige Wege auf, wie Europa sich im globalen Wettlauf um den ökologischen Wandel nachhaltig positionieren könne. „Auch Europa bietet viele Chancen. Und das Timing ist ideal: Go for Green!“, so die Überzeugung von Denize.
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Mehr Freiheit für das neue Altersvorsorgedepot
Von Dr. Oliver Everling | 21.Oktober 2024
Der Bundesverband für strukturierte Wertpapiere (BSW) begrüßt die Pläne zur Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge. „Die Richtung stimmt. Insbesondere die barrierefreie, einfache und effiziente Einrichtung eines Altersvorsorgedepots ist eine Chance, neben der offensichtlichen Verbesserung der Altersvorsorge, breite Teile der Bevölkerung für die Möglichkeiten der Kapitalmärkte zu begeistern, die Wertpapierkultur in Deutschland nachhaltig zu stärken und das Niveau der finanziellen Bildung deutlich zu erhöhen“, sagt Christian Vollmuth, geschäftsführender Vorstand des BSW.
In einer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf plädiert der BSW für eine Erweiterung der möglichen Anlageinstrumente für das Altersvorsorgedepot ohne Garantien. „Strukturierte Wertpapiere ergänzen die klassischen Wertpapieranlagen Aktien und Anleihen sinnvoll, indem sie für solide Ertragspotenziale sorgen, selbst dann, wenn sich einzelne Aktien oder ganze Märkte nur seitwärts oder sogar abwärts bewegen. Somit können strukturierte Produkte gerade im Hinblick auf die Auszahlungsphase einen wichtigen Beitrag zu Vermögenserhalt und -absicherung leisten“, sagt Christian Vollmuth.
Analog zum aktuellen Gesetzesentwurf erachtet der BSW eine Beschränkung des Auswahluniversums auf Finanzprodukte mit einer SRI-Risikokategorisierung nach der PRIIPS-VO bis maximal 5 für sinnvoll, fordert jedoch, zusätzlich Unternehmensanleihen sowie Inhaberschuldverschreibungen von Banken – die rechtliche Erscheinungsform der Anlageprodukte unter den strukturierten Wertpapieren – mit entsprechender Risikokategorisierung auf die Positivliste aufzunehmen. Hebelprodukte entfallen aufgrund ihrer Risiken automatisch.
„Innerhalb der definierten Risikokategorien sollten Anleger die freie Wahl haben, auch strukturierte Wertpapiere mit ihren einzigartigen Chance-/Risikoprofilen zur Renditeoptimierung und Risikoreduktion in Altersvorsorgedepots einzusetzen. Selbstentscheider und Beratungskunden halten bereits heute mehr als 100 Mrd. Euro in unseren Anlageprodukten, deren volumengewichtetes durchschnittliches Risiko mit 2,1 deutlich unterhalb von Aktien und Aktienfonds/-ETFs liegt, die zwischen 4 und 6 rangieren“, so Christian Vollmuth.
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Europa und China vor ähnlichen Herausforderungen
Von Dr. Oliver Everling | 18.Oktober 2024
Die wirtschaftliche Lage in Europa und China bleibt angespannt. Während die Europäische Zentralbank (EZB) versucht, die Inflation unter Kontrolle zu bringen, ohne die ohnehin fragile Konjunktur zu gefährden, kämpft China mit tiefgreifenden strukturellen Problemen. Diese Entwicklungen verdeutlichen die globalen Herausforderungen, denen sich Märkte und Regierungen derzeit stellen müssen.
Reinhard Pfingsten, Chief Investment Officer der apoBank, weist darauf hin, dass die Inflation in der Eurozone noch lange nicht besiegt ist. Selbst die EZB rechnet im Schlussquartal mit einer moderaten Gegenbewegung. Obwohl das Inflationsziel von zwei Prozent möglicherweise erst 2025 erreicht wird, sieht Pfingsten dennoch eine Abwärtstendenz bei den Leitzinsen in den kommenden Monaten. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Konjunktur weiterhin schwächelt. Sowohl in der Industrie als auch im Dienstleistungssektor zeigt sich eine anhaltende Schwäche. Pfingsten erwartet deshalb auch keine positiven Impulse durch den kommenden ifo-Geschäftsklimaindex.
Carsten Mumm, Chefvolkswirt der Privatbank DONNER & REUSCHEL, beschreibt einen ähnlichen Trend. Die EZB erwartet in den kommenden Monaten eine steigende Inflation, senkt aber gleichzeitig die Leitzinsen. Dies erscheint auf den ersten Blick widersprüchlich, doch Mumm erklärt, dass die konjunkturelle Schwäche in der Eurozone, insbesondere in Deutschland, auf das Preisniveau drückt. Statistische Effekte, die kurzfristig eine höhere Inflationsrate bis zum Jahresende begünstigen könnten, werden seiner Ansicht nach durch die gesamtwirtschaftliche Nachfrageschwäche zumindest teilweise ausgeglichen. Zusätzlich wirken sinkende Rohölnotierungen neutral bis negativ auf den Preis-Basis-Effekt, was auch durch geopolitische Spannungen, wie etwa im Zusammenhang mit dem Israel-Konflikt, nicht geändert wird. Mumm hält es daher für wahrscheinlich, dass die Leitzinsen auch im kommenden Jahr gesenkt werden, selbst wenn dies nicht bei jeder Sitzung der EZB der Fall sein wird. Sollte die Konjunktur nicht deutlich an Dynamik gewinnen oder die Energiepreise aufgrund geopolitischer Faktoren steigen, hält Mumm ein Zielniveau zwischen 2,0 und 2,5 Prozent für realistisch. Gleichzeitig erwartet er, dass die Renditen von Staatsanleihen sinken und der Euro schwach bleiben wird. Die jüngsten Wirtschaftsdaten aus China deuten seiner Ansicht nach ebenfalls darauf hin, dass das schwache Wachstum im Reich der Mitte keinen nennenswerten positiven Einfluss auf die europäische Konjunktur haben wird.
In China selbst hat die Regierung unterdessen damit begonnen, Maßnahmen gegen die anhaltende wirtschaftliche Schwäche zu ergreifen. Prof. Dr. Jan Viebig, Chief Investment Officer der ODDO BHF SE, analysiert das jüngste Maßnahmenpaket, das am 12. Oktober vom chinesischen Finanzminister angekündigt wurde. Er betont, dass es notwendig sei, die strukturellen Schwächen der chinesischen Wirtschaft zu adressieren. Dazu zählen die Immobilienkrise, die hohe Verschuldung der lokalen Regierungen sowie die schwache Konsumnachfrage. Trotz der aggressiveren Vorgehensweise von Regierung und Notenbank ist Viebig der Meinung, dass die angekündigten Maßnahmen nicht ausreichen werden. Zwar wurden finanzpolitische Schritte unternommen, wie die Bereitstellung von 400 Milliarden Renminbi für lokale Regierungen oder die Erhöhung der Schuldenobergrenze, doch diese Maßnahmen adressieren lediglich die Symptome und nicht die tiefer liegenden Probleme.
Die strukturellen Herausforderungen Chinas sind nach wie vor gravierend. Der Konsum stagniert, industrielle Überkapazitäten drücken auf die Preise und die Immobilienkrise belastet weiterhin das Wirtschaftswachstum. Die Marktteilnehmer hätten sich, so Viebig, von der Regierung konkretere Zahlen zur Stimulierung der Nachfrage gewünscht. Diese erhoffen sie sich nun von der kommenden Sitzung des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses Ende Oktober 2024. Zwar haben chinesische Aktien in letzter Zeit Kursgewinne verzeichnet, doch bleibt die wirtschaftliche Unsicherheit hoch.
Auch Carsten Mumm weist auf die schwerwiegenden strukturellen Probleme der chinesischen Wirtschaft hin. Die aktuell schwache Belebung der chinesischen Konjunktur spiegelt sich in einem Wachstum von 4,6 Prozent im dritten Quartal wider, was zwar auf erste fiskal- und geldpolitische Maßnahmen zurückgeführt werden kann, jedoch nicht über die grundlegenden Schwierigkeiten hinwegtäuscht. Besonders auffällig ist der anhaltende Preisverfall im Immobiliensektor, der seit mehr als zwei Jahren zu beobachten ist. Die schwachen Immobilienpreise belasten nicht nur die Konjunktur, sondern auch den Konsum, der bereits durch Unsicherheit und hohe Jugendarbeitslosigkeit geschwächt ist. Mumm sieht die Notwendigkeit für direkte Geldzuweisungen an die Bevölkerung, um den privaten Konsum stärker anzukurbeln. Zudem könnte eine Rückkehr zu marktwirtschaftlichen Prozessen das Investitionsklima verbessern. Doch bis diese Maßnahmen greifen, bleibt die chinesische Wirtschaft schwach, was sich auch auf Europa auswirkt. Die deflationären Tendenzen in China dämpfen die Inflation in Europa und eröffnen der EZB zusätzlichen Handlungsspielraum.
Trotz der unterschiedlichen Ursachen stehen Europa und China vor ähnlichen Herausforderungen: Beide Wirtschaftsregionen kämpfen mit strukturellen Schwächen, die das Wachstum hemmen und die Inflation beeinflussen. Die globalen Märkte warten daher gespannt auf konkrete Maßnahmen der Regierungen, um die konjunkturelle Schwäche zu überwinden und eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung zu ermöglichen.
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Investment trotz nachlassender Dynamik
Von Dr. Oliver Everling | 16.Oktober 2024
Eine nachlassende Wachstumsdynamik in den USA, weltweit sinkende Inflationsraten und eine uneinheitliche Entwicklung der Staaten der Europäischen Union ergeben zusammen ein sehr gemischtes Bild auf die Zukunft. Dieser Ansicht ist Desiree Sauer, Investmentstrategin bei Lazard Asset Management. Sie setzt auf aktives Rentenmanagement und erwartet ein Comeback zuletzt verschmähter Aktiensegmente.
In Bezug auf das Wirtschaftswachstum hätten die USA erneut überrascht, so die Expertin. Hohe Konsumausgaben, unterstützt durch hohe Ersparnisse und fiskalpolitische Maßnahmen, würden sich positiv auf das US-Wachstum auswirken. Doch auch die USA blieben nicht ganz ohne Blessuren durch die restriktive Geldpolitik: „Wir sehen, wie die wirtschaftliche Dynamik an Schwung verliert – das zeigen die nachlassenden vorausschauenden Einkaufsmanagerindizes insbesondere im verarbeitenden Gewerbe“, sagt Sauer.
Dennoch könne von einer echten Rezessionsgefahr in den USA nicht die Rede sein. Zwar dürfte sich die Wirtschaft im Laufe dieses Jahres als verzögerter Effekt der restriktiven Geldpolitik noch etwas weiter abkühlen, doch die bereits vorgenommenen und die wahrscheinlich noch kommenden Zinssenkungen sollten der US-Wirtschaft 2025 neuen Schwung verleihen.
Allen Befürchtungen zum Trotz habe die Wirtschaft der Eurozone die erste Jahreshälfte besser überstanden als zu Jahresbeginn erwartet. Die Rezession sei ausgeblieben, und die Region verzeichne ein leicht positives Wachstum. Desiree Sauer sieht jedoch genauer hin: „Innerhalb der Eurozone zeigen sich unterschiedliche Entwicklungen. Das positive Wachstum wurde hauptsächlich von den südlichen Mitgliedstaaten getragen, was teilweise auf Reformen und höhere Staatsausgaben zurückzuführen ist.“
In Deutschland zeige sich ein anderes Bild: „Als Exportnation leidet Deutschland unter der anhaltenden globalen Nachfrageschwäche, und bestimmte Kernsektoren der Wirtschaft stehen unter Druck – darunter auch die Automobilindustrie. So erwägt beispielsweise der Autoriese VW die Schließung zweier Werke in Deutschland“, erklärt Sauer. Die restriktive Fiskalpolitik und die politische Unsicherheit in Deutschland, ausgelöst durch das Zerwürfnis der Ampelkoalition und die deutlichen Zugewinne der AfD bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland, hätten den Gegenwind für Europas größte Volkswirtschaft noch verstärkt. „Es ist also kein Wunder, dass die Stimmung in Deutschland auf ein Tief gerutscht ist, was sich auch im ifo-Geschäftsklimaindex niederschlägt“, sagt Sauer.
Betrachte man die Eurozone insgesamt, sei die Entwicklung dennoch positiv: Das Verbrauchervertrauen verbessere sich stetig, das BIP-Wachstum sei im zweiten Quartal positiv gewesen und die Arbeitslosigkeit auf den niedrigsten Stand aller Zeiten gesunken. „Auch wenn eine Rezession in der Eurozone nicht völlig ausgeschlossen werden kann, sehen wir keine Anzeichen dafür, dass sie unmittelbar bevorsteht“, sagt Sauer. „Das ist unter anderem auf die Stärke der Verbraucher zurückzuführen. Die Kombination aus niedriger Inflation und steigenden Reallöhnen dürfte das Verbrauchervertrauen zusätzlich stärken. Der Internationale Währungsfonds schätzt, dass die Wirtschaft der Eurozone im Jahr 2024 um 0,9 Prozent und im Jahr 2025 um 1,5 Prozent wachsen wird, für die USA liegen die Werte bei 2,6 Prozent in 2024 und 1,9 Prozent für 2025.“
Erfreulich ist laut Sauer auch die Inflationsentwicklung: „Auf beiden Seiten des Atlantiks gehen sowohl die Headline- als auch die Kerninflationsrate zurück, mit Ausnahme von Großbritannien, wo sich die Kernrate ausgesprochen hartnäckig zeigt. Die Eurozonen-Inflation (Headline) ist im September mit 1,8 Prozent sogar unter das Zwei-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank gerutscht. Großbritannien und die USA sind mit 2,2 Prozent ebenfalls nahe am gewünschten Korridor.“
Desiree Sauer geht davon aus, dass die Zentralbanken ihren eingeschlagenen Weg weiter fortsetzen werden. Die Inflation scheine eingedämmt zu sein, was den Zentralbanken Raum für weitere Zinssenkungen gebe. Für die Europäischen Zentralbank (EZB) werde im Oktober der nächste Zinsschritt um 25 Basispunkte erwartet. „Auch in den USA rechnen wir mit weiteren Zinssenkungen in den nächsten Monaten, auch wenn diese wahrscheinlich nicht mehr ganz so hoch ausfallen werden. Zwei weitere Schritte um jeweils 25 Basispunkte bis zum Jahresende erscheinen uns vernünftig“, sagt Sauer.
Zu den aktuellen Risiken gehören die anstehenden Wahlen, insbesondere in den USA. Sorge bereiten Desiree Sauer außerdem der zunehmende Protektionismus, ein möglicher weiterer Rechtsruck und ein potentielles Wiederaufflammen der Inflation. „Dennoch bleibt unser Ausblick für die Anleihemärkte, sowohl für Investment- als auch für Hochzinsanleihen, positiv. Unternehmensanleihen gehören zu den Nutznießern der stabilen und teilweise aufhellenden Wirtschaftsaussichten. Wir sind der Ansicht, dass Euro-Hochzinsanleihen im Durchschnitt immer noch etwas zu teuer gehandelt werden, während ausgewählte Emittenten und Anleihen weiterhin ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten.“
Aktives Management ist aus Sicht der Expertin als Schlüssel zum Erfolg. Sie hält nordische Anleihen für eine interessante Nische, da diese Anleihen auf der Grundlage starker Fundamentaldaten und höherer Spreads ein beträchtliches Performancepotenzial böten. „Insgesamt könnten festverzinsliche Anlagen durch weitere Zinssenkungen Auftrieb erhalten. Es besteht jedoch weiterhin das Risiko, dass die Inflation zurückkehrt, was an den Märkten zu einigen Turbulenzen führen könnte. Das ist jedoch nicht unser Basisszenario“, hält Sauer fest.
Auch für die Aktienmärkte ist Desiree Sauer positiv gestimmt. Sie rechnet jedoch aufgrund der bevorstehenden US-Wahl in den nächsten Monaten mit einer erhöhten Volatilität an den Märkten. Bei den Favoriten unter den Aktientiteln könne es zu einem Wechsel kommen: „Unserer Meinung nach werden Aktiensegmente, die in den letzten Jahren in den Hintergrund geraten sind, wieder mehr Anlegerinteresse wecken. Dazu gehören beispielsweise Small- und Mid-Cap-Aktien, die von der Aussicht auf weitere Zinssenkungen und eine stabile Konjunktur profitieren könnten. Dies würde wiederum die Performance von Wandelanleihen beflügeln, deren Emittenten hauptsächlich aus dem Mid-Cap-Growth-Bereich stammen“, argumentiert die Expertin.
Auch Schwellenländeraktien könnten Nutznießer des derzeitigen Umfelds sein. Diese lägen nach wie vor in ihren Bewertungen weit zurück, obwohl sich das makroökonomische Umfeld verbessert habe. Doch die Zinssenkungen der US-Notenbank Federal Reserve und ein potentiell schwächerer Dollar könnten eine Phase einläuten, in der Schwellenländeraktien wieder outperformen könnten.
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USA schon vor der Wahl auf Talfahrt
Von Dr. Oliver Everling | 10.Oktober 2024
Das unabhängige Schweizer Kreditresearch-Unternehmen Independent Credit View (I-CV) veröffentlichte ihre jährliche Länderstudie. Dabei wurden 48 Staaten einer umfangreichen Analyse unterzogen. Insbesondere die Bereiche Geldpolitik & Inflation, Wachstum, Fiskalpolitik und Risiken standen im Fokus der Untersuchung. Die Ergebnisse liefern Anleiheninvestoren Erkenntnisse, in welchen Staaten positive respektive negative Rahmenbedingungen für künftige Investments vorherrschen.
„Die harschen Zinsschritte der Notenbanken zeigen Wirkung und die Inflation nähert sich den Zielwerten an“, schreiben die Spezialisten aus der Schweiz. Die befürchtete Rezession (harte Landung) blieb vorerst aus und eine weiche Landung scheint sich abzuzeichnen. Doch Konsum und Fiskalpolitik als Wachstumsstützen brechen langsam weg. Zudem führt Kaufkrafterosion zu Desillusion mit Politik und zu Auftrieb bei populistischen Parteien. „Mit Blick auf tiefere Zinsen zeigen sich die Kapitalmärkte optimistisch bis euphorisch. Dies trotz erhöhten Zahlungsausfällen bei Unternehmen, steigenden Kreditkartenschulden und verhaltenen Wachstumsaussichten. Dabei verharren die Risikoprämien bei Unternehmen und Staaten unbekümmert auf tiefen Niveaus“, sagt René Hermann, Lead-Autor der I-CV Länderstudie.
Weiter meint Hermann: „Eine Stabilisierung der Schuldenquoten auf hohem Niveau stellt sich langsam ein. Es gelingt aber nur wenigen Staaten, diese nachhaltig zu senken. Besorgniserregend bleibt die Schuldendynamik bei den großen Volkswirtschaften USA, China sowie im Kern Europas Eine Rückkehr zu ultratiefen Zinsen erachten wir als unrealistisch. In Anbetracht hoher Schuldenquoten, schwachem Wachstum, rigidem Ausgabendruck, auslaufender Sonderprogramme und mangelnder Fiskaldisziplin rückt die Tragbarkeit der Schulden wieder in den Fokus Die absoluten Renditeniveaus sind attraktiv und die Anlageklasse dank Rückzug der Notenbanken wieder interessant. Unsere Länderstudie 2024 zeigt aber auch, dass der Ratingdruck bei undisziplinierten Staaten steigt, während die Risikoprämien die anfällige Konstellation und die geopolitischen Unsicherheiten unzureichend reflektieren.“
Die I-CV Länderstudie 2024 vergibt bei den 48 untersuchten Volkswirtschaften – wie bereits 2023 – sechs Mal die höchste Einstufung Triple-A, darunter die Schweiz. Deutschland verlor vergangenes Jahr diese Bestnote. „Im Vergleich zum Vorjahr haben wir fünf Länder zurück- und ebenso fünf Staaten hochgestuft. Prominentestes Beispiel sind sicherlich die USA, welche nun das Rating AA- aufweisen. Aber auch Finnland und Israel zeigten Entwicklungen, die zu Downgrades führten. Mit Spanien und Griechenland sind zwei europäische Länder besser eingestuft worden. Und auch Australien und die Schwellenländer Indien und Philippinen kletterten eine Stufe höher“, so Hermann.
Die Renditen von US-Treasuries befinden sich im Bereich eines 16-Jahreshochs. Dennoch bleibt Vorsicht geboten, da die Risikoprämien der Länder insgesamt ungenügenden Schutz bieten vor den zahlreichen Herausforderungen. „Insbesondere die Geopolitik ist innerhalb der Risikofaktoren zu nennen. Allein schon vier militärische Konflikte haben leider das Potenzial, um für erhebliche Unruhe und in der Folge für Marktverwerfungen zu sorgen. Fragmentierung und Polarisierung in Europa gehören ebenfalls zu den nennenswerten möglichen Unruhe-Faktoren“, sagt Hermann.
Abschließend zieht der Lead-Autor der I-CV Länderstudie folgendes Fazit: „Insgesamt sehen wir die Anleihenmärkte im Spannungsfeld von Inflationsrisiken, Geld- und Geopolitik. Investoren sollten sich daher auf eine erhöhte Volatilität einstellen und berücksichtigen, dass angesichts sich verschärfender Probleme die Risikoprämien zu tief sind. Dazu kommt die geringere Nachfrage nach Anleihen durch Zentralbanken bei weiterhin hohem Angebot. Die Schuldenlast sowie steigende Zinsaufwendungen erhöhen den Ratingdruck und engen den Finanzspielraum ein. In diesem Umfeld wird Europas Peripherie, Italien ausgenommen, für Investoren interessanter, Europas Kern dagegen unattraktiver. Wir bevorzugen Staaten mit hoher Fiskaldisziplin und positivem Schuldentrend, beispielsweise Schweden, Norwegen und Dänemark sowie Niederlande und Irland. Vorsicht ist geboten bei Schwellenländern mit hohen Defiziten und niedrigem Wachstum, etwa bei Südafrika und Mexiko.“
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Moody’s erneut als führender Anbieter von Risikotechnologie ausgezeichnet
Von Dr. Oliver Everling | 8.Oktober 2024
Moody’s Corporation hat im Chartis RiskTech100® 2025 Bericht erneut den Spitzenplatz belegt und wurde zum dritten Mal in Folge als weltweit führender Anbieter von Risikotechnologie ausgezeichnet. Dies unterstreicht die herausragende Leistung von Moody’s in der Bereitstellung umfassender Lösungen, die ihren Kunden eine ganzheitliche Sicht auf Risiken ermöglichen – durch die Nutzung von Forschung, Daten und Analysen.
Der Chartis RiskTech100 ist die umfassendste Studie über die weltweit führenden Anbieter von Risiko- und Compliance-Technologie. Die Spitzenplatzierung von Moody’s würdigt die außergewöhnliche Fähigkeit des Unternehmens, Kunden durch innovative Lösungen eine umfassende Risikoübersicht zu bieten. „Der Gewinn des Hauptpreises von Chartis zum dritten Mal in Folge ist ein starkes Zeugnis dafür, wie Moody’s stets an der Spitze der Entwicklungen in der Risikomanagement-Technologie bleibt“, erklärte Rob Fauber, Präsident und CEO von Moody’s. „Wir streben ständig danach, unsere Produktpalette zu innovieren und neue Technologien und Erkenntnisse so schnell wie möglich in die Hände unserer Kunden zu legen.“
Neben der Spitzenposition in der Gesamtwertung konnte Moody’s auch in 12 Einzelkategorien überzeugen, darunter Marktpräsenz, Strategie, Funktionalität, Banking, Versicherung, Klimarisiko und Kreditportfoliomanagement.
Sid Dash, leitender Forscher bei Chartis, hob die strategische Nutzung modernster Technologien durch Moody’s hervor: „Durch die Beibehaltung seiner Spitzenposition im RiskTech100 hat Moody’s gezeigt, wie effektiv es neueste Technologien nutzt, um seine Daten und Analysen effizient zugänglich, verteilbar und nutzbar zu machen.“ Er betonte zudem die kontinuierliche Erweiterung der analytischen Werkzeuge von Moody’s, die verschiedene Geschäftsbereiche wie Banking, Versicherung, Verbriefung und Compliance abdecken.
Die Auswahl der Gewinner des RiskTech100 2025 erfolgte nach einem fast einjährigen Prozess, der Briefings mit Anbietern und Gespräche mit Käufern und Endnutzern von Risikotechnologie umfasste. Die Forschungsdirektoren und leitenden Analysten von Chartis Research trafen anschließend die endgültigen Entscheidungen.
Chartis Research ist ein führender Anbieter von Forschung und Analysen für den globalen Markt der Risikotechnologie. Ihr Ziel ist es, Unternehmen dabei zu unterstützen, ihre Unternehmensleistung durch verbessertes Risikomanagement, Corporate Governance und Compliance zu steigern.
Moody’s bleibt damit ein entscheidender Akteur in einer zunehmend vernetzten Welt voller Risiken. Mit innovativen Technologien und tiefgehenden Analysen bietet das Unternehmen seinen Kunden die nötigen Werkzeuge, um Chancen zu erkennen und mit Zuversicht zu handeln.
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Chinas Wirtschaft in der Liquiditätsfalle
Von Dr. Oliver Everling | 8.Oktober 2024
Die von der chinesischen Zentralbank beschlossenen Zinssenkungen und vom Politbüro der Kommunistischen Partei angekündigten Maßnahmen zur Stützung der Wirtschaft haben seit der letzten Septemberwoche ein Kursfeuerwerk am chinesischen Aktienmarkt ausgelöst. Noch ist allerdings nicht erkennbar, dass dieser Stimulus tatsächlich zu einem nachhaltigen Aufschwung der chinesischen Wirtschaft führen wird. Dazu sind die Herausforderungen, mit denen die chinesische Führung derzeit konfrontiert ist, zu komplex, urteilt Axel D. Angermann, der als Chef-Volkswirt der FERI Gruppe die konjunkturellen, geldpolitischen und strukturellen Entwicklungen aller für die Asset Allocation wesentlichen Märkte analysiert.
„Der Entschluss der Regierung, die im Immobiliensektor über lange Zeit entstandenen Exzesse abzubauen, hat dazu geführt, dass die Immobilienpreise seit rund zwei Jahren sinken. Das hat die chinesische Wirtschaft in eine Liquiditätsfalle bewegt: Sinkende Zinsen führen nicht zu einer Belebung der Investitionstätigkeit, weil die Akteure angesichts des hohen Überangebots an Wohnungen mit anhaltend sinkenden Preisen rechnen. Anders als beabsichtigt hat dies eine Kettenreaktion mit gesamtwirtschaftlich gravierenden Folgen ausgelöst: Wegen der aus den sinkenden Immobilienpreisen resultierenden Vermögensverluste wird auch der private Konsum massiv beeinträchtigt, was wiederum die gesamtwirtschaftliche Dynamik erheblich bremst“, so Angermann. „Der Versuch, dem mittels steigender Exporte entgegenzuwirken, ist nur in begrenztem Maße erfolgreich, weil die Weltwirtschaft insgesamt schwächelt und sowohl die US-amerikanische Regierung als auch neuerdings die EU-Kommission Maßnahmen gegen die Flutung ihrer Märkte mit günstigen chinesischen Produkten ergreifen.“
Die bisherigen Schritte zur Stabilisierung der Wirtschaft waren jeweils nur kurzzeitig erfolgreich, heißt es aus dem Hause der FERI. So stellte die Zentralbank 500 Milliarden Yuan für den Kauf leerstehender Wohnungen durch lokale staatliche Unternehmen bereit, wovon bisher nur 25 Milliarden genutzt wurden, da das Geschäft für die Firmen offenbar unattraktiv ist. Zudem gibt es Widerstand von Hausbesitzern, die auf Dauer geringere Marktpreise und eine ungünstige Veränderung der Sozialstruktur in ihren Wohnvierteln befürchten, wenn ein Großteil der Häuser als Sozialwohnungen vermietet wird. Für eine nachhaltige Stabilisierung der Immobilienpreise wäre ein großes Zentralbankprogramm notwendig, wie es zuletzt im Jahr 2015 der Fall war. Die derzeitigen Maßnahmen bleiben in ihrem Umfang deutlich dahinter zurück und zielen vor allem darauf ab, das BIP-Wachstumsziel von 5% zu erreichen und ein weiteres Abrutschen der Wirtschaft zu verhindern. Dieses Ziel immerhin dürfte wohl erreicht werden, zumal die Führung in Aussicht gestellt hat, die Maßnahmen bei Bedarf auszuweiten. Eine dauerhaft deutlich höhere Wachstumsdynamik ist jedoch unwahrscheinlich: Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die chinesische Führung unter Xi Jinping ihre Prioritäten grundsätzlich verändert hätte, und diese Prioritäten liegen gerade nicht in einer hohen Wachstumsdynamik, sondern in möglichst umfassender Kontrolle und der Verfolgung spezifischer Ziele zur Stärkung (welt-)politischer Ambitionen.
Aufschlußreich war die ausbleibende Reaktion des Ölpreises auf die neuen Stützungsmaßnahmen: Würde Chinas Wirtschaft tatsächlich auf einen höheren Wachstumspfad einschwenken, hätte das erfahrungsgemäß den Ölpreis deutlich steigen lassen, da China weiterhin zu den größten Ölkonsumenten zählt. Bei chinesischen Aktien ergibt sich für professionelle Investoren angesichts der bisherigen dramatisch niedrigen Bewertung eine taktische Opportunität. Die strategischen Perspektiven bleiben allerdings verhalten.
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